Kapitel 9

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Nachdem ich Damian erfolgreich vor seiner Schule abgesetzt hatte (und wie ein Verrückter abgewartet hatte, ob er sie auch wirklich betritt und nicht nach fünf Minuten wieder raus kommt), rief ich Daniel an. Zwar überlegte ich kurz ob ich Sofia erst einmal einen Besuch abstatten sollte, um es gleich hinter mich zu bringen. So wie Marco es mir vorhin aufgetragen hatte. Aber irgendwie war ich absolut nicht in der Stimmung jemandem Honig ums Maul zu schmieren und so wartete ich, bis Daniel abnahm.
"Hey Jes, was gibt's?", grüßte er mich gut gelaunt.
"Hi. Wo bist du gerade?"
"Ich war gerade draußen in der Lagerhalle. Fahre jetzt aber zurück. Hat Marco euch schon wieder entlassen?"
"Ja Marco's Predigt ist schon zu Ende. Wenn du Zeit hast, dann könnten wir uns kurz treffen"
Ich massierte mir mit Daumen und Zeigefinger den Nasenrücken, während ich mich in meinem Sitz nach hinten sinken ließ. Vielleicht hatte Damian Recht; ich benahm mich wirklich ein wenig wie eine Frau. Rief seinen besten Freund an, um ihm gleich brühwarm seine Sorgen zu klagen.
"Oje, so schlimm?", fragte Daniel.
"Nein eigentlich nicht. Hatte nur schon wieder Stress mit Damian"
"Alles klar. Was hältst du von Mittagessen?"
"Ein Bier wäre mir lieber", gestand ich und Daniel lachte am anderen Ende der Leitung.
"Also ich habe Hunger. Dann am Besten ins Corso", meinte er locker. "Ich werde in ca. ner Viertelstunde da sein"
"Geht klar, dann treffen wir uns dort", antwortete ich und legte nach einer kurzen Verabschiedung auf.

Ich setzte mir meine dunkle Sonnenbrille wieder auf die Nase und fuhr los. Das Corso war ein kleiner, gemütlicher Laden in nem ruhigen Fleckchen der Stadt. Eigentlich war es ein Café, doch es bot auch Kleinigkeiten zu essen an; Pasta, Burger und andere Snacks. Und eben auch Bier.
Der Verkehr zur Mittagszeit war recht übersichtlich und so schaffte ich es ziemlich zeitgleich mit Daniel aufzuschlagen. Vor dem Laden angekommen blieb mir zumindest noch die Zeit mir endlich eine Zigarette zu gönnen, ehe mein Kumpel eintrudelte.
Er parkte mit seinem nicht ganz so protzigen BMW neben mir und stieg mit einem Grinsen aus. Ihn konnte so schnell wirklich kein Wässerchen trüben. Wie immer hatte er sein Cap auf eine freche Art schief auf dem Kopf sitzen und seine viel zu großen Baggy's an.

"Willst du gleich mal loslegen oder brauchst du zuerst ein Bier?", fragte er mich gleich einmal zur Begrüßung und klopfte mir freundschaftlich auf die Schulter.
Amüsiert schüttelte ich den Kopf und nahm einen letzten Zug von meiner Kippe, ehe ich sie auf den Boden warf und austrat.
"Auf jeden Fall setzen wir uns erst einmal hin"
"Das sind die besten Gespräche, zu denen man sich erst einmal hinsetzen muss", meinte Daniel sarkastisch und sorgte damit dafür dass selbst ich grinsen musste.
"Ich sage aber gleich vorweg, dass es nicht an dir liegt - nur an mir", zog ich seinen Kommentar weiter ins Lächerliche.
Während wir uns dem gemütlichen Lokal näherten und auf den davor liegenden Gastgarten zugingen, stieß Daniel gespielt erleichtert die Luft aus den Lungen. "Oh gut Darling, ich dachte schon ICH hätte etwas falsch gemacht"
"Du bist nur ein Idiot, aber dafür kannst du ja nichts", neckte ich ihn weiter und deutete mit einer Kopfbewegung in den hinteren Teil des Gastgartens. "Da wäre noch frei"

Zustimmend nickte er und ging neben mir her zu dem Tisch, als plötzlich eine hysterische Frauenstimme uns und sämtliche Gäste aufschreckte.
"Oh mein Gott, ist er das?!?!"
Wir beide warfen uns fragende Blicke zu da eine Blondine - nur zwei Tische weiter - aufgesprungen war und wild gestikulierend in unsere Richtung deutete. Ungefähr unser Alter, groß und schlank, lange blonde Haare und recht hübsch. War da mal etwas mit ihr und sollte ich mich dafür rüsten dass ein unangenehmes Gespräch bevor stand? Als sie dann auch noch wie von der Tarantel gestochen auf uns zustürmte, trat ich automatisch einen Schritt zurück. War sie ne entfernte Verwandte von Marco? Unscheinbar, aber doch furchteinflößend!

Auch die anwesenden Gäste und eine Kellnerin verfolgten das Spektakel mit neugieriger Miene. Verdammt, wer zum Henker war sie?
Fast Hilfe suchend drehte ich mich erneut Daniel zu, doch der zuckt nur mit den Schultern und schien ebenfalls keinen Schimmer zu haben. Knapp vor uns, bremste das verrückte Huhn schließlich doch ab. Wie ein Scanner musterte sie Daniel und mich mit ihren grünen Kulleraugen. Ich wagte es die Sonnenbrille abzunehmen, in der Hoffnung sie ohne das getönte Glas erkennen zu können. Allerdings machte mich das auch nicht schlauer. Sie wohl allerdings schon...
"DU musst dann wohl Jesse sein!", rief sie entzückt aus. "Mann, du hast tatsächlich verdammt blaue Augen"
Mit gerunzelter Stirn sah ich sie an. Gut, offenbar kein durchgeknalltes One-Night-Stand.

Two FacesWhere stories live. Discover now