[Ab|grund]

46 0 0
                                    

Substantiv, maskulin.
[...] eine gefährliche Tiefe.


Oops! This image does not follow our content guidelines. To continue publishing, please remove it or upload a different image.


Sayeh Tempel. Sadith-Stadt. 731 n.K.


„Mach dir nicht so viele Gedanken, ehrlich. Du darfst nicht auf diese Knalltüten hören. Sie sind blöd und verzogen und überhaupt. Nur Luft und nichts dahinter."
„Mh."
„Ich meine, du bist viel besser als Trago. Oder Gravin. Ehrlich gesagt, ich bin vorhin fast ausgeflippt vor Freude, als du gleich beide im Ring der Messer fertiggemacht hast. Das vergessen diese arroganten Schnösel  nicht so schnell." Orie grinste schief und strich sich über die graue Robe der Nachtfalkenrekruten. „Ehrlich Kaiph, das war grandios. Wo hast du das nur gelernt?"
„Weiß nicht." Kaiphas steuerte auf den Seiteneingang des Tempels zu und öffnete die schwere Eisentür. Er hielt sie auf, damit die Priesterschülerin hinausschlüpfen konnte und trat dann selbst nach draußen.
Laue, warme Sommerluft. Kurz vor Nachteinbruch. Gemischt mit dem Gestank von Stadt und schwitzenden Menschen. „Vielleicht Intuition", antwortete er weiter, weil er das Gefühl bekam, seine Begleiterin wartete auf eine bessere Erklärung.
„Intuition? Komm schon." Orie drehte sich und begann rückwärts zu laufen, um ihn vorwurfsvoll aber auch interessiert zu mustern. „Du bist die verdammte Wand hochgelaufen, um ihm ins Gesicht zu treten."

Kaiphas zuckte mit den Schultern. Sie wusste nicht, dass er mit den Nachtfalken trainierte. Hin und wieder, wenn Ationas es zuließ. Er durfte nicht darüber sprechen und würde es auch nicht. Doch Orie war nicht dumm, sie musste etwas ahnen.
„In diesem zwielichtigen Schuppen, in dem du aufgewachsen bist, hast du das wohl kaum gelernt."
Augenrollend beschleunigte er seine Schritte und überholte sie. Er hätte es ihr nicht erzählen sollen. Aber er war so verdammt betrunken gewesen, am Boden zerstört und sie einfach da. Sie war immer da. Keine Ahnung, was sie an ihm fand. Er war nicht besonders gesprächig und sicher kein guter Freund. Was Orie geflissentlich ignorierte, während sie zu ihm aufholte und sich grinsend bei ihm einhakte. „Weißt du, Kaiph, du machst das echt gut. Du wirst der beste Nachtfalke aller Zeiten."
„Wenn du das sagst."

In gemütlichem Tempo schlenderten sie los durch die abendlichen Straßen von Sadith-Stadt, die noch immer vor Menschen überquollen. Matrosen liefen umher, luden letzte Waren auf. Einige andere lagen schon betrunken in der Ecke, die Flasche Billigwein noch in den Händen. Waffenschmiede hämmerten die letzten Rohlinge, Gewandhändler umschmeichelten feine, reiche Damen, die hinter ihren unnötigen Fächern verhalten kicherten. Wann immer Orie etwas Interessantes an einem Stand entdeckte, hielten sie an. Keine Ahnung, warum er zugesagt hatte, mit ihr bummeln zu gehen, aber es nervte ihn jetzt schon. Andererseits, er hatte sowieso nichts zu tun. Nach der Nummer von vorhin hatte Ationas ihn für eine ganze Woche vom Training suspendiert.
„Sieh mal, ein glitzernder Kätzchenanhänger! Ist der nicht schön?" Orie hielt ihm einen silbernen, mit schwarzen Steinen besetzten Anhänger unter die Nase. Dass sie nicht vor Liebe platzte, war wirklich ein Wunder.
„Ganz ok. Schätze ich." Kaiphas zuckte mit den Schultern und die Priesterschülerin fuhr begeistert zu dem Juwelier herum, um über den Preis zu verhandeln. Wahrscheinlich würde sie das Teil ohnehin nicht bekommen. Als Rekrut der Nachtfalken, die lediglich eine tödliche Abspaltung der Sayeh-Priester bildeten, besaß man nicht viel. Pro Woche bezahlte der Tempel ihnen ein paar Münzen für Sonderausgaben. Keine Ahnung, wieso sie überhaupt etwas bekamen, denn mit etwas Glück reichte es gerade mal für warme Waffeln mit Sahnecreme. Lächerlich. Aber wie sagte Ationas immer so schön? Ein Sayeh-Priester braucht keinen Besitz. Nur einen scharfen Dolch und Demut.

You've reached the end of published parts.

⏰ Last updated: Oct 09, 2020 ⏰

Add this story to your Library to get notified about new parts!

NachtfalkenWhere stories live. Discover now