4 | The elite

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Sprachlos starrte Taehyung ihn an. Er hatte das Gefühl seine Knie würden nachgeben, doch je länger er über Jeongguks Worte nachdachte, desto unwirklicher kam ihm diese ganze Situation vor.
Jin würde niemals so etwas sagen. Schon gar nicht zu Jeongguk. Und erst recht nicht wegen eines dämlichen Tattoos.

Zwar war Jeongguk noch nie der Typ gewesen, der den Doktor später weiterhin besucht hatte, um sich Bücher auszuleihen oder ihn philosophische Fragen zu stellen, die ihn beschäftigen - so wie Taehyung es ab und zu getan hatte, zum Teil wegen der Brownies von Yongsun, zum Teil weil ihn die Dinge wirklich interessierten -, doch Taehyung konnte sich nicht vorstellen, dass Jin einen solchen Blick auf Jeongguk gehabt hatte.

„Du glaubst mir nicht, hm?"
Verächtlich erwiderte Jeongguk Taehyungs Blick.
„Wusste ich's doch. Ich hätte dir das gar nicht erzählen sollen..."

„Ich kann es mir halt einfach nicht vorstellen, dass Jin sowas gesagt haben soll", hielt Taehyung Jeongguk davon ab, aus dem Fenster zu klettern. „Er hat dich gemocht... schon immer."

Jeongguk lachte bitter und verzog das Gesicht zu einer Grimasse.
„Vielleicht. Aber dann auch nur, bis ich gesagt hab, ich will die ganze Scheiße mit Gott und dem irren Kamikaze, der übers Wasser laufen konnte, nicht mehr mitmachen."

Auf Taehyungs Zunge lag ein Kommentar zu Jeongguks rücksichtsloser Umschreibung zu seiner eigenen Glaubensüberzeugung, doch er ließ es bleiben.
„Als ob Jin jemanden dafür verurteilt, dass er kein Christ ist."

Jeongguk zuckte mit den Schultern.
„Anscheinend schon."
„Du hast Recht, Jeongguk."
„Hm?"
„Ich glaube dir nicht."
„Okay. Dann geh ich jetzt nach Hause. Gute Nacht, Bartholomäus."

Hätte Jeongguk ihn nicht so verabschiedet, hätte Taehyung es vielleicht dabei belassen. Doch in diesem Moment, die Luft sowieso ein wenig aufgeladen, da ihr größter Streitpunkt angeschnitten worden war, konnten ihn nicht einmal seine Vorsätze davon abhalten, auf Jeongguk zuzustürmen und seinen Arm zu packen.

„Was ist?", fragte Jeongguk genervt. Sein Blick hatte sich verdunkelt und er starrte nur mit hochgezogener Augenbraue auf Taehyungs Umklammerung.

„Ich will nicht, dass du mich so nennst", sagte er mit gesenkter Stimme, ohne zu drohen, aber mit genug Nachdruck, um den Anschein zu machen, als würde er es tun. „Und ich will nicht, dass du schlecht über Glauben redest, nur weil du es nicht tust... und du vielleicht ein bisschen was von dem missverstanden hast, was Jin zu dir gesagt hat."

„Missverstanden?", spöttelte Jeongguk und warf Taehyung einen Blick zu, der vor Verachtung nur so triefte. „Hältst du mich tatsächlich für so dumm, dass ich nicht verstehe wann und warum mich jemand hasst."

„Er hat dich nicht gehasst. Niemand hasst dich."
„Oh doch, Taehyung. Du hasst mich. Du hasst mich, weil ich mich nicht hab taufen lassen."

Ohne eine Miene zu verziehen ließ Taehyung ihn los und trat ein paar Schritte zurück. Im Großen und Ganzen entsprachen Jeongguks Worte der Wahrheit, doch das zuzugeben, würde er nicht einmal, wenn er im Sterben lag.

„Jin ist tot. Und was immer er gesagt oder nicht gesagt hat... ich glaub, jetzt ist nicht der Zeitpunkt, um das hochzuholen und sich darüber zu streiten", sagte er leise.

„Ich wollte nur, dass du verstehst, warum ich nicht so um ihn trauern kann, wie du es vielleicht tust, Taehyung", antwortete Jeongguk, ebenso leise, doch in seinem Unterton schwang noch immer mit, dass er gereizt und angespannt war.

Walk on water  ⇢ TaekookWhere stories live. Discover now