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Prolog

Die laute Musik dröhnte durch den Club. Dutzende Scheinwerfer flackerten in allen möglichen Farben und der Duft von fuseligen Alkohol und billigen Parfums lag in der Luft. Eine gefährliche Mischung für meinen Magen, der in einer Achterbahn zu sitzen schien.

Es war nur eine Frage der Zeit, bis der erste Looping kommen, und mein Magen auf dem Kopf stehen würde. Das mulmige Gefühl breitete sich immer weiter aus. Meine Knie wurden weich und meine Finger zittrig. Der Raum um mich herum fing an sich zu drehen. Mein Raum-Zeit Empfinden verschwamm und aus meinem Mund kamen nur noch unverständliche Worte, die wirr aneinander gereiht waren.

"Alles in Ordnung bei dir?" Die Stimme klang weit entfernt und doch so nah. Eine Hand legte sich auf meine Schulter und ich zuckte erschrocken zusammen. Wie ferngesteuert lief ich auf die Bar zu und ließ mich auf einen der Barhocker fallen. Nun war es soweit. Das Zeug fing an zu wirken und jetzt musste ich nur noch darauf warten, bis diese erste Phase überwunden ist.

"Beruhig dich. Steiger dich nicht hinein und du wirst sehen, dass wird das beste Gefühl deines Lebens" Die Stimme neben mir klang plötzlich viel tiefer als vorhin. Die Berührung auf meiner Schulter fühlte sich an wie ein loderndes Feuer unter meiner Haut. Der Barkeeper vor mir lehnte sich auf die Theke und musterte mich verwirrt. "Ist sie okay?" Er wandte sich an das Mädchen neben mir, die ihm versichernd zunickte. Der dunkelhaarige Barkeeper runzelte nur die Stirn und schielte noch einmal kurz über seine Schulter. Sein Kopf wurde immer größer und größer, bis er kurz davor war zu platzen.

Erschrocken riss ich die Augen auf und hielt mich am Tresen fest. War das real? Oder waren das die Drogen, die durch mein Blut schossen und die Macht hatten, jeden meiner Sinne zu beeinflussen? Es fühlte sich merkwürdig, aber doch perfekt an. Wie Schwerelosigkeit. Ich lag auf einer riesig großen, weißen Wolke und trieb auf ihr durch die Nacht.

Zack. Die Wolke platzte direkt unter mir. Verpuffte in der Luft. Ich stürtzte in die Tiefe. Der Wind des freien Falls schlug mir entgegen und ich schnappte geschockt nach Luft. Ich fiel und fiel immer weiter. Es schien keinen Boden unter mir zu geben. "Hey! Hallo! Was ist los?" Ich zuckte zusammen und blinzelte verwirrt.

Wie aus dem Nichts saß ich wieder an der Bar in dem überfüllten neuen Club in der Downtown. Wie lang saß ich hier schon? Waren es Minuten, oder doch schon Stunden? "Mir geht es gut", murmelte ich, nachdem ich meine Stimme wieder zurück erlangt hatte. Meine eigene Stimme hörte sich so weit entfernt an, als käme sie gar nicht aus meinem Körper.

Ich blickte hinunter auf meine Hände. Meine Finger wurden immer länger, bis ich damit jemand aufspießen hätte können. Außer meine Daumen schienen zu schrumpfen, anstatt auf wundersame Weise zu wachsen. Was zum Geier? Verwirrt schüttelte ich den Kopf und rieb mir die Augen.

Normal. Alles sah wieder normal aus. Keine überdimensional großen Köpfe, keine langen Finger und auch keine großen Wolken. Aber woher weiß ich, was real ist und was nicht? Ich atmete tief durch. Wieder stieg mir dieser gefährliche Duftmix aus Alkohol und After-Shave in die Nase, der in mir einen leichten Würgereiz auslöste. "Ich muss kurz an die frische Luft..."

Mit wackeligen Knien rutschte ich von dem Barhocker und trottete langsam durch den halben Raum, bis nach hinten zum Ausgang. Die Leute um mich herum bewegten sich in Zeitlupe. Es war, als wäre die Welt stehen geblieben, oder zumindest verlangsamt. "Davina!", rief eine flüsternde Stimme aus der Luft. Ich fuhr umher. Niemand schien sich für mich zu interessieren. Die meisten tanzten, manche tranken und einige vesuchten ihr Glück beim anderen Geschlecht.

"Komm her!", rief die Stimme erneut. Wieder sah ich mich um. Die Leute um mich herum unterbrachen ihre Tätigkeiten und drehten sich in meine Richtung. Sie standen wortlos vor mir und starrten mich an. Ihre Augen wurden größer und größer. Ich schluckte nervös. Langsam fing die Sache an mir Angst zu machen. Heute Morgen hatte ich mich noch auf diesen Abend gefreut. Doch jetzt sah die Sache anders aus.

Es machte mir Angst, nicht mehr Herr meiner Sinne zu sein und die Kontrolle abgeben zu müssen. Sadie hatte mir nicht gesagt, dass es so schlimm werden würde.

Ich versuchte die großäugigen Partygäste zu ignorieren und setzte meinen Weg fort. Zwar hatte ich schon wieder vergessen, weswegen ich überhaupt aufgestanden war, doch eine unsichtbare Kraft trieb mich nach draußen.

