4 | anywhere else

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Am Montag erzähle ich Cass die Neuigkeiten. Sie ist nicht gerade Feuer und Flamme was das Sokovia-Abkommen betrifft, aber eher dazu geneigt, die Bedingungen zu akzeptieren. Nachdem wir das hinter uns haben, versucht sie, mich über den Streit zwischen mir und Matt auszuquetschen, den ich unbedachterweise erwähnt habe.

»Seid ihr jetzt noch zusammen oder nicht?«, fragt sie mich, während wir uns für den Sportunterricht umziehen.

»Ich will nicht darüber reden, Cass, wie oft noch.«

»Ihr solltet aber darüber reden.«

Ich sehe von meinen Schnürsenkeln auf. »Und du bist jetzt der Beziehungsexperte?«

»Coaches don't play, meine Liebe. Vielleicht solltest du dich fragen, was diese Beziehung euch beiden bringt. Liebst du ihn denn noch?«

Auf einmal sind die Staubspuren auf meinen Schuhen sehr viel interessanter als alles, was Cass zu sagen hat. Von Liebe zu sprechen ist doch sehr gewagt. Klar, ich genieße Matts Anwesenheit, und seitdem wir uns zerstritten haben, bereitet jeder Gedanke an Matt mir Bauchschmerzen. Jeder sagt, die ersten Liebe hält nie, und das wusste ich auch, das war mir schon immer klar, aber ich habe den Gedanken daran verdrängt. Denn wieso sollten wir beide uns jemals trennen? Wieso sollten wir zusammenbleiben? Wieso kamen wir jemals auf die bescheuerte Idee, ein Paar zu sein? Ich weiß es nicht. Gefühle sind eine komische Sache. Schmetterlinge im Bauch und Ameisen auf der Kopfhaut, Berührungen wie Stromstöße – reicht das, um von Liebe zu sprechen? Irgendetwas hat meine sonst so rationale Denkweise durcheinandergebracht. Nein, nicht irgendetwas. Matt.

Okay, das reicht, was genau will Cass eigentlich von mir? Ablenkungen kann ich nicht gebrauchen. Ich springe von der Bank auf. Wir sind die letzten im Umkleideraum. »Komm schon, oder willst du Strafrunden laufen?«

»Ich bin nicht fertig mit euch beiden Turteltäubchen, damit das klar ist.«

Ich seufze. »Ja, Cass, leider ist mir das sehr wohl klar.«



Er schreibt mir nicht, ich schreibe ihm nicht. Zwischen uns herrscht Funkstille. Ich will das nicht, aber ich weiß auch nicht, was ich tun kann, um das zu ändern. Diese Meinungsverschiedenheit geht über unsere Beziehung hinaus. Trotzdem kann ich an fast nichts anderes denken. Statt Hausaufgaben zu machen, kritzele ich in meinen Heftern herum. Statt ordentlich Geige zu üben, fange ich ein Stück an, nur um es nach fünf Takten wieder aufzugeben. Immer nur die gleichen Gedanken machen in meinem Kopf die Runde. Ist es jetzt vorbei? Soll es das gewesen sein? Es fühlt sich merkwürdig an, von dem wir in der Vergangenheitsform zu sprechen. Falsch. Ich bin ratlos. Und ich werde dieses brennende Gefühl in der Brust nicht los. Habe ich Matt tatsächlich verloren? Tief in mir drin weiß ich es. Trotzdem gibt es dann noch den viel zu emotional denkenden Teil meines Gehirns, der die Hoffnung noch nicht aufgegeben hat und nicht aufgeben will.

Nat schaut am Dienstagabend im Tower vorbei, bevor sie nach Europa fliegt. Sie macht Bliny. Eines meiner Lieblingsgerichte. Aber ich stochere nur mit meiner Gabel in den russischen Eierkuchen herum, den Kopf habe ich in eine Hand gestützt.

»Steve hat nicht unterschrieben«, eröffnet mir Natasha.

»Was für 'ne Neuigkeit«, murmele ich.

