Kapitel 14

33 5 17
                                    

CN: Angst, Waffen, Tod


Panik umklammerte Mels Herz wie ein Schraubstock, während die grauen Betonwände an ihr vorbeizogen. Das hier passiert wirklich.

Sie blickte nach oben, in den sommerblauen Himmel, der von einigen Wolken bedeckt war und seltsam friedlich wirkte. In dem Moment kam sie an der Erdoberfläche an und schon im ersten Augenblick merkte sie, dass etwas anders war als in den Jahren zuvor. Die anderen elf Tribute standen mit ihr in einem Kreis auf den Plattformen, sich gegenüber erkannte Mel Lenox. Ein Schock erfasste sie, als sie erkannte, was genau anders war.
Es gab kein Füllhorn.

"Tribute" Die Stimme vom obersten Spielemacher dröhnte durch die Arena. Mel blickte sich um, sie hatte keine Lautsprecher gesehen. Wahrscheinlich waren sie versteckt unter unsichtbaren Kraftfeldern. "Wie ihr vermutlich alle gemerkt habt, gibt es dieses Jahr eine weitere Besonderheit. Statt die Vorräte und Waffen wie üblich im Füllhorn zu deponieren, haben wir sie diesmal in der Arena versteckt. Um die Lichtung herum findet ihr die meisten Dinge, die euch helfen, in der Wildnis zu überleben. Tribute, ich wünsche euch fröhliche Hungerspiele und möge das Glück stets mit euch sein."
Hektisch blickte Mel sich um. Sie befanden sich auf einer runden Lichtung, die von einem Wald umgeben war, dahinter erfasste sie weitere Wälder und Berge. Es gab kein Füllhorn... Das bedeutete, sie musste zwangsläufig in der Nähe anhalten und nach hilfreichen Dingen Ausschau halten. Verdammt! Sie hatten doch verabredet, in Richtung der Spitze des Füllhorns zu fliehen! Wie sollten sie sich jetzt finden?
Mel riss ihren Blick vom Waldrand los. In der Mitte des Kreises wurde die Zeit bis zum Start in die Luft projiziert. Siebenundvierzig Sekunden.
Nachdenken!, befahl sie sich in Gedanken. Gab es etwas, was ihnen helfen konnte? Angestrengt überlegte sie, und plötzlich fiel es ihr ein. Die Spitze des Horns zeigt immer nach Norden. Wenn die anderen das ebenfalls wussten und sich daran erinnerten, wäre es nur logisch, nach Norden zu rennen. Mel erinnerte sich an die Trainingseinheit, in der sie gelernt hatte, anhand des Sonnenstands Uhrzeit und Himmelsrichtung zu erkennen.
Also schräg nach rechts.

Dreiundzwanzig Sekunden.
Schnell blickte sie einmal in die Runde und versuchte herauszufinden, in welche Richtung die Anderen wollten. Yorick, Storm und Davina schauten in eine andere Richtung als sie. Erleichtert wollte sie sich abwenden, als ihr auffiel, dass sie Cole anvisierten. Der allerdings blickte ganz woanders hin. Sollte sie ihn warnen? Aber wie? Und rechtzeitig wegholen konnte sie ihn auch nicht. Sie musste sich darauf verlassen, dass er es bemerkte und schaffte, zu fliehen. Edda, Edric und Elyan wollten anscheinend ungefähr in dieselbe Richtung wie Mel. Zum Glück.

Zwölf Sekunden.
Mel ließ einmal die Schultern kreisen und zog ihren Zopf fest. Dann bückte sie sich leicht und ging in Startposition, ebenso wie es die anderen taten. Hoffentlich finde ich Essen und Waffen in der Richtung...

Sechs Sekunden.
Sie konnte schnell rennen. Sie musste gleich schnell rennen, wenn sie hier lebend raus wollte. Die Karrieros würden bestimmt schnell Waffen finden und auf Jagd gehen.

Vier Sekunden. Angst durchflutete Mel. Drei Sekunden, Zwei.
Eine Sekunde.

Der Gong ertönte. Mit einem Sprung hechtete Mel von ihrer Plattform und auf den Waldrand zu. Aus dem Augenwinkel sah sie die Karrieros im Wald verschwinden, ebenso wie Edda und Lenox vor ihr. Sie versuchte, noch schneller zu laufen und stolperte fast über eine Wurzel, als sie die ersten Bäume erreichte. An einem Ast auf Brusthöhe sah sie etwas aufblitzen. Sie hastete zu der Eiche und riss an der silbernen Kapsel, die sich augenblicklich löste. Nun, da sie wusste, wonach sie Ausschau halten musste, entdeckte sie viele silberne Gegenstände um sich herum, hauptsächlich Kapseln. Die Angst verbot ihr jedoch, lange anzuhalten und sie schnappte sich einen Rucksack und zwei weitere Kapseln. In dem Moment, in dem sie weiterhasten wollte, ertönte ein gellender Schrei von der Lichtung.
Es blieb ihr keine Zeit, um sich zu fragen, wer das gewesen war, ungefähr fünfzig Meter rechts von sich nahm Mel eine Bewegung zwischen den Bäumen wahr. Ihr Herz raste und eine neue Welle von Panik erfasste sie wie eine eiskalte Welle. Weg hier! Sie spurtete los. Jeder Atemzug schmerzte in ihrer Brust, während sie immer weiter rannte. Gestrüpp und Ranken rissen an ihrer Kleidung, Äste und Wurzeln schienen aus dem Nichts in ihrem Weg aufzutauchen.
Nach kurzer Zeit war Mel so außer Atem, dass sie nicht mehr rennen konnte. Sie schleppte sich dennoch weiter, versuchte, zu joggen und ließ sich schließlich hinter einer großen Buche zu Boden sinken. Vorsichtig blickte sie nach hinten. Niemand war zu sehen.

Die 100. Hungerspiele: Täuschende HoffnungWhere stories live. Discover now