Kapitel 2 - Das Hexenwerk - Teil 1

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hatte nicht den Hauch eines Zweifels, dass Cade ihnen entkommen würde. Er war mit allen Wassern gewaschen. Ein Überlebenskünstler. Ganz egal, wie verzwickt die Lage aussehen mochte, er fand immer einen Weg hinaus, denn er war schnell und stark und gesund. Das Problem war ich. Das Problem war immer ich.

Mit tanzenden Punkten vor den Augen richtete ich mich auf und hielt mir japsend die Seite, als sich ein scharfer Schmerz durch meine Rippen biss. Dennoch konnte ich nicht länger hierbleiben. Wenn ich nicht aufstand und fortlief, würden sie mich kriegen. Ich musste zu meinem Onkel...

Nein, das darf ich nicht. Ich kann nicht zu ihm, denn wenn die Blassen mir folgen, dann bringe ich dadurch auch den Rest des Trupps in Schwierigkeiten!

Ich würde mich fürs Erste verstecken müssen und mich später auf die Suche nach Cade machen. Er wüsste sicher, was zu tun war. Wahrscheinlich hatte er sich schon zig Pläne ausgedacht, wie wir aus dem Schlamassel wieder herauskamen. Ich durfte mich eben nur nicht von den Blassen erwischen lassen.

Also humpelte ich los.

Jede Bewegung war eine Höllenqual, aber ich biss die Zähne zusammen und zwang mich einen Schritt vor den anderen zu setzen.

Gerade wollte ich in eine der Gassen abtauchen, da stieß ich mit einem Mann zusammen. Er trug die rote Uniform der Stadtwache. Hinter ihm standen noch zwei Männer in der gleichen Kleidung. Sie hatten sogar den gleichen Schnurrbart und die gleiche argwöhnische Miene wie der Erste.

Dann nahmen die schwarzen Punkte zu, bis sie mein Sichtfeld fast vollständig ausfüllten und als die Wache nach mir greifen wollte, torkelte ich bei dem Versuch, ihm auszuweichen, zur Seite und knallte dabei mit dem Oberkörper gegen eine Mauer. Die Luft wurde mir aus den Lungen gepresst und ich ließ mich mit einem leisen Stöhnen auf den Boden sinken.

Meine Lider flatterten zu.

»Wieder so ein Schleicherbastard.« Jemand rüttelte mich an der Schulter. »He, Ratte. Vor wem bist du weggerannt?«

»Danke, Hauptmann«, hörte ich eine leicht außer Atem klingende Stimme rufen. »Der Bastard ist bei uns eingebrochen. Er hatte einen Komplizen, aber der ist uns entwischt.«

In weiter Ferne ertönte das Horn der Stadtwache.

»Meine Männer werden ihn sicher finden«, sagte der Hauptmann zuversichtlich und begann, mich abzutasten. Ich riss die Augen auf und schrie. Seine Berührungen waren so grob, dass mir kalter Schweiß auf dem Rücken klebte, als er endlich von mir abließ. »Was den hier angeht, so hat er nur das hier.«

Er hielt mein Filztäschchen hoch und öffnete es, um den beiden Inquisitorenjungen die Karten darin zu zeigen. Meine Augen hafteten darauf und ich versuchte, meinen Körper dazu zu überreden, aufzustehen, um es ihm aus der Hand zu reißen, doch das musste ich glücklicherweise nicht. Als die Inquisitoren kein Interesse an meinem Kartendeck kundtaten, warf er es achtlos neben mich. Mit letzter Kraft griff ich danach und steckte es zurück in meine Manteltasche.

»Der macht eh nicht mehr lange mit«, sagte der Hauptmann. »Lasst ihn einfach liegen, wenn ihr ihn nicht in ein Heilerhaus bringen wollt. Meine Männer und ich haben nichts gesehen.«

Er marschierte mit seinem Gefolge von dannen und die Inquisitoren blieben ratlos stehen.

»Und jetzt?«

»Keine Ahnung.«

»Sollen wir ihn zu den Heilern bringen?«

»Zu teuer.«

»Willst du ihn etwa hier liegen lassen?«

Der Dicke sah mich abwägend an und zuckte dann die Schultern »Fragen wir Lysann, was sie mit ihm tun will. Sie hat's uns immerhin eingebrockt.«

Der Halbe Schwur [Leseprobe]Where stories live. Discover now