13 - Die Dunkle Gemeinschaft

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Als sie wieder aus ihrer Trance erwachte, bemerkte Dorisa, dass sie auf dem Boden lag. Sie fühlte sich schwach und ausgezehrt, jede Bewegung kostete sie große Mühe. Neben sich konnte sie Tye erkennen, der wie sie sich nur mit großer Anstrengung zum Aufstehen zwingen konnte. Leise murmelte er etwas vor sich hin, doch sie war zu matt um auf das, was er von sich gab, zu achten. Erst bruchstückhaft, dann immer schneller kamen die Erinnerungen an das soeben Geschehene wieder und mit ihnen auch das Entsetzen vor dem, was sie getan hatten. „Tye, was war das? Was haben wir getan?“ fragte Dorisa leise. „Ich weiß’es nich‘, Dori, da muss was in diesem komischen Brot gewesen sein, oder nich'?“ erwiderte Tye. „Ich mein‘, einfach so hätten wir ja nich‘ diesen komischen Widerling angebetet, oder nich‘? Also ich zumindest nich‘ und dir trau ich das auch nich‘ zu.“ Langsam schüttelte sie den Kopf. „Nein, ganz bestimmt nicht…“ Tye hatte es mittlerweile geschafft, sich aufzurichten und hielt ihr nun die Hand entgegen, um sie ebenfalls auf die Beine zu ziehen. Dankbar ergriff sie sie, denn alleine wäre sie wohl noch immer zu erschöpft gewesen. Während sie sich umblickte, erkannte sie in den Gesichtern der Leute um sie herum das gleiche Entsetzen, keiner konnte glauben, was gerade eben passiert war. Was für ein Gift hatte der General benutzt, um sie so hörig, so gefügig gegenüber seinen Anweisungen zu machen? Dorisa hatte noch nie von etwas derartigem gehört. Tye hatte in der Zwischenzeit begonnen, die Reihe, in der sie sich befanden, auf und ab zu gehen und den Leuten auf die Beine zu helfen. Manche schwankten noch, hielten sich jedoch aufrecht und schon folgten manche Tye’s Beispiel, bis schließlich die gesamte Menge wieder auf den Beinen stand. Der General, der sie dabei teilnahmslos beobachtet hatte, schickte sich nun wieder an, das Wort zu ergreifen.

„Ah, das erste Ritual. Welch Wonne und Kraft doch in ihm steckt. Fühlt ihr nicht auch die unglaubliche Macht Angra Mainyus durch euren Körper fließen? Es mag sich wie Schwäche anfühlen, doch glaubt mir, in den nächsten Tagen werdet ihr stärker und stärker werden, eure Körper werden zu Dingen imstande sein, die ihr euch nie zugetraut hättet und alles dank seiner Herrlichkeit und Güte. Für heute sind wir weit genug gekommen, weswegen wir nun hier unser Lager aufschlagen werden. Meine Diener werden Feuer für euch entzünden, die euch in der Nacht warm genug halten sollten. Sie sehen übrigens im Dunkeln noch besser als tagsüber, also würde ich an eurer Stelle nicht versuchen, den Schutz der Nacht als eine gute Gelegenheit zum Fliehen einzuschätzen. Denkt noch einmal über eure eigenen Worte zur Herrlichkeit Angra Mainyus nach, vielleicht findet ja der ein oder andere bereits erste wohlwollende Gedanken gegenüber seinem neuen Gebieter. Ich wünsche allen eine erholsame Nacht, “ schloss er mit seinem üblichen, gemeinen Grinsen. Und tatsächlich, kurze Zeit später erleuchteten mehrere große Feuer den durch die Dämmerung einbrechenden dunklen Himmel. Rasch füllten sich die Plätze außenherum, niemand wollte nachts den kalten Winden, die vom Meer her bliesen, ausgesetzt sein. Auch Dorisa und Tye fanden einen guten Platz inzwischen der Mengen. Ihr Magen knurrte wie verrückt vor Hunger, schließlich hatte sie den ganzen Tag noch nichts außer der vergifteten Speise des Generals gegessen, doch da ihnen kein Essen in Aussicht gestellt worden war, rollte sie sich klein auf ihrem Platz zusammen und schlug die Hände um ihren Körper. Ihr Begleiter stocherte mit einem der Stöcke im Feuer herum, scheinbar ziellos, doch nach einiger Zeit sah sie, dass er immer wieder Steine, die das Feuer davon hinderten, sich auszubreiten, in die Glut schob. „Warum machst du das?“ fragte Dorisa irgendwann flüsternd. „Du wirst schon seh’n, das is‘ ne starke Sache, die ich da mach‘,“ antwortete er mit einem Zwinkern, und Dorisa beließ es vorerst dabei.

Sie hatte wieder die Lust noch die Energie, sich auf irgendetwas zu konzentrieren oder über einen eventuellen Sinn oder Unsinn in seinen Aktionen nachzudenken und so fing sie wieder an, in die flackernden Flammen des hell lodernden Feuers zu starren. Die Hitze auf ihrem Gesicht war angenehm, sie mochte sie, im Gegensatz zu vielen der Bewohner Merediths, die die angenehme Kühle des Wassers bevorzugten. Als sie ein Kind war, hatte sie ihr Vater ab und zu in die Vulkangebiete Nuriels mitgenommen, wo sie staunend riesige Lavafälle, Feuerfontänen und andere Naturspektakel genossen hatte. Die Erinnerung daran gab ihr etwas Hoffnung und ließ sie, zumindest etwas beruhigt, die Augen schließen. Fast wäre sie eingenickt, doch dann spürte sie eine Berührung an ihren Beinen. Als sie hinunterblickte, sah sie, wie Tye mit einem Stock eine Kuhle in den Sand grub und schließlich die Steine, die er vorher ins Feuer gelegt hatte, hineinwarf. Als er alle glühenden Steine in der Vertiefung versenkt hatte, begann er sie mit Sand wieder zu verschließen. „So hab’n wir die ganze Nacht ´nen warmen Boden, auf dem wir schlaf’n können, oder nich‘?“ sagte er stolz. „Selbst wenn das Feuer ausgeht, un‘ ich schätz ma‘, das die nich‘ allzuviel Wert darauf legen, das wir’s hier sonderlich gemütlich hab’n, is‘ uns warm. Hab ich auf Wanderschaft von ´nem alten Kerl gelernt, der hatte gut was auf’m Kasten!“ Dorisa war kurz stutzig, doch dann verstand sie seine Idee und war begeistert. Lächelnd nickte sie ihm zu, während er sich bereits dran machte, die gleichen Modifikationen an seinem Schlafplatz vorzunehmen. Müde und kurz vor dem Einschlafen streckte sich Dorisa auf ihrer neu entworfenen Liege aus und tatsächlich, sie konnte die Wärme der Steine angenehm wohlig warm an ihrem Rücken spüren, während die Hitze des Feuers sich wie eine Decke über sie ausbreitete. Angestrengt von den Strapazen des Tages schloss sie die Augen und war im Handumdrehen eingeschlafen.

Die Magie der ElementeWhere stories live. Discover now