39 ~ Comfortable embraces, possessive guys and vague feelings

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Song: Speakers von Days Difference

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Kapitel 39

In Daves Armen zu liegen war angenehmer, als ich es mir vorgestellt hatte – und ja, ich hatte es mir vorgestellt. Zwar hatten wir uns in den Katakomben schon einmal umarmt, aber das war nichts dagegen, was sich nun abspielte. Das hier dauerte um einiges länger und hing mit weniger Peinlichkeit zusammen. Ich weiß nicht, wie viel Zeit verging, aber das war auch nicht wichtig. Wichtig war, dass ich jede Sekunde genießen konnte.

Als wir uns allmählich wieder aus der Umarmung lösten, zog ich sicherheitshalber erneut meinen Bademantel zu, was Dave zum Schmunzeln brachte.

„Hast du noch Zeit und Lust, mit reinzukommen?", erkundigte ich mich.

„Zeit schon, Lust auch, aber ich bezweifle, dass deine Mum mich reinlässt."

„Das wird sie, wenn ich ihr erkläre, dass die ganze Sache nicht nur deine Schuld war."

Er hielt einen Moment inne. „Mir wäre es aber lieber, wenn du das mit ihr klärst, wenn ich nicht dabei bin."

„Verstehe", sagte ich. „Du willst nicht mit rein."

„Heute nicht. Aber das bedeutet nicht, dass du nicht zu mir rauskommen könntest." Schwach lächelte er.

„Ich bin doch schon hier."

„Ja", bestätigte er. „Im Bademantel. Und solange ich der Einzige bin, der sieht, was du darunter trägst, ist das ja in Ordnung, aber wenn wir unter Leute gehen und die das auch sehen, ist es das nicht."

Ich hätte einen neckenden Kommentar dazu abgegeben, wie besitzergreifend er klang, hätte nicht etwas anderes meine Gedanken eingenommen. „Ich kann sowieso nicht unter Leute, Dave. Ich hab immer noch Fieber."

Ohne Vorwarnung griff er mir an die Stirn. Seine Hand fühlte sich auf meiner Haut kühl an. Schneller als erwartet entfernte er diese wieder. „Egal, wo wir hingehen: Es gilt, was ich gesagt habe."

Ich kam nicht umhin, ein kleines Lachen auszustoßen. Dieser Teil an Dave amüsierte mich seltsamerweise, solange er nicht zu ausgeprägt war.

„Gefalle ich dir etwa zu gut?", fragte ich scherzhaft und drehte mich einmal im Kreis, damit er mich von allen Seiten betrachten konnte.

Dave stopfte die Hände in die Hosentaschen. „Ich befürchte, du gefällst nicht bloß mir."

Beeindruckt hob ich eine Augenbraue. „Gut zu wissen", entgegnete ich und machte mich dann auf den Weg zurück ins Haus. „Bin gleich wieder da!", rief ich ihm noch über die Schulter zu und meinte zu hören, wie er seufzend murmelte: „Ich kann mir schon vorstellen, wie lange dieses ‚gleich' wohl dauern wird."

Ehe ich mich versah, war ich im Haus angelangt und ja, man konnte sagen, ich vernahm Glücksgefühle in meinem Bauch. Diese konnte auch Mum nicht zerstören, als sie mich mit verschränkten Armen und strengem Blick empfing. „Du schuldest mir eine Erklärung."

„Hör zu, Mum, ich erkläre dir alles morgen, okay? Ich mach mich jetzt schnell fertig und bin dann wieder weg", versuchte ich, sie abzuwimmeln, wobei ich die ersten Stufen hochstieg, doch sie ließ nicht locker.

„Wenn du fit genug bist, um wegzugehen, bist du auch fit genug, um in die Schule zu gehen."

Ich widerstand nur schwer dem Drang, meine Augen verdrehen zu wollen, und wandte mich ihr zu. „Ich will aber an der frischen Luft sein. Ich will bei ihm sein. Das tut mir gut, Mum. Womöglich macht es mich sogar glücklich."

