Endlich komme ich dazu, ein paar der OS-Wünsche abzuarbeiten. Gewünscht wurde ein Einblick in Ronar, und nach einiger Überlegung gibt es jetzt einen kleinen Ausschnitt aus der Zeit, in der Analina nach Yasmaël geflohen ist. Ronar wurde gerade aus der Gefangenschaft befreit, die seine Spuren hinterlassen hat ...
Mal wieder ziemlich kurz, aber ich hoffe, ihr bekommt ein Gefühl dafür, wie es ihm nach der schrecklichen Zeit auf Nygerarx ging.Kuss,
Luna
***
Er hatte nicht geahnt, wie gut Luft schmecken konnte.
Ronar legte den Kopf in den Nacken, schloss die Augen und atmete ein. Sog klare Abendluft in seine Lungen, bis sie brannten und ein angenehmer Schwindel seine Gedanken lähmte, atmete, atmete, atmete und spürte den weiten Raum über sich in jeder Faser seines Körpers. Beinahe konnte er sich einreden, er flöge.
„Ronar."
Etwas blitzte in ihm auf und bevor er auch nur die Augen aufreißen konnte, hatte er sich zu Boden fallen lassen und die Arme über dem Kopf verschränkt, jeder Muskel zitternd vor Anspannung. Schmerz, zischte eine Stimme in sein Ohr, Schmerz, Schmerz, Schmerz.
Doch es kam kein Schmerz. Langsam hob er den Kopf und öffnete die Augen, die Hände immer noch zu Fäusten geballt.
„Ronar", wiederholte Türkiys leise und traurig. Sie balancierte in einigem Abstand zu ihm in der Hocke, wippte geschickt auf den Fußballen und beobachtete, wie die Spannung nach und nach aus seinem Körper wich. „Niemand wird dir wehtun."
Er schluckte hart und presste seine Knöchel so fest gegeneinander, dass es knackte. Nein. Niemand würde ihm wehtun. Niemand würde die Zellentür öffnen mit einem Quietschen, das zu seinem schlimmsten Albtraum geworden war. Niemand würde mit schweren Schritten den Raum durchqueren, in die Gesichter seiner Freunde spucken und ihn packen, ohne auf seine Wunden zu achten. Niemand würde ihn dorthin bringen, wo man nicht hören konnte, wie er schrie.
Niemand würde ihm wehtun.
Nicht mehr.
„Ich weiß."
Seine Stimme klang rau. Er sprach nicht viel in letzter Zeit, und wenn er es tat, schmerzten seine Stimmbänder schnell vor Anstrengung. Manchmal dachte er, er würde gerne reden - würde gerne den Mund öffnen und alles ausspucken, was auf seiner Brust lastete und ihn zu einem zurückzuckenden Opfer gemacht hatte, ihn, der sich für stark gehalten hatte. Für mutig. Für jemanden, zu dem man aufsah. Jemanden, der beschützen konnte.
Aber das konnte er nicht. Er, der jüngste Graf Ardens, Herr über Lartencia, Anführer Novas und Feldherr der Königin, er, der beschützen sollte, hatte versagt.
Langsam lockerte er seine Fäuste und sah Türkiys direkt ins Gesicht. „Ich hätte ihn retten müssen."
Sie blinzelte nicht einmal. „Ja."
„Ich hatte mir geschworen, ihn zu retten. Ihn und Rena. Ich hätte es schaffen müssen. Irgendwie ... hätte ich es schaffen müssen."
„Warum ist er dann tot?"
„Weil ich versagt habe. Weil ich ... VERSAGT habe!"
Er sprang auf und schlug so heftig gegen die Mauer, dass er aufbrüllte. Und dann schlug er nochmal zu und als Türkiys ihn packte, ihn zu Boden warf und mit flachen Händen auf seinen Oberkörper eintrommelte wie das Kind, das sie hätte sein müssen, ließ er es geschehen. Irgendwann wurde aus Türkiys' wütenden Schreien wütende Schluchzer und irgendwann war die Wut weg und irgendwann rollte sie sich an seiner Brust zusammen wie ein struppiger Welpe und weinte.
Ronar rührte sich nicht, bis sie schließlich den Kopf hob und ihn aus verschmierten Augen ansah. „Du konntest nichts tun", sagte sie leise und heiser. „Ich weiß das, Ronar, und du weißt es auch. Du konntest nichts tun. Es gab nichts, was in deiner Macht stand, was meinen Bruder hätte retten können. Niemand ... hätte ihn retten können."
„Aber Narena -"
„Auch sie konntest du nicht schützen. Und dich konnte auch niemand schützen. Ihr konntet nichts tun."
„Aber das darf nicht ... so etwas darf nicht passieren."
„Aber es ist passiert. Und du hast es überlebt. Und du bist nicht schwächer deswegen." Er hörte den Trotz in ihrer Stimme und war dankbar dafür, denn zu ihm sprach kein abgeklärter Seelsorger, der seine Gewissheit aus Büchern und Erleuchtungen nahm. Hier saß jemand, der genauso verloren und verwirrt war wie er, genauso entsetzt ob der Hilflosigkeit, in der er sich befunden hatte. Jemand, der fest an seine Unbesiegbarkeit geglaubt und eines Besseren belehrt worden war. Jemand, der ihm verziehen hatte, dass es nichts zu verzeihen gab, weil er keinen Fehler gemacht hatte.
„Ich konnte nichts tun."
„Nein."
„Das ... ist das Schlimmste."
„Ich weiß."
„Aber ich konnte nichts tun."
„Du konntest nichts tun."
Langsam richtete Ronar sich auf und zog Türkiys auf die Beine. „Analina konnte auch nichts tun."
„Nein."
„Jemand muss es ihr sagen."
Türkiys nickte. „Jemand muss sie finden."
Und Ronar begriff, dass er wieder eine Aufgabe hatte.
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GEMMA - kleine Juwelen für zwischendurch :) Vorschläge erwünscht!
FantasyMehr oder weniger alles aus Analinas Welt, das es nicht in LASF geschafft hat.