🌫️Als der Himmel schrie✨

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Die Wellen waren doppelt so hoch gewesen wie in anderen stürmischen Nächten.
Mit tosenden Lärm peitschten sie gegen die hohe Steilklippe, rissen Teile aus ihr heraus und zogen sie in die Tiefe des Meeres.

Es passierte nicht oft, aber sie hatte Angst gehabt. Das Haus, in dem sie untergebracht waren, stand über diesen Klippen.
Wenn sie aus dem Fenster sah, sah sie nichts außer das blau des Meeres, und darüber das blau des Himmels.
In dieser Nacht, hatte ihr kaum etwas so viel Angst gemacht, wie der Blick aus dem Fenster. Wellen brachen, türmten sich wieder auf und brachen erneut. Das einzige was ihr noch mehr Angst machte, war das Heulen des Windes, dessen Klänge sich mit dem prasselnden Regen und den dröhnenden Fluten zu einem einzigen Alptraum vereinten.

Sie hatte sich in ihr Bett verkrochen, die Decke über den Kopf gezogen, und unter dieser zusammengekauert wie ein Kleinkind. Wie sie es früher getan hatte, als sie noch Alpträume gehabt hatte. Früher, als sie die Sterne noch nicht kannte.. Früher, als sie noch nicht an die Magie des Großen Wagens geglaubt hatte, nichtmal etwas von ihr gewusst hatte.
Wenn sie ihn doch nur jetzt sehen könnte... Sie wusste, dass er da war, weit über ihr.. Aber konnte er trotz der dicken Wolkendecke auf sie aufpassen ?

Am liebsten wäre sie aufgestanden, und hätte probiert, ihn trotz dieser irgendwo vom Fenster erblicken zu können. Irgendwo hatte schließlich jede Decke ein kleines Loch...
Vielleicht konnte sie deshalb, trotz des dicken Stoffes ihrer Wolldecke vor ihrem Gesicht, immer wieder sehen, wie ein Blitz das Zimmer erhellte. Immer wieder dicht gefolgt von grollenden Donner, bei welchem sie immer wieder zusammenzuckte.

Irgendwann hörte sie das Knarzen der schweren Holztüre. Bitte nicht, dachte sie leicht verzweifelt. Ihre Klassenkameradinnen, mit denen sie sich das Zimmer teilte, hatten sich vor etwa einer Stunde, so schätzte sie jedenfalls, verabschiedet, und waren zu einer "Party" ins Jungenzimmer verschwunden.

Ob sie mitwollte, wurde sie nichtmal gefragt, aber ihr war das auch nur recht. Was hätte sie auch da gewollt ? Sie war die "Uncoole" in der Klasse. Die, für die sich keiner interessierte, und mit der keiner irgendwann mal redete. Nur über sie wurde gerne gesprochen. Dann war sie die "Irre" oder die "Spinnerin", selten auch mal die "Träumerin" oder ganz stumpf die "Sternenglotzerin".

Sie hatte sich mittlerweile damit abgefunden, und ihr war es relativ egal. Trotzdem hatte sie wenig Lust darauf, das sich morgen alle das Maul darüber zerreißen würden, dass die Sternenglotzerin Angst vor einem kleinen Sturm hatte. Wahrscheinlich hieß es dann aber, dass sie sich in die Hosen machte, sobald sie ihre ach so geliebten Sterne nicht anglotzen konnte.

Aufeinmal spürte sie, wie sich neben ihr die Matratze senkte. Wollten sie sich jetzt schon über sie lustig machen ? "Schläfst du ?", hörte sie aufeinmal eine ihr vertraute Stimme. Sie könnte wirklich so tun als würde sie schlafen.. Wenn sie Glück hatte, würde er dann einfach wieder verschwinden und sie in Ruhe lassen. Ihr war gerade einfach nicht nach sprechen zumute.
Trotzdem schüttelte sie den Kopf ein wenig, hielt ihn jedoch weiterhin unter ihrer Decke verborgen. "Und was machst du hier ?", fragte er weiter. Immer stellte er so viele Fragen.. "Das sollte ich wohl eher dich fragen, oder ?", erwiderte sie ein wenig schnippiger als angedacht. "Ich hab dich auf der Party vermisst. Und da dachte ich, ich schaue mal nach, ob alles okay bei dir ist"

"Wieso solltest du dich darum kümmern ?", fragte sie leicht verwirrt. Sie war ihm egal. Genauso, wie sie jedem anderen hier egal war. "Weil du mich interessierst", antwortete er. Darauf wusste sie nichts zu sagen. Warum sie ? Sie war doch komplett uninteressant. Was hatte sie auch besonderes an sich ? Sie war seltsam. Aber das machte sie nicht interessant. Im Gegenteil. Sie wurde doch nur Abstoßender dadurch.

"Magst du nicht mal rauskommen ? Ich würde mich lieber mit dir, anstatt deiner Decke unterhalten" Sie seufzte lautlos und drehte sich dann zu ihm um. Den Kopf streckte sie oben heraus, und sah zu dem Jungen hoch, welcher noch immer neben ihr saß. Dieser lächelte zu ihr runter. "Wolltest du denn schlafen ?" Sie zuckte nur leicht die Schultern.

