| 17 | 𝐌𝐢𝐥𝐞𝐬

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Als Jackson mir diesen Blick zuwarf, wusste ich sofort, was er von mir wollte und augenblicklich machten sich Glücksgefühle in mir breit und Hoffnung keimte auf. Er wollte mich mitnehmen. Das hieß, ich hatte gute Chancen und vielleicht durfte ich ja doch noch in die Hydra.

Meine Yamaha hatte zum Glück noch genügend Sprit, immerhin war sie unglaublich sparsam und gutgelaunt fuhr ich aus der Garage. In der Einfahrt sah ich, wie Nero mich ungläubig und sauer musterte, während er Jackson seinen Helm gab.

Der Weißhaarige musterte mich argwöhnisch. „Was wird das denn?"

„Er kommt mit, siehst du doch", erwiderte Jackson wie selbstverständlich und machte den Verschluss zu.

Neros eisblaue Augen wollte mich beinah erdolchen. „Wozu?"

„Siehst du dann schon." Jackson sah ihn auffordernd und mahnend zugleich an und grummelnd setzte sich Nero auf die GSX. Bei seinen Worten schlug mein Herz höher und ich hoffte inständig darauf, dass ich nicht enttäuscht werden würde.

Immer noch unzufrieden startete Nero den Motor, fuhr bis an die Straße und anschließend stieg Jackson auf. Dann drehte er sich noch einmal zu mir um. „Wenn ich langsamer fahren soll, sag einfach Bescheid."

Jackson und ich lachten synchron auf. Bei Neros verwirrten Blick verstummten wir beide und kopfschüttelnd fuhr der Beta los. Zugegeben, er war ziemlich schnell und schaltete beinahe schneller hoch als ich. Doch schon nach kurzer Zeit hatte ich ihn eingeholt und fuhr entspannt hinter ihm her. Der Sound seiner Suzuki war für meine Verhältnisse gewöhnungsbedürftig. Er war nicht schlecht, aber der Shark Auspuff entsprach einfach nicht meinem Geschmack.

Elegant schlängelte sich das hellblaue Motorrad vor mir durch den Verkehr und überholte regelmäßig andere. So wurde ich den Verdacht nicht los, dass Nero mich abhängen wollte.

Grinsend nahm ich die Herausforderung an und beschleunigte ebenfalls. Ihn zu überholen wäre aber wohl keine gute Idee, denn ich wusste ja nicht, wohin wir eigentlich fuhren. Deswegen holte ich einfach nur auf und als ich auf seiner Höhe war, nickte ich ihm kurz zu. Wenn man vom Tuning mal absah, dann hatte ich die eindeutig schnellere Maschine. Aber hier konnte man nicht von den Standards ausgehen. Unser kleines Duell wurde frühzeitig beendet, als die Straße wieder dünner wurde und auch der Verkehr ein Nebeneinanderfahren nicht mehr zuließ. Aber früher oder später würde ich noch einmal gegen Nero antreten. Nur nicht heute.

Wie auch gestern Abend beim Straßenrennen, führte unser Weg eher zum Stadtrand, etwas abseits der Zivilisation. Die Wolkenkratzer und die breiten Straßen wurden durch dünnere Landstraßen und weites, offenes und trocknes Gelände ersetzt.

Grasbüschel und vereinzelte Dornenbüsche zierten den Straßenrand. Wo in der Stadt Palmen standen, wehte hier kalter Wind, der Staub und Sand aufwirbelte. Würde ich's nicht besser wissen, würde ich sagen, dass Gelände war tot. Die Reifen und das Profil klebten mehr als sonst auf dem Asphalt und ein leichtes Gefühl von Freiheit überkam mich. Das Geräusch des Windes und der Maschinen war wie Musik in meinen Ohren. Kurz schloss ich die Augen und ließ alles auf mich einwirken.

Doch der schöne Moment blieb nicht lange, denn schon bald stieg mir der erstickende Geruch von verbranntem Holz und Metall in die Nase und brachte mich kurz zum Husten.

