Ich

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Was bin ich?
Wer bin ich?
Und was macht mich zu all dem?
Ich weiß es nicht.
Ich frage es mich und doch werde ich wohl nie eine Antwort finden.

Ich bin überall anders,
bin variabel,
bin anpassungsfähig,
und doch passe ich nirgendwo rein,
bin zu anders.

Ich werde anders gesehen, als ich bin.
Streberleiche, sagen sie,
möglich, aber nicht ich.
Nervensäge, sagen sie,
möglich, aber nicht ich.

Bin allein und isoliert,
hab' ein Lächeln ins Gesicht graviert,
meinen stillen Geist maskiert,
und doch warte ich,
warte auf jemanden, der mich demaskiert.

Nach außen ein herzhaftes Lachen,
nach innen ein stechender Schmerz,
nach außen Freudenhüpfer,
nach innen ein Meer aus Tränen,
ein Meer, das niemals gesehen wird.

Ich schreie mir die Seele aus dem Leib,
schlage auf das endlose Grau der Betonwand ein,
lasse rote Spritzer meine fahle Haut benetzen,
und stumme Tränen auf den Boden der Tatsachen fallen.

Eine schützende Hand auf meiner Schulter wäre wie ein warmer Ofen,
stattdessen aber lassen mich die prüfenden Blicke erschaudern,
lassen mich hilflos zusammensacken,
und die Tränen in meinen Augenwinkeln zu Eis gefrieren.

Eiseskälte fährt mir wie Nieselregen an einem trüben Wintertag durch Mark und Bein,
lässt die Stille um mich rum so unendlich laut erschein,
dass meine Stimme droht zu schrei'n,
aber nur ein leiser, rasselnder Atemzug meinen halb geöffneten Mund verlässt.

Ich würde so gern schrei'n,
sagen, was ich fühle,
das Lächeln endlich fallen lassen,
aber du würdest es nicht verstehen.
Du kannst es nicht verstehen.

Du hast mich angeschaut,
als ich am Boden war,
als ich nichts mehr konnte,
aber du hast es nicht gesehen,
wolltest es nicht sehen,
und willst es nicht sehen.

Alles ist gut, sagst du,
sagst es jedes Mal,
und jedes Mal lügst du.

Würdest du dein ist in ein wird umändern,
vielleicht würde ich deinen Worten Glauben schenken,
würdest du ein aufrichtiges Lächeln auf deine Lippen legen,
würdest du der Wahrheit doch nur in die Augen blicken.

Psycho, sagen sie, als sie meine aufgeschürften Hände sehen,
setzen ein fieses Grinsen auf,
und fangen an, mich auszulachen.

Und du?
Du stehst im Hintergrund,
beginnst auf deiner Lippe zu kauen,
und musterst mich kurz,
aber du greifst nicht ein.

Du willst dich nicht angreifbar machen,
hast Angst, dass du sonst an meiner Stelle stehst,
aber das wirst du nie, weil du nicht ich bist.

Ich bin hilflos,
kann mich nicht in den sicheren Schatten stellen,
egal, was ich tue,
ich werde es nie können,
bin zu anders.

Tiefe Kerben drücken sich in meine Handflächen,
passen perfekt zu meinen Gefühlen,
und lassen wieder mal das rote Gemisch an meinem Daumen heruntertropfen.

Angstschweiß rinnt meine Stirn runter,
mein Atem beschleunigt sich,
mein Puls beginnt zu rasen,
und ich renne vor dem Lachen und der kleinen Blutlache weg,
renne vor mir selbst weg.

Bleib stehen! Lauf nicht weg!,
solltest du vielleicht sagen,
aber du wirst es nicht sagen,
das weiß selbst das schreckliche Pochen hinter meiner Stirn.

Ein letztes Mal will ich mich umdrehen,
will allen einmal den Spiegel vorhalten,
aber ich werde es nicht können,
weil mich keiner versteht.

Ich weiß, dass du mich noch nicht aufgegeben hats,
ich hoffe es jedenfalls,
ich weiß, dass du mich nicht allein lassen willst,
ich hoffe es jedenfalls.

Wiedermal trofft die salzige Flüssigkeit vor mir auf den Boden,
wieder mal bin ich allein,
aber vielleicht werde ich beim nächsten Fallen aufgefangen.

Ich bin nicht sicher,
doch ich glaub's.

Poesiealbum Where stories live. Discover now