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SHOW
Sie führte die halbleere Flasche zu ihren Lippen, nahm einen gewaltigen Schluck daraus und schüttelte sich hinterher, als der flammende Alkohol ihre Kehle hinablief – auf dem Weg zu ihrem Magen ohne Inhalt war. Ein paar der Tropfen gelangten nicht in ihrem Mund, glitten an ihren Winkel hinab zu ihrem Kinn. Missmutig wischte sie sich mit ihrem Handrücken über die Stellen, an denen die tödliche Droge ihre blasse Haut benetzte, musterte danach den roten Lippenstift auf diesem, den sie durch ihr dummes Handeln verschmiert haben musste.
„Verdammt", zischte sie. Nicht nur ihre Wimperntusche war von dem stundenlangen Weinen verlaufen und hinterließ den Schmerz auf ihren blassen Wangen in Form von pechschwarzen Tränen, sondern auch ihr Lippenstift zog sich nun vermutlich von ihrem Mund hinaus über ihre linke Wange und erzählte von einer Liebesgeschichte, die so nie ihren Lauf genommen hatte.
Dem Knirschen von Schuhen in der Nähe, die sich eilig durch das Gras voran bewegten, gelang es ihre Aufmerksamkeit von ihrem Übel zu nehmen und für einen kurzen Moment die Trauer zu betäuben, was sie zuvor verzweifelt mit der Spirituose versucht hatte. Ihre dunklen Brauen hoben sich gegen den Himmel, als sie sich den – davon ausgehenden – Zirkus-Jungen von Kopf bis Fuß besah. Er trug einen grauen Mantel, der ihm bis zu den Knien reichte. Seine Jeans sah verwaschen und abgetragen aus, sowie seine zum Mantelpassenden Schuhe. Die Haare waren allerdings ordentlich zur Seite gekämmt. Anhand der rötlichen Farbe erinnerte der Junge sie ungewollt an einen Clown. Im Prinzip wirkte er wie ein Durchschnittstyp, nichts Besonderes.
„Das Betreten des Zirkusgelände abseits der Vorstellungen ist für Nicht-Zugehörige verboten." Ein süffisantes Grinsen zierte seine Lippen, während er seine Arme vor der Brust verschränkt hatte. Dem Mädchen auf dem Holzstamm war aufgefallen, dass seine Augen interessiert über ihre Gestalt gewandert waren. In ihrem Antlitz dürften sie das Chaos entdeckt haben, dem sie ihrer nicht wasserfesten Wimperntusche und ihrem ordinären Lippenstift zuschreiben konnte. Dort verweilten sie nicht lange, huschten zu ihrem Dekolleté und von dort aus runter zu ihren Beinen, die dank ihres kurzen schwarzen Kleides freigelegt waren. Länger blieben seine Augen auf diese gerichtet, was entweder davon herrühren konnte, dass sie lang und blass waren oder dass sie grüne und blaue Flecken zierten.
„Spielverderber", äußerte sie sich zu seiner indirekten Aufforderung das Gelände zu verlassen, rührte sich dabei nicht vom Fleck und wartete gespannt auf die Reaktion des Jungen. Als dieser mit einem Mal in Gelächter ausbrach, legte sie ihre Stirn in Falten und genehmigte sich einen weiteren Schluck ihrer nicht ganz ungefährlichen Substanz – behielt dabei den Zirkusclown im Auge, der sich neben ihr auf dem harten Baumstamm niederließ ohne, dass sie es ihm vorher Angeboten hatte.
