10. Schlimmer geht immer, auch wenn es nicht so scheint

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Es wurde schlimm. Anfangs war noch alles in Ordnung - es war unglaublich toll, die Stadt zu erkunden und die vielen verschiedenen Meeresbewohner zu sehen, die friedlich miteinander lebten -, aber dann geschah etwas, was überhaupt nicht gut war...

Akira und Yunus führten mich hinunter zu den Straßen. Sofort umgaben mich viele verschiedene Gerüche und Geräusche. Delfine kamen voller Eile vorbei, Schildkröten quatschten mit ihresgleichen, Quallen und Oktopusse verschwanden ab und zu in den Häusern, kleine Fischschwärme schwammen gemächlich durch die Straßen und zwischendurch mussten alle Platz machen, weil ein Wal vorbei musste. Dementsprechend musste es hier also irgendwo einen weiteren Eingang geben, der auch von großen Meeresbewohnern benutzt werden konnte. Bevor ich mich aber nach diesem umsehen konnte, sagte Akira:

„Worauf wartest du? Komm weiter."

Schnell wandte ich mich wieder meinen beiden Führern zu, die schon etwas vorgeschwommen waren. Ich beeilte mich, sie einzuholen. Kurz darauf bogen wir aus der Hauptverkehrsstraße in eine ruhige Gasse ein. Sie war nur ein wenig schmaler als die Straße, sodass ein Buckelwal noch entspannt hindurchkommen konnte.

„Wir hatten schon länger keinen Weißen Hai hier. Ihr seid eher selten. Und du bist ein recht kleines Exemplar."

Sollte das eine Beleidung oder ein Kompliment sein? Oder nichts von beidem? Akira betrachtete mich fasziniert. Unbehaglich verlagerte ich mein Gewicht, womit ich automatisch nach links schwamm. Sofort drehte ich mich wieder zu Akira, die mich immer noch musterte. War ich etwa ein Zootier oder Ausstellungsstück, das man anglotzte?

„Jetzt starr sie nicht so an! Du machst sie ja ganz nervös", fuhr Yunus sie an.

„Ist ja schon gut..."

Der Hammerhai schwamm vor, bis ich schon fürchtete, er würde abhauen. 

„Du musst Akira entschuldigen. Sie ist ziemlich ehrlich, was das Aussprechen ihrer Meinung und Gedanken angeht. Aber sie ist wirklich nett, wenn du sie erst mal kennen gelernt hast."

Yunus zuckte mit den Flossen, was seltsam aussah. Es wirkte, als versuche er zu fliegen.

„Könntet ihr mich denn durch die Stadt führen?", fragte ich.

Der Delfin grinste - glaubte ich jedenfalls - und rief Akira zu:

„He, Akira! Hier fragt jemand nach deinen erstklassigen Führungstouren!"

Der Hammerhai war so schnell an meiner Seite, dass ich es fast nicht mitbekam. Überrascht sah ich Akira an, die begeistert den Kopf schwenkte. Ich befürchtete schon, sie würde mir gegen den Schädel hämmern.

„Du willst eine Tour und du sollst sie kriegen. Auf geht's!"

Enthusiastisch schwamm sie nach oben, sodass wir uns nur wenige Zeit später knapp über der Stadt befanden und sie überblicken konnten. Sogar jetzt, beim zweiten Betrachten, war sie immer noch wunderschön. Da Stalagmiten teilweise die Sicht versperrten, konnte ich nicht sagen, wie groß die Stadt wirklich war.

„Unser erster Halt ist das Zentrum. Dort, wo auch die Geschäfte und anderen Lokale sind."

„Geschäfte?"

„Na klar", erwiderte Akira, als wäre das selbstverständlich.

Wie sollte das denn funktionieren? Klamotten würden hier unter Wasser nichts bringen, elektronische Geräte konnte man nicht benutzen und Bücher... Bücher wären arm dran.

„Was wird denn verkauft?"

„Lass dich überraschen."

Es dauerte ein bisschen, bis wir beim Zentrum ankamen. Als ich es erblickte, war ich sprachlos. Dort befand sich eine Art Marktplatz. Von vielen verschiedenen Ständen wurden die unterschiedlichsten Dinge angeboten: bunte Muscheln, Fossilien, Perlen und auch Essen. Womit bezahlte man hier überhaupt?

Ruf des MeeresWhere stories live. Discover now