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Schlaftrunken sieht sich Helena um. Sie liegt, wieder mal, in einem fremden Zimmer und schreckt hoch, wird aber gleich sanft zurück aufs Bett gedrückt. "Schhh ... alles gut, du bist in Sicherheit", sagt eine männliche Stimme beruhigend und sie hört auf, sich zu wehren. "Hast du Schmerzen, Helena?", fragt Zac, den sie jetzt erkennt. "Ein kleines bisschen, aber auszuhalten". Skeptisch sieht er sie an. Vorsichtig versucht Helena sich aufzusetzen. Mit Zacs Hilfe gelingt es ihr, sich am Kopfende des Bettes anzulehen. "Ich kann dir jederzeit etwas geben, Helena. Marc hat Schmerzmittel dagelassen" - "Wenn ich mich nicht bewege, ist es auszuhalten", sagt sie leise. "Du bist ein kleiner Dickkopf, hm?", schmunzelt Zac. "Du solltest was essen. Was darf ich dir bringen? Marc meinte, erst mal nur eine Kleinigkeit. Suppe, Brot, Obst, Nudeln mit Minzsoße?" - "Du hattest doch vorher gekocht?" - "Das hab ich mit Marc schon gegessen" - "Okay ... die Nudeln klingen lecker. Aber mach dir nicht soviel Mühe" - "Es ist okay, Helena, wenn ich nicht wollte, hätte ich es nicht angeboten". Zac steht auf und Helena schließt ihre Augen. Sie ist noch immer müde und döst nochmal ein.

Zac bereitet inzwischen die Nudeln zu. Seine Gedanken sind bei der Frau, die oben in seinem Gästezimmer liegt und ihm, obwohl er sie nicht kennt, nicht mehr aus dem Kopf geht, seit er sie so durch den Bahnhof hetzen sah. Er ist neugierig und will sie besser kennenlernen. Zac füllt einen Teller und nimmt Besteck aus einer Schublade, dann geht er wieder nach oben. Er bleibt in der Tür stehen und betrachtet die schlafende Helena, schließlich räuspert er sich und sie schlägt die Augen auf. Er setzt sich mit etwas Abstand zu ihr aufs Bett und gibt ihr den Teller. Helena probiert ein paar Nudeln, dann schließt sie genießend ihre Augen. "Mmmh" - "Ach komm, das sind stinknormale Nudeln", neckt Zac sie und sieht sie schmunzelnd an. "Hausmannskost ist oft besser als das Essen in Edelrestaurants" - "Beides nicht zu verachten, finde ich. Wichtig ist nur, mit wem man das Essen teilt, oder?" Er bemerkt, dass Helena sich unwohl fühlt, sie weicht seinem Blick aus. "Iss fertig, Helena, du musst noch eine Tablette nehmen". Sie nickt und als sie fertig ist, nimmt er ihr den Teller ab. Er hält den Blister mit der Pille danach in der Hand.  "Willst du das wirklich?", fragt er Helena leise. "Ja!" Helena hält ihm ihr offene Hand hin. "Bitte! Schau mich an, glaubst du, ich könnte ein Kind von diesem ... Monster lieben? Ich hätte immer Angst - Angst, dass es Charakterzüge von ihm haben könnte, dass es aussieht wie er, sogar Angst, dass er es irgendwie rausbekommt und es zu sich holt, es genauso wird wie er. Ich könnte es nie so lieben, wie ein Kind es verdient, geliebt zu werden!" Tränen laufen ihr übers Gesicht bei diesen Worten. Zac legt ihr die Tablette in die Hand und schließt sie darum. "Irgendwann wirst du ein Kind haben, dass du von Herzen lieben kannst", sagt er leise und verlässt ihr Zimmer, nachdem er ihr noch ein Glas Wasser gegeben hat.