»Wanda auch nicht.«

»Sie ist minderjährig. Was darf sie schon entscheiden?«

»Wir sind zu der Einigung gekommen, dass ihr mit Zustimmung eures Vormunds das Sokovia-Abkommen unterzeichnen dürft.«

Ich blicke auf. »Juhu.«

»Hör bitte auf, die Bliny zu massakrieren. Sie können auch nichts dafür.«

Ich lehne mich im Stuhl zurück und lasse die Gabel fallen. »Ich will den Schriebs nicht unterschreiben. Dann würde ich mich auf eine Seite schlagen. Und eh wir uns versehen gibt's 'nen waschechten Bürgerkrieg.«

Nat lächelt traurig. »Das wird sich wohl kaum vermeiden lassen.«

»Gemeinsam sind wir stark, hm? Die beiden halten sich ja hervorragend an ihre Grundsätze, die sie in Sokovia aufgestellt haben.« Mit die beiden meine ich Dad und Steve. Der Welt bringt es nichts, wenn sich Steve auf Alleingang macht, und noch weniger, wenn sich die Avengers auch noch untereinander bekriegen. Und das nur wegen fünfhundertfünfzig Seiten bedrucktem Papier.



Als ich am Mittwoch von der Schule nach Hause komme, erreicht mich eine Nachricht von Cass. Mach mal den Fernseher an.

Ich ahne schon, dass das nichts Gutes bedeuten kann. Und ich werde nicht enttäuscht.

»Eine Bombe, die in einem Übertragungswagen versteckt war, hat das UN-Gebäude in Wien zerstört. Es gibt über siebzig Verletzte und mindestens zwölf Tote, darunter der König von Wakanda, T'Chaka.«

Ein Großteil des Gebäudes liegt in Schutt und Asche. Feuerwehrleute sind damit beschäftigt, den Brandherd zu bekämpfen. Ich vergrabe mein Gesicht in den Händen. So kann ich zwar die Bilder verbannen, aber nicht die Stimme des Reporters.

»Die Behörden haben ein Überwachungsvideo veröffentlicht. Es zeigt James Buchanan Barnes, den Winter Soldier und berüchtigten HYDRA-Agenten, dem zahlreiche Terrorakte und politische Attentate angehangen werden

Winter Soldier? Den Namen habe ich schon einmal gehört. Aber wer soll James Buchanan Barnes sein? Ich lasse den Namen mit Tess' Hilfe durch diverse Suchmaschinen laufen und erhalte zufriedenstellende Informationen.

Sergeant James Buchanan ›Bucky‹ Barnes ist ein Veteran des Zweiten Weltkriegs, ein ehemaliger Offizier des 107th Infantry Regiment und der beste Freund von Steve Rogers seit ihrer Kindheit. Er starb bei einer Mission in den italienischen Alpen.

Sofort werden mir zwei Dinge klar: Erstens, das hier ist der Winter Soldier, der Nick Fury getötet hat (oder es zumindest versuchte) und für die Zerstörung in D.C. verantwortlich war. Und Zweitens: er war Steves Freund, und genau aus diesem Grund wird der fabelhafte Patriot ihn finden wollen, egal, ob er die Tat nun begangen hat oder nicht. Damit begibt er sich in große Gefahr. Und mit ihm Matt.

Ich drehe mich auf den Rücken und starre an die Decke. Und mit ihm Matt. Meine Augen fangen an zu prickeln. Matt ist so ein verdammter Idiot. Er rettet mich vor Gammastrahlungs-Käfigen und Stürzen aus Drei-Stockwerk-Höhe, ist aber zu blöd, sich selbst aus Gefahrensituationen rauszuhalten. Und er weiß in welches Risiko er sich begibt.

Als die Tränen kommen presse ich mein Gesicht in die Sofakissen. Ich hasse Tränen. Ich hasse die Nutzlosigkeit dieses Vorgangs. Tränen aus Hilflosigkeit und Frust. Ich schreie in das Kissen und beschließe eine Sache: Entweder stimme ich Matt um, oder ich lasse es endgültig sein.

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Heart of Iron | 3   ᵗ ˢᵗᵃʳᵏ'ˢ ᵈᵃᵘᵍʰᵗᵉʳWhere stories live. Discover now