"Kahlheit"

129 11 6
                                    

Das Bett ist lauwarm. Die Wärme ist ausgekühlt, Kühle hat sich unter die weiße Bettdecke geschlichen, als ich sie langsam abgestrampelt habe. Ich sitze aufrecht, mein Oberkörper ins Kissen gelehnt. Ich versinke. Das Licht ist grau. Es fällt durch das kahle Fenster. Ich versinke. Mein Blick versinkt in der Welt. In Gedankenwelten und in der Grauheit, die mich umgibt. Nackt ist mein Körper, hängt der Stoff an mir wie ausgeleiert. Gedankenwelten - trivial. Zornige Stürme in unverwüstlicher Kahlheit. Die Uhr tickt. Ich schlucke. Seelische Müdigkeit hat sich meiner schon vor langer Zeit bemächtigt. Machtlos stemme ich mich den gefrässigen Wänden entgegen. Ich sitze noch immer hier. In dem Bett. Das Laken ist faltig, nicht gespannt, kein Überzug mehr, nur ein sinnloses Glied, das sich an das andere reiht. Das Zimmer klein. Und kahl. Gefrässige Kahlheit. Still. Die Uhr tickt. Lautstumm. Ich ziehe die zerknitterte Bettdecke über mich. Mein Blick verliert sich vom Fenster in den Raum, ins Nirgendwo. Ich drehe mich zur Seite. Meine Augen in der Unendlichkeit. Der fremd anfühlende Stoff liegt auf meinen nackten Schultern. Meine Lippen spröde, der Rachen eine Wüste. Ich versinke. Lasse die Kahlheit mich umhüllen. Sie zerfrisst mich von innen, wirft mich ins Nichts, ist immer noch kahl. Kahlheit. Das Bett ist lauwarm.

7/April/2020

SeelenseideWhere stories live. Discover now