Vampire

5 0 0
                                    

Vampire. Es soll sie also wirklich geben. Hier in Deutschland. Und ich bin eine davon. 

Immer und immer wieder wog ich ab, ob Dario mich vielleicht doch nur verarschen wollte. Er hatte mir noch ein Sandwich mit Salat und Gurke gebracht und mich dann in Ruhe gelassen. Ich solle mich ausruhen, hatte er gesagt. Wie sollte ich mich denn ausruhen, wenn gerade die Welt, wie ich sie kannte, vor meinen Augen zerbrach. Bereits in wenigen Stunden sollte ich wieder zurück nach Berlin fahren. Daraus würde wohl nichts werden.

Ob meine Mutter davon wusste? Wieso hätte sie mir sonst genau diese Vorlage anfertigen sollen? War meine Mutter auch ein Vampir? War das überhaupt vererbbar? Hatte das Verschwinden meines Vaters damit zu tun? Ich musste sie dringend anrufen. Allerdings konnte ich meine Sachen nirgends in dem Raum finden. Deshalb nahm ich mir die Zeit, mich genauer umzusehen. Die Wände waren schwarz gestrichen, der Teppichboden und die Decke waren dunkelrot. Dieses Farbschema zog sich auch bei der Couch auf der ich gelegen hatte, dem kleinen Beistelltisch und dem Bücherregal durch. Es gab keine Fenster, wahrscheinlich war der Raum unter der Erde. Durch das warme Licht wirkte er aber trotzdem gemütlich. 

Als hätte er meine Gedanken gelesen, kam Dario nach einem Klopfen mit meinem Rucksack in den Raum. "Hey... Wie geht es dir?" In seiner Stimme klang etwas mit, es hörte sich fast an wie.... Mitgefühl? Sicher hatte ich mich getäuscht, bisher hatte er keine Anzeichen für Gefühle gezeigt. "Naja, wie soll es mir schon gehen, nachdem ich gesagt bekommen habe, dass ich ein Killer sein soll und meine Mutter wahrscheinlich auch einer ist?! Ich werde hier festgehalten und dabei will ich doch einfach nur nach Hause." Dario schüttelte nur den Kopf. "Deine Mutter ist kein Vampir. Dein Vater jedoch schon. Von ihm hast du das Gen. Scheinbar wurde dies bei dir noch nicht ausgelöst, vermutlich hat deine Mutter darauf geachtet." Verwirrt schaute ich ihn an. "Woher weißt du, dass es mein Vater war? Und was meinst du damit, das Gen wurde noch nicht ausgelöst?" "Dein Vater Richard war der Handlanger meines Vaters, der vorherige Herrscher der Bats...", sein Blick zu Boden, "Sie alle sind gestorben, im Jahr deiner Geburt. Einige Menschen haben unsere Anwesenheit entdeckt und wollten uns ausrotten. Das haben sie zum Großteil auch geschafft. Nur die, die jetzt hier wohnen, haben überlebt. Und das Gen wird durch Blut trinken ausgelöst. Das, oder wenn du jemanden tötest. Du wirst entweder durch das vererbte Gen zum Vampir, dann muss es erst aktiviert werden, oder du wirst von einem Vampir verwandelt. Dann ist es sofort aktiv." Kalt blickte er mir in die Augen. Da war sie wieder, die Mauer. 

Ich musste mich abwenden. Mein Vater war ein Vampir. Und tot. "Kann ich bitte einfach nach Hause?" Dario kam auf mich zu. "Du wirst erstmal eine ganze Weile hier bleiben müssen. Es tut mir leid, Sophie. Wir können nicht riskieren, dass du zu Mareike gehst oder es jemand anders erzählst. Wir leben aus gutem Grund abgeschottet von den Menschen. Du musst erst lernen dich richtig zu verhalten und was es heißt ein Vampir zu sein. Deine Mutter wurde bereits kontaktiert, sie weiß also Bescheid. Ich schlage vor du gehst dich erstmal waschen und schläfst dann. Es war eine lange Nacht." Ich hatte keine Kraft mehr zu protestieren. Das war alles zu viel.  Also ließ ich mich zum Badezimmer führen, nahm die Kleidung, die er mir gab und tat was er mir sagte.

------------------

Mit einem Schrei erwachte ich schweißgebadet aus meinem Schlaf. Ich hatte von Monstern geträumt, von Vampiren und Werwölfen. Das letzte an was ich mich erinnern konnte, war, dass mir Fangzähne gewachsen waren. Ich tastete nach dem Lichtschalter und setzte mich auf. Vor der Türe hörte ich Schritte, dann wurde diese auch schon geöffnet. Ein verschlafener Dario kam herein. "Alles okay? Was ist los?" Er gähnte ausgiebig. "Ich hab nur geträumt. Mir sind Fangzähne gewachsen." Ich konnte sehen, dass er ein Lachen unterdrückte. "Ja, wirklich sehr lustig." Beleidigt murmelte ich mich wieder in meine Decke. Das einzige mal als er Emotionen zeigte, war also als er sich über mich lustig machte. Fantastisch. "Tut mir leid. Kann ich dir was gutes tun, brauchst du irgendwas?" "Nein, schon gut. War alles nur etwas viel heute. Ich versuche nochmal zu schlafen." Er schaute mich noch einen Moment lang an und ging dann er wieder zur Türe. "Falls du doch etwas brauchst, mein Zimmer ist am Ende des Gangs. Gute Nacht." Dann war er weg. 

Jedoch ließ der Traum mir keine Ruhe. Ich holte mein Handy (dessen Akku natürlich leer war) und überprüfte im spiegelnden Bildschirm meine Eckzähne. Alles normal. Ein klein wenig beruhigter legte ich mich wieder auf das unbequeme Sofa. Wenn ich wirklich länger hier bleiben sollte, würde ich ein richtiges Bett brauchen. Am besten eine eigene Wohnung. Ich nahm mir vor, Dario morgen danach zu fragen.

______________

Verschlafen holte Dario mich am nächsten Tag am späten Morgen zum Frühstück ab. "Du, Dario?", ich legte meine allersüßeste Stimme auf, in der Hoffnung dass das funktionierte, "wenn ich wirklich länger hier bleiben sollte, brauche ich eine eigene Wohnung." Er schien schlagartig aufgewacht zu sein. "Damit du unbemerkt abhauen kannst? Keine Chance." "Und wie sieht es mit einem richtigen Bett aus?" "Wo soll das hin? In dein Zimmer beziehungsweise mein Wohnzimmer passt jedenfalls keines rein. Nein." Damit beschleunigte er sein Tempo und setzte mich in der Küche ab. Okay, er hatte also wieder seine distanzierte Miene aufgelegt. Ich beschloss, ihn  vorerst in Ruhe zu lassen. 

Überrascht stellte ich fest, dass der Kühlschrank sogar mit normalen Lebensmitteln gefüllt war. Nur eine durchsichtige Flasche mit dunkelrotem Inhalt erinnerte daran, dass hier ein Vampir wohnte. Angeekelt nahm ich mir Frischkäse und Brot und schloss den Kühlschrank wieder. Wo Dario hin verschwunden war wusste ich nicht, allerdings hatte ich auch keine Lust auf seine schlechte Laune. Ich hatte schon versucht, die Wohnung zu verlassen. Hatte nicht funktioniert. Man brauchte offenbar eine Chipkarte um die Türe zu öffnen. Da ich also sowieso nicht weg konnte, nahm ich mir vor, das Bücherregal in "meinem" Zimmer durchzuschauen. Ich hatte weder Handyakku noch eine Gitarre um selbst Musik zu machen, da wollte ich wenigstens etwas anderes schönes machen.

-------------------

Zurück im Zimmer nahm ich das Bücherregal unter die Lupe. Größtenteils befanden sich klassische Romane darin. Zu meinem erstaunen aber auch Fantasy Romane und Thriller. Irgendwie ironisch, sich als Vampir ausgedachte Geschichten über die eigene Art zu lesen. Twilight? Wirklich jetzt? Das war doch nicht sein ernst... Ich hoffte, ein paar Fachbücher über Vampirismus zu finden, um mich auf das vorzubereiten, was in unbestimmter Zeit auf mich zukommen würde. Aber Fehlanzeige. Also nahm ich mir den zweiten Teil von den Chroniken der Unterwelt, den ersten Teil hatte ich bereits gelesen. 

Vertieft in die Geschichte von Clary und Jace bekam ich es kaum mit, als meine Zimmertüre aufflog. 

Die verborgene StadtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt