05 - Prinzessin

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Es gab so viele Erinnerungen, die ich mit Vivienne verband. Die ersten entstanden vor circa neunzehn Jahren, als ich dreieinhalb und sie drei war. Schon im Kindergarten hatte sie mich beeindruckt.
Sie hatte ihre braunen Haare immer in zwei seitlichen Zöpfchen mit blauen Haargummis gebunden. Es gab keinen Tag an dem sie ohne diese Zöpfe in den Kindergarten kam.

Unser Lieblingsort im Kindergarten waren die Schaukeln gewesen. Wir schaukelten immer um die Wetter wer höher schaukeln konnte. Ich liebte dieses Gefühl des Fliegens und der Freiheit und ihr schien es ähnlich zu gehen.
Bei Festen saßen wir immer nebeneinander und unsere Martinslaternen sahen sich immer ähnlich.
Es gab kaum einen Moment an dem die Erzieher uns nicht zusammen gesehen hatten und die langweiligsten Tage waren die gewesen, an denen der andere krank war.

Da wir im gleichem, kleinen Ort wohnten war es auch klar, dass wir auf die gleiche Grundschule gehen würden. Wir beide hatten uns nichts sehnlicher gewünscht als zusammen in eine Klasse zugehen, in welcher wir später auch landeten. Natürlich setzten wir uns nebeneinander.

Wir verbrachten jede Pause zusammen. Anfangs wurde ich von den Jungs noch gefragt, ob ich nicht mit Fußball spielen wollen würde, aber ich verneinte immer. Vivienne und ich hatten uns am Ende des Schulhofes einen Baum gesucht auf welchen wir jede Pause verbrachten. Abseits von den anderen, versteckt unter dichtem Laub, denn eigentlich war es verboten auf Bäume zu klettern. Verständlicherweise.

In der zweiten Klasse begannen die ersten Sprüche. Alle meinten wir seien ineinander verliebt, denn so jung war es nicht selbstverständlich, dass Mädchen und Jungs miteinander spielten. In der restlichen Klasse gab es regelmäßig die Mädchen-gegen-Jungs-Rangeleien.
Sowohl ich als auch Vivienne stritten die Gerüchte die in Umlaufbahn gesetzt wurden ab. Zu diesem Zeitpunkt, war sie für mich auch „nur" eine beste Freundin.
So jung konnte man nicht von verliebt sprechen, aber dass sie etwas Besonderes für mich war, das konnte ich nie abstreiten.

In der dritten Klasse fuhren wir mit unserer Klasse zusammen auf Klassenfahrt. Vivienne und ich wollten natürlich zusammen auf ein Zimmer und ich verstand nicht, warum Mädchen und Jungs nicht zusammen auf ein Zimmer durften.
Und obwohl wir beide doch auch verschiedenen Zimmern landeten, trafen wir uns nachts das eine oder andere Mal auf den Toiletten im Flur und redeten und spielten leise, so dass uns keiner bemerkte.

Ebenfalls um diese Zeit herum begann Viviennes Prinzessinnenphase. Vorher hatte sie rosa und Kleider gehasst. Ihr war Dreck lieber gewesen als Glitzer und sie hatte lieber mit Autos gespielt als mit Puppen, aber plötzlich wendete sich das Blatt und ihr zu Liebe spielten wir nun also mit Puppen Tee trinken und verkleideten uns als Prinz und Prinzessin. Ich beschütze sie vor unzähligen bösen Drachen.

Eines Tages brachte uns ihre Mutter einen Kuchen hoch, gerade in dem Moment wo ich den fiktiven Drachen mit dem Gummischwert bekämpfte.
„Darf der Prinz die Prinzessin nun küssen, wo er sie vorm bösen Drachen gerettet hat?"
Aber auf die Frage ihrer Mutter schüttelte Vivienne nur entrüstet den Kopf und antwortet mit: „Warum sollte er mich küssen dürfen?"
„Normalerweise dürfen die Prinzen ihre Prinzessin dann immer küssen."
Auf die Antwort ihrer Mutter hin schien sie nachzudenken.
„Prinz Pale! Weil sie die Prinzessin vorm bösen Drachen beschützt haben, dürfen sie Prinzessin Nani nun küssen!"
Sie hielt mir ihre Wange hin und ich zögerte kurz bevor ich sie sanft auf die Wange küsste.

Durch diese Prinzessinnenphase begann ich Vivienne als „meine Prinzessin" zu bezeichnen. Stellenweise behielt ich die Bezeichnung bis heute bei. Kein anderer hatte sie bis heute Prinzessin genannt.

Ich weiß noch genau wie meine Mutter in der vierten Klasse meinte, dass es sein könnte, dass Vivienne und ich nicht zusammen auf die gleiche Schule gehen können. Seitdem ich das wusste war für mich neue Schule - neues Glück Vergangenheit. Ich konnte es mir schlichtweg nicht vorstellen nicht mit Vivienne zusammen auf eine Schule zu gehen.
Vivienne schien es ähnlich gesehen zu haben:
„Ich beschwere mich bei der Schule, wenn wir da nicht zusammen hinkönnen. Wenn du nicht gehst, gehe ich auch nicht."

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