Kapitel 01: Sand

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Als ich früh morgens aufwachte, kletterten schon die ersten Sonnenstrahlen von Ilios durch mein Fenster und legten sich wie warme goldene Fäden auf meiner Decke nieder. Mit verschränkten Armen betrachtete ich die trostlose Landschaft hinter dem beschlagenen Glas, die nichts außer Sand, Gestein und unseren Messgeräten zeigte. Und obwohl die Sonne Wärme ausstrahlte, so strafte die Kälte des Sturms sie Lügen.

Eine pinke Strähne fiel mir vor die Augen und für einen Moment sah die Welt fast idyllisch aus, ehe ich die Haare freudlos wegstrich und damit die Tristheit wieder ungewollt willkommen hieß. Der Wecker neben mir zeigte an, dass es langsam Zeit wurde, aufzustehen und sich für den Tag bereit zu machen. Rauszugehen, einen neuen Abschnitt abzustecken und zu untersuchen, nur um dann völlig durchgefroren und ohne neue Ergebnisse wieder zurückzukommen. Resigniert seufzte ich. Wir fanden doch eh nichts Neues heraus, nur dass es noch mehr Sand, noch eisigere Stürme und noch mehr Nichts gab. Warum dann noch in den Sturm wagen?

Noch müde schlurfte ich in das kleine Bad, welches auf mein Drängen hin in diesen Container eingebaut worden war. Wir waren vor der endgültigen Mission schon einmal hierher geflogen, um zu überprüfen, wie die Lebensbedingungen waren. Letztendlich konnten wir nur zurückmelden, dass es keine Pflanzen gab und keine Tiere, soweit wir das sehen konnten. Der Planet war kahl, trist und es herrschte eisiger Wind. Als wäre das der einzige Sinn des Planeten, den die GBSG passenderweise "Namís" getauft hatte, denn es bedeutete bei uns "Die Kaltgeborene".

Auf diese Bedingungen wurden unsere Wohncontainer ausgelegt - Wärmespeicherung und Standhaftigkeit. Der Wohnblock bestand aus vier kleinen Schlafcontainern und einem Gemeinschaftsbad - wer jedoch wollte nachts, in klirrender Kälte auf die Toilette gehen? Davon wurde man krank, und Krank-Sein konnten wir uns absolut nicht leisten. Deswegen wurden wir auch vor der Abreise auf alle Erreger im System geimpft und mussten sogar einen Kurs belegen, um die Symptome zu erkennen und frühzeitig gegenzusteuern. Daher hatte ich knallhart zu meinem obersten Leiter Mr. Honey gesagt: "Entweder jeder Container bekommt ein eigenes kleines Bad oder wir fliegen nicht." Und da sich die GBSG das nicht leisten konnte, wurde meinem Wunsch entsprochen. Allerdings passte der Name "Honey" absolut nicht zu ihm, er war nicht süß und allseits geliebt, er war genau das Gegenteil.

Unsere Wohnungen waren so minimalistisch ausgestattet wie es nur ging. Überhaupt nicht modern, wie wir es von unseren Heimatplaneten kannten. Nichts schwebte, nichts suchte mir mein Outfit aus und ließ es an mir erscheinen, nichts sprach mit mir oder reagierte auf Gesten. Selbst meine Schreibkugel durfte ich nicht mitnehmen. Ich hatte empört reagiert, als man mir das mitgeteilt hatte. Als wäre das alles hier aus einer anderen Ära und als hätte man versucht, es irgendwie noch mit schwarzer Farbe zu retten, was allerdings sehr misslungen war. Wir bekamen den Altmüll von verstorbenen Welten und sollten damit zufrieden sein? Ich schnaubte. Es war, als würden wir erneut lernen müssen, wie man läuft. Keine Dekoration, keine künstlichen Blumen, kein bisschen Farbe: die Container waren kalt und ungemütlich. Jedes Licht mussten wir selbst anschalten und wieder ausmachen, die Kleider zogen sich nicht von allein an und unerträglich still war es auch.

Das alles passte zu diesem Ort, so als wäre er dafür geschaffen. Innen trist, außen trist. Erneut schlich sich ein Seufzer aus meiner Kehle und verklang leise. Das Waschbecken sah ziemlich mitgenommen aus und dennoch stützte ich mich darauf ab. Es machte zwar den Anschein, als kämnte es jeden Moment unter meiner Last auseinaderfallen, aber ich wusste um seine Stabilität. Im Spiegelbild erkannte ich mich nicht wieder. Erschrocken stellte ich fest, dass ich um Jahre gealtert und leblos aussah. Die Augenringe waren so offensichtlich wie schwarze Tinte auf weißem Papier, meine Augen stumpf und glanzlos - müde. Meine Haut zeigte mehr Falten auf, als ich in meinem Alter hätte haben sollen, auch wenn sie klein und für andere vielleicht unscheinbar waren. Man selbst sah seine Makel eher als andere. Ich sah kaputt aus, war des gleichen Ablaufs jeden Tag überdrüssig. Und doch es nützte alles nichts, ich hatte den Job angenommen und musste ihn jetzt auch erledigen. Ich ließ meinen Kopf in den Nacken fallen und atmete tief ein, wappnete mich für einen weiteren monotonen Tag.

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⏰ Last updated: Dec 12, 2023 ⏰

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Lügen aus Azur und MalachitWhere stories live. Discover now