Als wir dann über den kleinen Hügel fuhren, erkannte ich auch, woher dieser beißende Geruch kam. Vor uns stand ein riesiger, verkohlter Klotz. Vermutlich war das mal eine Lagerhalle oder sowas in der Art. Nur noch das Metallgerippe und einzelne Teile der Fassade waren noch da. Der Rest war vollkommen abgebrannt oder lag in mehreren Einzelteilen auf den Boden verstreut. Das meinte Jackson wohl damit, dass die Serpens einen immensen Schaden angerichtet hatten.

Nero vor mir verlangsamte sein Tempo und ich passte mich ihm an. Bis wir anschließend zum Stehen kamen.

Ungläubig stieg ich ab, legte meinen Helm auf die Sitzbank und betrachtete das Chaos vor mir. „Wie konnte das passieren?"

„Wissen wir nicht." Zu meiner Überraschung war es Nero, der mir antwortete. Seine Stimme klang emotionslos und sein Blick war starr auf die verkohlte Halle gerichtet. Er schien in seiner eigenen Welt zu sein und wirkte irgendwie abwesend. „Aber bis auf die Serpens kommt niemand anders in Frage und der Zeitpunkt gestern Nacht war perfekt."

Jackson seufzte und machte einige Schritte drauf zu. „Ja, nur haben sie alles abgestritten."

„Was sollen sie denn auch machen?", lachte Nero humorlos. „Es zugeben?"

„Wieso nicht?", warf Jackson ein. „Sie haben doch nichts zu verlieren. Die eigentliche Frage, die sich mir stellt, ist, wie haben sie herausgefunden, dass sie existiert und wo sie steht?"

Nero zuckte mit den Schultern. „Gute Frage, vielleicht haben sie ja-"

„Hey, Jacks!", wurde er unterbrochen und wir alle richteten unsere Blicke auf zwei Braunhaarige, die auf uns zukamen. Den einen erkannte ich sofort. Ryan. Seine grünen Augen hatten nur irgendwie ihren starken Glanz verloren und er sah mehr als müde aus. Den anderen identifizierte ich nach einem längeren Blick als Matt. Obwohl auch er irgendwie niedergeschlagen war, versprühte er noch immer diese Wärme. Er war mir einfach sympathisch.

Alle umarmten sich, ich hingegen bekam nur fragende Blicke.

„Was macht er denn hier?", wollte Ryan nicht gerade begeistert wissen.

Matt sah ihn strafend an. „Vielleicht hat er ja das Rennen gewonnen und gehört jetzt zu uns."

Augenblicklich wanderten alle Blicke zu Jackson, doch dieser erwiderte nur, „Nein hat er nicht. Aber er hat mir gestern geholfen und ich schulde ihm was, also..." Er ließ den Rest unausgesprochen und irgendwie gaben sie sich damit zufrieden. Nur ich wusste nicht so recht, was das nun bedeutete und wie ich es finden sollte. Keiner fragte wirklich nach. Niemand zweifelt Jacksons Wort an.

Immer noch leicht ratlos sah ich zu Jackson und wollte eine klare Antwort, doch Matt zog mich in eine vorsichtige Umarmung. „Na dann, willkommen bei uns Miles. Ich hoffe, wir können dir vertrauen."

„Könnt ihr", versicherte ich sofort.

Nero hingegen verschränkte die Arme vor der Brust und fauchte, „Das musst du erst noch beweisen", ehe er zur Halle ging. Ryan folgte ihm ebenfalls und sah mich nur kurz an. Es war klar, dass ich mich erst hochkämpfen musste, aber mit so viel Gegenwind hatte ich nicht gerechnet.

„Mach dir nichts draus, Kleiner, das wird schon. Sie brauchen nur ihre Zeit, ehe sie dich akzeptieren können, das ist immer so", erklärte Matt, legte einen Arm um meine Schulter und wollte offensichtlich, dass ich mich nicht ganz so verloren fühlte. Und auch, wenn ich kein Mitleid wollte, so war ich dankbar dafür.

RIDERS ~ Burn For ThisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt