Sonnenblumen und rote Beeren ✔︎

Die Beeren

Immer und wieder las er ihre Worte in der ordentlichen Handschrift auf dem Milch weißen Papier.

Sie sagte ihm Lebewohl.

Sie wollte ihn wissen lassen, dass er Recht behielt. Im einen Moment schenkt dir Jemand all die Liebe die er besitzt, und am nächsten Tag wendet er sich von dir ab. Sie mochte ihn nicht, er war ihr unsympathisch. Sie hatte versucht ihn zu mögen, hat versucht positive Eigenschaften an ihm zu finden, fand jedoch nur negative.

Dass sie diese Worte nur mühsam nach mehreren Versuchen aufschreiben konnte, wusste er nicht, immerhin waren sie eine klamme Lüge. Doch sah er die gebrochene Wahrheit dahinter nicht.

Jahre später lief er durch die Stadt. Er war fort gewesen, hatte versucht sich abzulenken und sich jemanden zu suchen, der ihn wirklich mochte und schätzte. Doch jedes Mädchen, das er sah, verglich er mit dem Mädchen, das er wahrlich liebte.

Dann sah er sie.

Sie saß in einem Café, die Lippen rot geschminkt und ihr Haar war kürzer als damals. Er lächelte, wollte ihr zuwinken, sie auf sich aufmerksam machen. Doch er sah den jungen Mann vor ihr knien. Mit einer kleinen Schatulle in der Hand, in der ein glänzender Ring im Sonnenlicht funkelte. Einer von denen, die er sich niemals leisten könnte.

Er beobachtete wie sie lächelte und sich ihm um den Hals warf.

Ihm wurde klar, dass er es hätte sei können dem sich sein Mädchen um den Hals warf. Wäre er nur gut genug für sie gewesen.

Da waren sie zwei nun. Wenige Meter trennten sie voneinander, in Gedanken noch immer bei dem Menschen, der ihnen tatsächlich das Blaue vom Himmel holte und ihnen stets zur Seite stand.

Furcht vor der Wahrheit trennte die beiden.

Mit dem Gedanken sie beide würden Jemanden lieben, der sie nicht genauso liebt, haben sie sich gegenseitig im Stich gelassen. Haben sie doch beide Angst vor dem Schmerz gehabt, von dem sie dachten er würde sie einholen.

Denn wir alle lieben Jemanden, der uns nicht genauso liebt. Selbst wenn wir es nur vermuten.

28th April, 2020