Vor ihrer Tür bleibt er stehen und holt tief Luft. Er schließt kurz die Augen und sammelt sich, dann läuft er nach unten und erschrickt, als er seine Schwester in der Küche antrifft. "Was machst du denn hier?" - "Das ist ja eine nette Begrüßung, Bruderherz", lacht Lucy und umarmt ihn. "Ja, sorry, ich habe nicht mit dir gerechnet". Lucy mustert ihn. "Was ist los, Zac?" - "Nichts" - "Hey, du bist mein Bruder, du kannst mir nichts vormachen. Also?"- "Warum bist du hier?" - "ZAC!" - "Schon gut ... ich hab heute morgen am Busbahnhof eine junge Frau aufgelesen ..." - "Uuuh ... ist sie hübsch?" - "Was? Ja ... schon ...". Jetzt runzelt Lucy die Stirn, so kennt sie ihren Bruder gar nicht. Wegen einer Frau so zu reagieren ist absolut untypisch für ihn - entweder er mag sie oder nicht. Aber so zerrissen, wie er grade rüberkommt, das ist neu. "Lucy, ich hab sie nicht aufgerissen, sie ist in mich reingelaufen. Sie war ... ist auf der Flucht vor einem Mann, der sie übel zugerichtet hat, so schlimm, dass ich Marc hinzugezogen habe. Wir haben sie verarztet, sie liegt oben im Gästezimmer und nimmt gerade die Pille danach". Lucy schluckt. Sie weiß, wie sehr Zac Frauen verabscheut, die ihre Kinder nicht haben wollen, seit seine Ex-Frau vor einigen Jahren das gemeinsame Kind abtreiben ließ. "Aber weißt du, Lucy ... ich kann sie verstehen. Ich versteh sie wirklich ... und das ... kapier ich nicht. Eigentlich sollte es immer eine andere Lösung geben", flüstert er. Lucy nimmt ihn in die Arme. "Zac, du kannst das nicht vergleichen - ein Baby, das aus Liebe entsteht nicht zu wollen ist was anderes, als ein mit Gewalt gezeugtes Kind nicht lieben zu können. Ich bin sicher, sie hat sich das gut überlegt. Und lieber jetzt, wenn es sich noch nicht eingenistet hat als später".  Zac lässt sich ihre Worte durch den Kopf gehen und nickt nach einer Weile. "Ich hab ihr Sachen von dir gegeben, ich hoffe, das ist okay?" - "Ja klar, bevor sie nackt vor dir rumlaufen muss" - "Naja, im Moment läuft sie gar nicht ... und trägt ein T-Shirt von mir", grinst Zac, was ihm einen Schlag auf die Schulter einbringt. "Aua!" - "Doofmann! Ihr gehts nicht gut und du reißt blöde Witze" - "Mhmm ... aber sie interessiert mich, ich hätte nichts dagegen, wenn sie meine Sachen dauerhaft trägt". Überrascht sieht Lucy ihn an. Das sind ganz neue Töne, seit der Trennung hatte er nur kurze Affairen, nichts ernstes mehr. "Aber ich glaube, sie hat die Schnauze voll von Männern" - "Ähm ... sie wurde misshandelt. Das vergisst man nicht so schnell. Sie muss erst wieder lernen, wem sie vertrauen kann, Zac" - "Bei Marc war sie gleich sicher" - "Wie meinst du das?" - "Naja, auf ihn reagiert sie anders" - "Wie ist sie hierher gekommen?" - "Ich ... ach Mist. Ich hab sie irgendwie einfach mitgenommen" - "Ohne sie zu fragen? Ohne ihr anzubieten mitzukommen? Ach, Zac", stöhnt Lucy auf. "Lass ihr Zeit. Sie merkt bestimmt bald, dass du ihr nicht wehtun willst. In der Zeit könnt ihr euch langsam kennenlernen und wenn du dann immer noch Interesse hast, umwirb sie. Aber wehe, du spielst mit ihr!" - "Ich hab noch nie mit einer Frau gespielt - außer im Bett", grinst er, wird aber gleich wieder ernst. "Nein, sie ist ein Schmetterling mit gebrochenen Flügeln, die wieder heilen sollen, damit sie wieder frei sein kann. Ob sie dann mit mir fliegt, wird die Zeit zeigen".

MariposaWhere stories live. Discover now