Sebulon - 1.Mose 49,13

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-,,Madame, die Runde ist heute an ihnen.", verkündete Roger und hielt Claire die Bibel unter die Nase. Diese nahm sie, blätterte und las dann vor: -,,Sebulon wird am Meeresufer wohnen und ein Hafen für Schiffe sein und sich bis nach Sidon erstrecken.' Recht kurz.", merkte sie an. -,,Schon. Aber es ist ein guter Segen, würd ich sagen. Sebulon ist ein Hafen." Roger stach mit seinem Finger auf das Wort im Text. ,,In einem Hafen herrscht meist reger Handel und das bedeutet in der Regel Wohlstand. Ausserdem ist, jedenfalls für mich, der Hafen wie die prickelnde Vorahnung von Freiheit und Abenteuer." Claire nickte nachdenklich. Auf einmal meinte sie: -,,Hast du noch Daten?" Roger sah sie verwirrt an. -,,Was?", hackte er nach. Claire seufzte. -,,Ich meinte, ob du mir was „googeln" kannst." -,,Kann ich.", meinte Roger und zog sein Handy aus der Hosentasche. ,,Aber ich bestehe darauf, dass du diejenige warst, die diesen Regelbruch verlangt. Von wegen kein Handy, wenn wir zusammen sind und so." -,,Ja.Ja." Claire verdrehte grinsend die Augen. ,,Ich nehm die Schuld auf mich. Googlest du nun?" -,,Was denn?" -,,Das Stammesgebiet von Sebulon und wo Sidon liegt." -„Hat's denn keine Karte in der Bibel?" -„Gute Frage..." Claire blätterte erst ganz nach vorn, dann ganz nach hinten. -„Ha!", rief sie triumphierend, als sie schliesslich eine Karte fand. ,,Menno!", beschwerte sie sich gleich darauf. ,,Da sind die Stammesgebiete nicht eingezeichnet. Die andere ist zu den Paulusreisen. Dann haben wir noch einen Plan vom Tempel...." -,,Zeig mal!" Roger nahm ihr die Bibel aus der Hand. Er vergewisserte sich, dass auch in der Mitte keine Karten waren, dann zog er wieder sein Handy hervor. Mit ein bisschen Suchen fanden sie eine Karte mit den Stammesgebieten und auch Sidon war eingezeichnet. -,,Oha!", machte Claire nachdem sie die Karte eine Weile studiert hatte. ,,Bis Sidon. Dann würde Sebulon ja mindestens das ganze Gebiet von Asser noch dazu bekommen. Eventuell sogar noch das von Naftali...." Sie beugte sich an Roger vorbei und angelte nach der Bibel. ,,Mal sehen, was bei denen steht. Vielleicht gibts ja einen Grund, warum Sebulon auch ihr Land noch zugeteilt wird." Ihre Finger flogen raschelnd durch die Seiten. ,,Ah, hier! Also: Assers Land wird reiche Nahrung hervorbringen, Nahrung, wie sie Königen zu kommt. Naftali ist eine flüchtige Hirschkuh, die schöne Worte spricht..." Claire krauste enttäuscht die Nase. ,,Ne. Das sagt nicht wirklich was dazu. Wenn so was gestanden wäre wie bei Issachar, dann hätte die Umverteilung des Landes irgendwie Sinn gemacht, aber so..." -,,Vielleicht ist es nur symbolisch gemeint.", mischte sich Roger ein. ,,als Symbol für Macht und Reichtum oder so." -,,Kann sein...", stimmte Claire vage zu, aber es war offensichtlich, dass sie eine andere Erklärung mehr fasziniert hätte. ,,Was bedeutet denn der Name Sebulon?" -,,Wo ist denn dein Zettel? Hast doch letztes Mal alles rausgesucht..." -,,Stimmt.", erinnerte sich Claire und zog den Zettel aus ihrem Notizbuch. ,,Sebulon heisst Wohnung. Na, das passt doch gut zu dem Segensspruch.", meinte Claire zufrieden. Roger grinste nur. ,,Zu dem was du vorhin sagtest: ein Hafen für Schiffe sein ist doch wie ein Sinnbild für ein Zufluchtsort, ein Ort der Ruhe vor den Stürmen des Lebens; ein Ort, wo man erholen kann und wieder für die nächste Fahrt aufs Meer zugerüstet wird. Und gleichzeitig ist ein Hafen eine Übergangsstation. Ich meine... Kennst du den Spruch: „A ship in harbor is safe, but that is not what ships are built for" (John A. Shedd)? Das zeigt so ein bisschen die Wechselwirkung von Sicherheit des Hafens und Bestimmung fürs Meer." -,,Wechselwirkung?" Roger verbiss sich ein Lachen. -,,Ach, du!", beschwerte sich Claire und hob drohend die Bibel als wolle sie sie ihm anwerfen. ,,Du weisst, was ich gemeint habe. Ausserdem kann man das Wort bestimmt so anwenden." Roger grinste nur und meinte dann: -,,Jetzt fehlt uns nur noch was zu am Meeresufer wohnen. Zum eine bringt es, wie gesagt, Wohlstand, jedenfalls der Hafen und gerade heute verbindet man mit dem Meeresufer zumeist Ferien und so..." Roger machte eine kurze Pause, doch Claire warf nichts ein und so fuhr er fort: ,,Andererseits sind mit dem Meeresufer auch viele Gefahren verbunden. Zum Beispiel Stürme oder früher auch Überfälle von Piraten oder Wikingern." Nun war die Runde an Claire. -,,Wikinger? Im Nahen Osten?", wiederholte sie amüsiert. -,,Schon gut!", warf Roger schnell ein. ,,Ich weiss, dass Wikinger in Norden und Piraten in der Karibik waren. Spar dir den Atem. Aber so was ähnliches gab es im Nahen Osten bestimmt auch." -,,Philister!" Claire war wieder ernst geworden. ,,Ich hab mal irgendwo gelesen, dass Philister vom Meer her in Israel eingefallen sind oder so. Ich bin aber nicht mehr sicher. Ich werd's bis nächstes Mal googeln." -,,Kein Regelbruch mehr?!", erkundigte sich Roger. -,,Nein!", erwiderte Claire. ,,Dauert mir zu lange. Da will ich mehr lesen, wenn ich zu so was google. Ausserdem muss ich leider gleich los. Ich bin froh, dass ich dem allgemeinen Aufräumzirkus heute Morgen entflohen bin, aber ich hab versprochen den Esstisch für den Besuch zu decken und..." Sie stoppte abrupt. ,,Jedenfalls", fuhr sie fort. ,,muss ich in zehn Minuten los." Sie plauderten noch ein paar Minuten. Dann sah Claire auf die Uhr. -,,Passt dir nächsten Sonntag?", fragte sie währenddessen. -,,Klar!" -,,Super!" Sie umarmte ihn kurz und sprang auf. ,,Bis dann!", rief sie noch und rannte barfuss, die Schuhe in der Hand, den Feldweg hinab.

Und dann sind da noch wir...Where stories live. Discover now