Er wollte gerade zur nächsten Frage ansetzen, als erneut ein lautes Donnergrollen ertönte. Sie zuckte zusammen, ehe sie es verhindern konnte. Na ganz toll, jetzt weiß er es also. Wie lange er wohl lachen wird ? Sie kauerte sich enger in ihre Decke, machte sich bereit dafür. Sie wollte zwar, das es ihr egal war, aber im Endeffekt war es das dann doch nicht. Und bei ihm tat der Gedanke irgendwie mehr weh, als bei anderen. Aber zu ihrer Überraschung lachte er nicht. Als sie nach ein paar Momenten zögerlich zu ihm hochschaute, sah sie, dass das Lächeln in seinem Gesicht verschwunden war. Sein Blick wechselte in, war das möglich ?
"Bist du deshalb hier geblieben ?", fragte er besorgt. Nach kurzem Zögern nickte sie. Es hatte natürlich auch noch andere Gründe, aber das war einer. Erneut ein Donner. Erneut zuckte sie zusammen.
"Mach mal ein bisschen Platz bitte", meinte er dann, wieder ein Lächeln auf den Lippen. Sie konnte kaum mehr tun, als ihn irritiert anzublicken, als er sich auch schon an ihr vorbei zwängte, und sich an die Wand lehnte. Sie setze sich ein Stück auf, während sie sich zu ihm umdrehte und schaute weiter zu ihm hoch. Was wurde das bitte ?

"Ich darf doch bleiben oder ?", vergewisserte er sich. "Geh lieber zu den anderen.. Die vermissen dich bestimmt", erwiderte sie. Außerdem war sie langweilig. Sie reizte die Party nicht. Sowas interessierte sie einfach nicht. Aber er verpasste bestimmt einiges..
"Ach die werden vermutlich erst in ner Stunde merken, dass ich schon ein wenig lange auf Toilette bin"
"So scheiße bin ich jetzt auch nicht, dass du mich mit nem Klo vergleichen musst", witzelte sie. Oder war sie es ? "Was ? So war das doch nicht gemeint. Ich brauchte nur ne gute Ausrede, damit die Mädels mal von mir ablassen" Er sah sie entschuldigend an. "Dich nerven Mädchen also ?", fragte sie. Er nickte. "Die sind einfach nur nervig und aufdringlich. Und unnötig anhänglich noch dazu" "Und warum.. bist du dann hier ?", fragte sie ein wenig leiser.
"Du bist anders"

"Inwiefern.. anders ?" Sie wusste es natürlich. Sie war schließlich die Sternenglotzerin.
"Du nervst nicht. Und du bist das Gegenteil von aufdringlich. Außerdem bist du nett und dir ist es Egal was die anderen über dich sagen. Und das ist wirklich bewundernswert. Du rennst nicht einfach jedem hinterher und probierst in ihren Kram zu passen. Du machst dein Ding", erwiderte er lächelnd. Sie musste tatsächlich ein wenig Lächeln, auch wenn sie nicht so ganz glauben konnte das er es ernst meinte. "Danke..", erwiderte sie schließlich leise.
"Außerdem hätte ich nichts dagegen, wenn du ein wenig anhänglicher wärst", fügte er mit leichtem Grinsen hinzu. "Was soll das denn jetzt heißen ?" Sie konnte nicht umhin, ebenfalls ein wenig zu grinsen.
Da breitete er die Arme ein Stück aus. Sie sah ihn einen Moment lang ziemlich überrascht an. Meinte er das wirklich ernst ? "Na komm", er lächelte sanft und breitete sie Arme noch ein wenig mehr aus. Diese erneute Aufforderung ließ ihr ja wohl kaum noch eine Wahl.
Ihr blieb also quasi nichts anderes übrig, als sich in diese zu legen.

"Und was ist, wenn die anderen wiederkommen ?", fragte sie irgendwann leiser.
"Was soll mit denen sein ?" "Na.. wenn die reinkommen, und uns so sehen..?", Sie war sich wirklich unsicher. Und sie wollte sich nichtmal ausmalen, was das für einen Aufstand geben würde... Zumal sie noch immer bei jedem Donner zusammenzuckte, wenn auch nicht so stark, wie zuvor.. Sie kannte es schon.. Aber ihn würden sie wahrscheinlich auch als verrückt abstempeln. "Sollen sie doch, ich stehe dazu", antworte er mit einem Lächeln. Da musste auch sie Lächeln und kuschelte sich ein wenig näher an ihn.
Sie fühlte sich geborgen. So sehr, wie sie es seit Jahren nicht mehr getan hatte.
Und es war ein gutes Gefühl. So gut, das sie trotz ihrer Angst glücklich war.

Irgendwann war sie in seinen Armen eingeschlafen.
Wäre sie noch länger wach gewesen, hätte sie gehört, wie der Sturm langsam nach ließ. Und wäre sie dann zu ihrem Fenster gegangen, hätte sie gesehen, wie der Himmel sich an manchen Stellen lichtete. Und dann hätte sie auch ihren Beschützer auf sich hinabscheinen gesehen.

Dem Großen Wagen so nah ✨Where stories live. Discover now