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Meine Tränen vermischten sich mit dem Wasser aus dem Duschkopf. Was ist nur los mit mir? Mein ganzer Körper zitterte. Es ist nur Wasser, warum hab ich nur so Angst davor? Als ich endlich meine Haare von dem Schaum befreit hatte, stieg ich aus der Dusche und wickelte mich in ein Handtuch ein. Es hatte bestimmt eine Stunde gedauert, bis ich mich überhaupt in die Dusche getraut hab. Das ist doch alles scheiße. Schnell wischte ich mir die Tränen weg und begann meine Haare zu trocken. Obwohl ich eigentlich nicht schlafen wollte, bin ich dann doch irgendwann auf Jakes Schoß eingeschlafen. Es war eine richtige scheiß Nacht. Ich bin total oft aufgewacht, weil ich schlecht geträumt hatte. Jake hat mich immer wieder beruhigt, aber es hat wieder eine Ewigkeit gedauert, bis ich wieder eingeschlafen bin. Außer Duschen habe ich bis jetzt nichts gemacht, aber ich bin trotzdem total erschöpft. Ich zog mir eine schwarze Leggings und einen dünnen Pullover an. Meine Haare ließ ich offen, damit sie trocken können. Ich nahm mein Handy und setzte mich auf meine Couch. Es war schon 1pm. Das wird ein toller Heiligabend. Am liebsten würde ich den ganzen Tag in meinem Zimmer bleiben. Ich hatte total viele Nachrichten von Kathy auf meinem Handy. An sie hatte ich gar nicht mehr gedacht. Gerade als ich ihr antworten wollte, kam Cole in mein Zimmer und setzte sich neben mich. „Fertig mit duschen?", fragte er und lächelte mich an. Langsam nickte ich. Sein Gesichtsausdruck wurde ernst und er meinte „wir müssen in mein Büro gehen, um ein paar Sachen zu klären". Ich schüttelte den Kopf. „Ich weiß, dass du nicht willst, aber es geht nicht anders", sagte mein Bruder. Warum? Ich will nicht, wieso müssen wir jetzt in sein Büro? Zögerlich stand ich auf und lief zu meinem Ankleideraum. Ich nahm einen oversized Hoodie und zog ihn über meinen dünnen Pulli. Meine feuchten Haare band ich zu einem Zopf zusammen. Am liebsten würde ich einfach den ganzen Tag im Bett bleiben. „Es geht auch schnell", sagte Cole aufmunternd, als ich neben ihm stand. Wir liefen die Treppen runter und ich zog meine Schuhe an. Cole öffnete die Haustüre und lief zu seinem Auto. Ich wollte ihm hinterher, aber ich stoppte an der Türschwelle. Meine Füße wollten mich nicht darüber tragen. Kalte Luft wehte mir ins Gesicht. Ich ließ meinen Blick über den Hof schweifen. Das Tor, welches das Grundstück von der Straße trennte, war noch geschlossen. Bis auf Cole war niemand zu sehen. Ich kann da nicht raus. Im Haus bin ich sicher, da kann nichts passieren, aber draußen? Was ist, wenn der Mann plötzlich auftaucht? Ich wäre ihm schutzlos ausgeliefert. Mein Hals wurde trocken und ich spürte wie sich Angst in mir breit machte. „Ich weiß, dass du Angst hast, es ist auch vollkommen berechtigt, aber ich verspreche dir, dass dir nichts passieren wird. Ich bin die ganze Zeit bei dir und passe auf dich auf" sagte Cole, der plötzlich wieder vor mir stand. Ich weiß, dass ich eigentlich keine Angst haben brauch, aber ich bin trotzdem voll damit. Okay, ich muss aufhören, mich so anzustellen. Mit wackligen Beinen trat ich aus dem Haus heraus. Es fühlte sich an als würde ich aus dem sichern Haus in die kalte, gefährliche Welt hinaustreten. Schnell lief ich zu Cole's Auto und setzte mich auf den Beifahrersitz. Als er aus dem Hof und auf die Straße fuhr, sah ich ein Polizeiauto direkt neben unserer Einfahrt stehen. Was machen die da? Die ganze Autofahrt spielte ich nervös mit meinen Händen herum. Mein Bruder parkte direkt vor dem Gebäude. Unsicher blickte ich aus dem Fenster. Es waren so viele Menschen auf dem großen Platz vor dem FBI Gebäude. Viele Polizisten, aber auch viele andere Leute. Er könnte hier sein und ich würde ihn wahrscheinlich noch nicht einmal sehen unter den ganzen Leuten. Plötzlich ging die Beifahrertüre auf und ich blickte in Cole's Gesicht. „Ich bin da, es kann dir nichts passieren", sagte er. Mit kalten, zittrigen Händen schnallte ich mich ab und betrat erneut die kalte, gefährlich Welt. Etwas ängstlich umschloss ich Cole's Arm mit meinen Händen, während wir in das Gebäude liefen. Wie auch draußen war es hier voller Menschen. Wir liefen zu dem Aufzug und fuhren zwei Stockwerke höher. Als wir in den Flur traten, stieg der Geruch von Desinfektionsmittel in meine Nase. Wo sind wir? Bevor ich noch mehr darüber nachdenken konnte, zog Cole mich mehr oder weniger den weißen, hellen Flur entlang und lief dann durch eine offene Türe in einen kleinen, ebenfalls weißen, hellen Raum hinein. An einem Schreibtisch, auf dem ein großer Bildschirm stand, saß eine zierliche Frau und füllte irgendwelche Papiere aus. Als sie uns sah, stand sie sofort auf und lief ein paar Schritte auf uns zu. Nervös sah ich mich um. Außer einer schwarzen Liege und dem Schreibtisch war der Raum