Kapitel 1 (Neustart?)

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Nun sitze ich also hier. Ich sitze alleine auf meinem Bett. Das Telefon noch in der Hand. Das war es jetzt also? Davor habe ich mich die ganze Zeit gedrückt? Was heißt gedrückt. Ich habe es mir schlimmer vorgestellt mit mehr Drama, mehr Tränen. Aber anscheinend lässt ihn meine Entscheidung kalt. 

Die letzten 24 Stunden kreisten meine Gedanken nur um dieses Thema. Am Anfang musste ich mir klar machen, was ich will. Ehrlich gesagt weiß ich das bis jetzt noch nicht. Aber ich habe gespürt, was ich nicht will. Ich will nicht für mein eigenes Unglück verantwortlich sein. Danach ist mir bewusst geworden, dass ich aktiv werden muss, wenn sich etwas bei mir ändern soll.  Und jetzt? Was ist Schritt drei? Was kommt danach? 
Meine Tränen laufen über mein Gesicht, mein Herz tut ein wenig weh.  Doch es fühlt sich auch gut an. Dieser Schritt war eine gute Entscheidung,  hör ich mich selbst sagen. 
Nebenan telefoniert gerade meine Mitbewohnerin mit ihrer Mama. Soll ich zu ihr gehen? Gerade möchte ich nicht alleine sein. Ich brauche jemanden, dem ich das erzählen kann, damit meine Gedanken mich nicht einholen. 
Ich rappel mich auf. Los Vici! Reiß dich zusammen! Du schaffst das! Sie wird dich schon nicht fressen. 

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Es  tat gut mit Marie, meine Mitbewohnerin, zu sprechen. Ich fühle mich jetzt noch leichter als vorher.   Ich greife wieder zu meinem Handy und rufe noch Karo und Amelie an. 

Karo ist ist 18 und somit 4 Jahre jünger als ich. Wir beide sind Brieffreundinnen und haben uns über ein Giveaway via Instagram kennen gelernt. Seitdem schreiben wir fast täglich. Da sie gut 4 Stunden Zugfahrt von mir entfernt wohnt, haben wir uns noch nie gesehen. Das macht unserer Sympathie zueinander aber nichts aus. Bei ihr fühl ich mich wohl, obwohl wir uns noch nicht lange kennen. 

"Es der richtige Schritt, Vici! Du warst lang genug unglücklich und wolltest es doch einfach nur nicht wahrhaben."
"Ja, das weiß ich jetzt auch. Ich fühle mich wie der letzte Idiot, dass ich es einfach nicht schon früher getan habe.", ich hole zwischen meiner gefühlt hundertsten Heulattacke tief Luft, um mich zu beruhigen, "aber ich hatte mehr Angst davor mich allein zu fühlen, als unglücklich zu leben."
"Du wirst nie allein sein Vici. Ich werde immer für dich da sein!", sagt sie und ich muss anfangen zu lächeln. Ja sie hat recht. Ich hab sie und noch weitere Menschen, die mein Leben mit Liebe und Freude ausfüllen.

Karo und ich telefonieren noch ein Weilchen. Sie lässt sich erst zum Auflegen überreden, als ich ihr zum dritten Mal versichert habe, dass ich keinen Rückzieher mache. 
Nach einer schier endlosen Verabschiedung, rufe ich noch Amelie an, die beschließt mich heute Abend nicht alleine zu lassen und mit Wein und Schokolade später vorbeikommen wird. Beides kann ich gerade sehr gut gebrauchen.

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Noah und ich haben uns vor 4 Jahren auf einer Dating-App kennen und lieben gelernt. Ich war gerade mitten in den Abiturprüfungen und er hatte mit seinem Studium zu tun. Nach ewigem Hin und Her hatten wir beschlossen, dass ich ihn besuchen fahre. Wir lernten uns an diesem Wochenende besser kennen und verbrachten ein paar sehr intime Nächte zusammen... Wir beide waren sehr aufgeregt, er noch mehr als ich. Es war sein erstes Mal...
Mir machte dies nichts aus. Ich fand es aufregend, einem Kerl wieder so nah zu sein und ich habe versucht mich bei ihm fallen zu lassen. Nachdem ich in mein 300 km entferntes Dorf zurückgefahren bin, hatten wir noch einige schöne Wochen. Wir bemerkten jedoch nach einer Weile, dass wir uns zu einem ungünstigen Zeitpunkt begegnet waren. So beendeten wir unsere Beziehung und jeder lebte sein Leben allein weiter. 
Kurz vor der Trennung war ich in eine größere Stadt gezogen, um dort Germanistik und Philosophie zu studieren. Ich bezog meine erste eigene Wohnung. Sie war 20 m^2 groß, Küche und Wohn-/Schlafzimmer befanden sich in einem Zimmer, was oft dazu führte, dass mein Bettwäsche nach Bacon oder angebratenen Zwiebel stank und generell ein schier endloses Chaos herrschte. Das Bad war gerade so groß, dass man zwischen Waschbecken, Toilette und Dusche einen Wäscheständer mit eingeklappten Flügeln stellen konnte. Ja, ich habe mich manchmal etwas wie in einem Schuhkarton gefühlt, jedoch hab ich es auch genossen, all das nur für mich zu haben. Ich liebte es, wie die Sonne am Abend leicht in mein Zimmer schien und wunderschöne Schatten an die Wand warf. Der gleich angrenzende Park und der gegenüberliegende Supermarkt, erleichterten mir das Leben enorm. 
In der Uni lernte ich zwei meiner nun besten Freundinnen kennen. Amelie und Sophie. Amelie lernte ich durch eine Facebook-Gruppe kennen. Sie ist ein Jahr älter als ich, trägt ihr langes blondes Haar meist offen. Wie ich sie darum beneide... Ich für meinen Teil trage meine braune wild lockige Mähne meist in einem Dutt oder zu einem Zopf gebunden. Mir fällt es schwer sie zu bändigen. Generell nehme ich mir selten die Zeit dazu meine Haare zu stylen und mich herauszuputzen. 
Durch Amelie lernte ich Sophie kennen. Wir belegten alle drei die meisten Kurse zusammen und kamen uns dadurch schnell näher und wurden unzertrennlich. 

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Es verging ein Jahr bis Noah und ich uns wieder gefunden haben. Er kam mich im Sommer vor 2,5 Jahren besuchen und seitdem waren wir zusammen. Bis heute...

Die letzten Monate waren nicht leicht für mich. Ich war schon immer ein Mensch der zu viel über alles nachdenken musste, so auch über meine Zukunft mit Noah. Er war fürsorglich, brachte mich zum Lachen und verstand sich sehr gut mit Amelie und Marie. Es war schön nicht allein zu sein. Jedoch führten wir weiterhin eine Fernbeziehung, die trotz seinem abgeschlossenen Studium fortbestehen sollte. Wir sahen uns aus finanziellen Gründen meist nur alle 2 Monate und dann auch nur für 3 bis 4 Tage. Jedes mal fingen wir von vorne an. Es fühlte sich jedes einzelne Mal so an, jemand völlig Neuen zu begegnen, aber gemischt mit einer Vertrautheit, die dazu nicht passen wollte. Ich dachte, dass es sich mit der Zeit geben wird, doch damit lag ich falsch. Es unterlag alles einer Routine. Die Honeymoon-Rosa-Rote-Brille-Phase haben wir komplett übersprungen. Es fehlte mir, verliebt zu sein. Ich habe mich trotz allem sehr wohl bei ihm gefühlt und redete mir immer wieder ein, dass es einfach so ist und ich damit von nun an lebe. Doch im letzten Oktober kurz vor meinem Geburtstag konnte ich das alles nicht mehr ignorieren. Es überrollte mich eine Welle von negativen Gefühlen und Ängsten, die ich nicht zuordnen konnte. Ich fing an mein Leben zu überdenken...
Nachdem Noah über Silvester hier war und ich uns in Gedanken noch eine Chance gab, die Woche aber gleichbleibend monoton verlief, reichte es mir. Nachdem ich ihm zum Bahnhof gebracht hatte und er im Zug nach Hause saß, wurden die Gedanken an eine Trennung immer stärker. Und heute nach eineinhalb Monaten war der Tag der Tage gekommen.
Nachdem mich die ganze Zeit über der Gedanke nicht verließ, dass es besser wäre mit ihm Schluss zu machen, setzte ich den Plan in die Tat um. 

So bin ich also hier gelandet... Draußen beginnt die Sonne unter zu gehen. Ich wische mir die letzten Tränen vom Gesicht und fange an mein Zimmer und die Wohnung aufzuräumen, da Amelie in wenigen Stunden vor der Tür steht. 

Der letzte Müll war weggebracht und ich fühlte mich nach dem Putzen und Aufräumen etwas besser. Ich griff zu meinem Handy und lass ein paar Nachrichten von meinen Freunden. Amelie bestätigte mir, dass sie auf dem Weg sei, sie aber noch eine wenig brauche, da sie noch einen Wein aus dem Supermarkt holen muss. Nachdem ich ihr mit einem Smiley geantwortet habe, bekomme ich eine neue Nachricht:

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Valentin: Hey, wie geht's dir? 

Soweit ganz gut. Ich hab mit Noah Schluss gemacht.

Valentin: o.o Möchtest du drüber reden?

Können wir später telefonieren? Ami kommt gleich mit Wein vorbei!

Valentin: Ja klar! 

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Valentin ist der, der meine Welt die letzten drei Nächte auf den Kopf gestellt hatte und von dem ich anscheinend nie loskommen werde... 


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⏰ Last updated: May 23, 2021 ⏰

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