Kapitel 5

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Kapitel 5

 In der Auffahrt des Familienhauses stand ein Krankenwagen mit Warnlicht, daneben ein kleinerer PKW mit der Aufschrift 'Notarzt'. Einige Nachbarn hatten sich um die beiden Wagen herum versammelt und reckten die Köpfe, um etwas zu sehen. An der offenen Tür des Krankenwagens lehnte einer der Sanitäter und tippte mit dem Daumen auf ein kleines schwarzes Gerät, das Severus erst als Telefon erkannte, als er es sich ans Ohr hielt. Ein Bein hinter sich gegen die Stufe zum Führerhaus gestemmt, wartete er anscheinend auf eine Verbindung.

 Miss Granger stand im Garten und spähte um die Ecke zum Geschehen vor dem Haus, für einen Moment fassungslos. „Mum!", hauchte sie dann und lief zur Terrassentür, die nach einem Wink mit ihrem Zauberstab aufsprang.

 Severus folgte ihr mit etwas Abstand, erinnerte sich an seine für Muggelaugen seltsame Kleidung gerade noch rechtzeitig und verwandelte sie in etwas Angemesseneres. Dann tauchte er ein in das Chaos, das vom Wohnzimmer Besitz ergriffen hatte.

 Mrs Granger lag mit schmerzverzerrtem Gesicht auf dem Sofa, neben ihr hockte ein Mann mittleren Alters, der die gleiche 'Notarzt'-Aufschrift auf der Jacke trug wie der Wagen vor dem Haus. Plastikkappen von Kanülen lagen auf dem Teppich, Umverpackungen von Spritzen, leere Glasampullen, dazwischen zwei kleine Blutflecken. Mrs Granger trug eine Manschette um den Oberarm und ein Sanitäter hockte vor einem Koffer und reichte auf Befehl Dinge heran, von denen Severus noch niemals zuvor gehört hatte. Mr Granger beobachtete das Geschehen mit handtellergroßen Augen, während er seiner Frau über die Sofalehne hinweg die Hand hielt.

 Und zwei Schritte dahinter stand Miss Granger, das Gesicht kreidebleich und so starr wie von einem Impedimenta getroffen.

 Severus trat von hinten an sie heran und sagte leise: „Wir müssen sie hier wegschaffen!"

 „Was?", hauchte sie, ohne den Blick von ihrer Mutter abzuwenden und keine Sekunde später stand sie am Kopfende des Sofas und strich ihrer Mutter über den kahlen Schädel, das Kopftuch lag auf dem Boden.

 Severus folgte ihr knurrend. „Die Sanitäter!", beschwor er sie. „Was immer sie Ihrer Mutter geben, könnte sich unter Umständen nicht mit den Tränken vertragen."

 Da warf sie ihm einen verärgerten Blick zu. „Sie sehen doch, dass sie Hilfe braucht!" Und an ihre Mutter gewandt: „Mum, was ist passiert?"

 „Sie ist einfach weggeknickt", antwortete ihr Vater, während Mrs Granger laut stöhnte. „Das Bein ... Es hat einfach unter ihr nachgegeben. Dabei hat sie nichts ... Sie hat gar nichts getan!"

 Severus fluchte vernehmlich und der Notarzt warf ihm einen kurzen Blick zu. „Halten Sie bitte Abstand, Sir." Dann ließ er eine Nadel in Mrs Granger Handrücken gleiten – den Pflastern auf ihrem Arm nach zu urteilen nicht der erste Versuch.

 Severus zog Miss Granger an der Schulter zurück und hinderte sie mit seinem festen Griff daran, sich von ihm loszumachen. „Hören Sie mir zu! Wenn diese Idioten Ihrer Mutter Medikamente verabreichen, kann ich keine Garantie dafür übernehmen, was mit ihr passiert. Wollen Sie es riskieren, dass sie gleich hier stirbt?"

 Es waren die letzten Worte, die die junge Frau weckten. Sie schüttelte heftig den Kopf. „Was sollen wir tun?"

 „Ganz einfach", schnarrte Severus und beobachtete mit Argusaugen, wie der Notarzt in die von Chemotherapie gebeutelten Venen einen Zugang zu legen versuchte. „Ich gehe nach oben und hole einen Schmerztrank für Ihre Mutter, Sie belegen die Sanitäter mit dem Obliviate und schaffen sie aus dem Haus!"

 „Nein!", rief Mr Granger dazwischen, der das Gespräch mit angehört hatte. „Sie haben genug an meiner Frau herumgepfuscht. Jetzt lassen wir die ran, die wirklich Ahnung haben, ist das klar?"

Medicus IIWhere stories live. Discover now