sonst komplett leer. „Hallo, ich bin Mrs Xin" stellte sich die Frau vor und lächelte mich an. Sie war nicht ganz so groß, hatte schulterlange, schwarze Haare und einen dunkleren Hautton. Sie war vielleicht Ende 50 und sah eigentlich sehr nett aus. Trotzdem würde ich am liebsten schnell wegrennen. Mrs Xin schloss die Türe und sagte zu mir „Du kannst dich gerne schon mal auf die Liege setzten". Ich bewegte mich keinen Zentimeter. Warum soll ich mich auf die Liege setzten? Was machen wir hier? „Du kannst ganz ruhig bleiben, komm, setz dich hin und ich erkläre dir alles", sagte mein Bruder, während er mich sanft zu der Liege schob. Widerwillig setzte ich mich hin. Cole stellte sich vor mich und sagte „wir brauchen Beweisfotos, dass wir vor Gericht beweisen, können, was passiert ist. Deshalb wird Mrs Xin Bilder machen, von deinem Hals, deinen Handgelenken usw.. Sie wird nur Bilder machen und dann können wir schon wieder gehen". Bevor ich darüber nachdenken konnte, sagte Mrs Xin „genau. Ich kann dir ansehen, wie unwohl du dich fühlst. Ich werde dich nicht berühren, ich werde nur Bilder machen. Dein Bruder wird auch die ganze Zeit hier bleiben. Wenn du bereit bist, würde ich dich bitten, dass du dich ausziehst, deine Unterwäsche kannst du natürlich anbehalten. Dann müsstest du kurz aufstehen, ich werde mir erstmal kurz deinen Körper anschauen und dann Bilder machen. Wenn du eine Pause brauchst oder dir das zu viel wird, sag es mir direkt, das ist kein Problem" sagte sie lächelnd. Warum muss das jetzt sein? Ich will doch einfach nur in mein Bett. „Wenn es nicht wirklich wichtig wäre, dann würden wir es lassen, aber es geht leider nicht anders", sagte Cole. Mit zittrigen Fingern zog ich schnell meinen Pulli und meine Leggings aus. Ich will das einfach nur hinter mich bringen. „Okay, das klappt ja schon sehr gut. Würdest du bitte aufstehen" sagte Mrs Xin. Als ich schließlich vor ihr stand, bat sie mich noch meine Handgelenke zu heben und mich einmal zu drehen. Die ganze Zeit starrte ich an die Decke. Ich will meine Handgelenke nicht sehen, genauso wenig wie den Rest meines Körpers. Ich will die blauen Flecken, die roten Striemen und die Fessel spuren einfach nicht sehen. Es reicht, dass es schon die ganze Zeit weh tat, ich kann das einfach nicht sehen. Nach kurzer Zeit holte sie eine kleine, schwarze Kamera heraus und begann, unter den wachsamen Augen vom Cole, Bilder zu machen. Warum war ich so dumm und bin auf die Party gegangen? Ich hätte mir das alles selber ersparen können. Ich war, froh als wir endlich wieder zu Hause waren. Aus der Küche kamen die Stimmen der Zwillinge. Natürlich waren sie mal wieder am Streiten. Ich ignorierte es und lief ins Wohnzimmer. Liam saß auf der Couch und war am Zocken. Vor dem Weihnachtsbaum standen Kisten mit Dekoration drin. Wie sehr ich mir wünschte, dass mom jetzt hier wäre und wir ihn gemeinsam schmücken. „Ich weiß, dass du es immer mit mom gemacht hast, aber vielleicht können wir ja jetzt den Baum zusammen schmücken" riss Liam mich aus meinen Gedanken. Er legte den Controller weg und lief zu den Kisten. „Los komm, alleine mache ich das bestimmt nicht" meinte er grinsend. Liam hasst es den Baum zu schmücken, jedes Jahr hat er einen großen Bogen drum gemacht. Zögerlich lief ich zu ihm und wir packten die Kisten aus. Es waren so viele Erinnerungen, die in mir hochkamen. Ich war echt dankbar das Liam da ist und ich nicht alleine bin. Nach einer Weile waren wir fertig und alle Kugeln, die Lichterkette und halt alles, was wir an Dekoration hatten, hing an dem Baum. „Ich kann einfach alles, Football, Baum dekorieren, gut aussehen, ich bin einfach perfekt", sagte Liam gespielt angeberisch. Ich musste grinsen. „Da kann ja jemand wieder grinsen", sagte er zufrieden. Liam zog mich in seine Arme und meinte „ich bin echt froh, dass dir nicht mehr passiert ist". Ja, bin ich auch. Im Hintergrund stritten sich die Zwillinge immer weiter. „Wenn die jetzt nicht bald ihre klappte halten, sperre ich sie in den Garten" meinte Liam und ließ mich wieder los. Inzwischen war es echt nervig, dass sie ständig am Streiten waren. Liam nahm die leeren Kisten und brachte sie in den Keller. Gerade als ich mich auf die Couch setzten wollte, kam Jake ins Wohnzimmer. „Ihr seid ja schon fertig", sagte er. Ich nickte und setzte mich auf die Couch. Jake kam zu mir und setzte sich neben mich. Schnell kuschelte ich mich auf seinen Schoß. Ich spürte, wie meine Augen immer schwerer wurden. Es geht nicht, ich kann nicht schlafen. Jake strich mir beruhigend über den Kopf. Ich hatte echt Mühe, meine Augen offenzuhalten. „Ich bin da, die ganze Zeit, also kannst du ruhig ein wenig schlafen" meinte mein großer Bruder leise. Nein. Wenn ich schlafe, dann träume ich, aber ich will es doch endlich vergessen...  

Big Brothers 1Where stories live. Discover now