Allmählich war ich an einem Punkt angelangt, an dem dies der Wahrheit entsprach. Denn als ich diesen Abend mit Dave verbrachte, passierte es das erste Mal, dass ich zuließ, was mein Unterbewusstsein dachte. Während wir schweigend nebeneinander umherschlenderten, spekulierte ich, wie sich seine Lippen wohl auf meinen anfühlen würden. Allerdings war ich mir im Klaren darüber, dass ich mir ausmalen konnte, was ich wollte, aber nie hundertprozentig sicher sein konnte, solange ich sie nicht wirklich berührt hatte.

Dazu war ich aber noch nicht bereit – und ich wusste ganz genau, warum. Der Gedanke daran, wieder verletzt zu werden, machte mir Angst. Denn ich wusste nicht, ob ich das ein zweites Mal ertragen konnte.

Egal, wie ich zu meinen Gefühlen für Dave stand, und egal, wie sehr ich mich danach sehnte, dass er aussprach, ob er etwas für mich empfand, würde ich noch Zeit brauchen. Zeit, um mir ganz sicher zu sein.

Sollte ich mich irren und sollten meine Gefühle für Dave doch nur auf platonischer Ebene bestehen, dann würde ich nicht wollen, dass er schon davon wusste. Ihm mein Herz auszuschütten, ohne hundertprozentig sicher zu sein, wäre gefährlicher und waghalsiger, als diese Prozedur ohnehin schon war. Und wenn ich etwas verhindern wollte, dann war das Schmerz. Egal, wer diesen ertragen müsste.

So unauffällig wie möglich warf ich ihm einen Seitenblick zu. Er war, genau wie ich, in Gedanken versunken, wobei seine Hände in den Taschen seines Hoodies vergraben waren. Ich mochte es, wenn wir stillschwiegen, denn das bedeutete nicht, dass wir nicht wussten, worüber wir sprechen sollten, sondern dass wir ganz einfach keine Worte brauchten, um uns zu verständigen.

Da sein linker Ellbogen so einladend wirkte, hakte ich mich bei ihm unter. Dadurch war ich ihm näher gekommen, als geplant, aber mich kümmerte das nicht. Nur Dave schien irgendein Problem zu haben, da es ihn dazu veranlasste, seine linke Hand aus der Hoodietasche zu ziehen, sodass ich den Halt seines Ellbogens verlor.

Mein Herz machte nicht den Anschein, als wäre es darüber sehr begeistert. Erst als Daves Hand nach meiner griff und unsere Finger verschränkte, war es zufrieden. Sogar mehr als das. Es beruhigte sich erst dann wieder, nachdem es ein paar Luftsprünge vollzogen hatte.

Ich konnte nicht anders, als ihm zuzulächeln, was er erwiderte.

Es dauerte eine Weile, bis ich wieder klar denken konnte. Lange war es her, dass ich wegen etwas Derartigem innerlich so aufgedreht war. Denn auch wenn wir uns „bloß" an den Händen hielten, war dieses Mal doch er derjenige gewesen, der die Initiative ergriffen hatte, anstatt mir. Das bedeutete mir wirklich viel.

„Hast du deiner Mum vorhin eigentlich gleich erklärt, was vorgestern los war?", fragte er irgendwann.

„Nein, ich hab es auf morgen verschoben, warum?"

„Naja, ich frage mich, warum sie dich dann gehen lassen hat..." Sein Blick wanderte kurz zu mir, ehe er seine Aufmerksamkeit wieder der Straße vor uns widmete.

Ich zuckte die Schultern. „Ich hab ihr nur klargemacht, wie wichtig das hier für mich ist."

„Die frische Luft?"

„Auch."

Ob er verstand, was ich meinte? Einerseits wollte ich das, andererseits war ich nicht dazu in der Lage, es auszusprechen.

Sein Daumen strich sanft über meinen. Das reichte mir als Antwort.

A Pack of LiesWhere stories live. Discover now