Ich drückte die schwere Ausgangstür auf und stolperte ins Freie. Frische Luft peitschte mir entgegen und verpasste mir eine saftige Ohrfeige. Unkontrolliert taumelte ich hin und her. "Wow, alles gut?" Zwei starke Arme fingen mich auf und bewahrten mich vor dem harten Aufprall auf dem kalten Asphalt. "D...danke", stotterte ich leise vor mich hin. Ich rieb mir die Stirn und kniff die Augen zusammen.

Rund um mich herum hörte ich leise Stimmen, die tuschelten und flüsterten. Ich hatte das Gefühl sie redeten über mich. Sie tratschten und lachten. Ich richtete mich auf. Unauffällig sah ich mich um. Alle musterten mich mit abfälligen Blicken, bevor sie leise anfingen zu lachen.

"Was lacht ihr so dumm?", rief ich laut und befreite mich aus den Armen, die mich aufgefangen hatten. Die Mädchen vor mir drehten sich zu mir um. "Wie bitte?" Ich nickte lachend und ging einen großen Schritt auf sie zu. "Findest du mich lustig?" Sie hob unschuldig die Hände. Ihre Freundinnen wichen alle einen Schritt beiseite. "Was ist dein Problem? Hast du Wahnvorstellungen?" Ja. Genau das war das Problem. Ich wusste nicht mehr, was real war und was ich mir nur einbildete. Es war unmöglich die Realität von den Halluzinationen zu unterscheiden.

Von einen Moment auf den anderen war diese ganze Sache plötzlich nicht mehr lustig und aufregend, sondern Angst einflößend und unheimlich. Als hätte jemand einen Schalter in mir umgelegt. Auf der einen Seite Regenbögen, weiße Wolken und Einhörner und auf der anderen Seite dunkle Schatten, riesige Köpfe und unheimliche Stimmen.

"Komm mit. Komm mit mir." Eine Hand packte mich am Unterarm und ich wurde nach hinten gezogen. Die paar Mädchen musterten mich ängstlich. Ich drehte ihnen den Rücken zu. "Wohin gehen wir?", fragte ich den Unbekannten und torkelte ihm hinterher. "Keine Sorge. Alles wird wieder gut."

Ich glaubte ihm. Irgendwie spürte ich, dass es ein Fehler war, doch ich ignorierte dieses Gefühl. Es war mir schlichtweg egal, obwohl ich genau wusste, was für ein Risiko ich gerade einging. "Wer bist du? Kenne ich dich?" Der Fremde lief mit mir zu seinem Auto und öffnete die Fahrertür für mich. Ich stieg ohne zu zögern in das Auto ein.

"Natürlich kennst du mich. Ich bin ein guter Freund von Sadie. Sie hat mich angerufen und gefragt, ob ich dich abholen könnte." Meine Augen wurden groß und ich warf ihm einen überraschten Blick zu. Ein Freund von Sadie? Ich kannte Sadies Freunde und dieses Gesicht hatte ich noch nie zuvor gesehen. Doch vielleicht kannten sie sich noch nicht allzu lange, weshalb wir uns noch nicht kennenlernen konnten.

Der Motor des Wagens heulte auf und wir waren so schnell verschwunden, wie dieser Typ vorhin aufgetaucht war.

Draußen war es stockdunkel. Der Mond stand hoch am Himmel und sein hellblaues, unheimliches Licht fiel auf uns herab. Der Wagen raste mit enormer Geschwindigkeit über den Highway, sodass ich kurz davor war mich festzuhalten. Es kam mir vor, als würden wir jeden Moment vom Boden abheben. Wie ein Flugzeug, kurz nach dem Start.

Ich hatte Angst. Die Straße vor uns schien immer länger zu werden und es war kein Ende in Sicht. Es war wortwörtlich der Highway ins Nichts. Vielleicht war am Ende ein großes schwarzes Loch, das jegliches Licht und alles um sich herum in sich verschlang? Oder ein Abgrund, den wir hinunterfallen würden, sollten wir nicht früh genug stehen bleiben.

Plötzlich fiel eine große helle Kugel vom Himmel. Erschrocken schnappte ich nach Luft und lehnte mich nach vorne. Ich blickte hinauf in den Himmel. Tatsächlich. Der Mond war verschwunden. Wie vom Erdboden verschluckt. Und auch die Sterne waren verblasst. Der Himmel war rabenschwarz, ohne einen Funken Licht. Ich schluckte erneut. Die Dunkelheit übermannte mich. Sie wollte mich in sich verschlingen. Und ich durfte ihr nicht die Macht dazu geben.

"Wir sind da" Die Stimme riss mich aus dem Film, in dem ich gerade abgedriftet war. Sofort blickte ich durch das Fenster nach oben. Der Mond war wieder dort, wo er sein sollte und auch die Sterne funkelten wieder hell am Himmel. Verwirrt runzelte ich die Stirn. Was war passiert? Wie lang saß ich nun schon in diesem Auto und wohin sind wir überhaupt gefahren?

"Wo sind wir hier...?"

Deadly MissionDonde viven las historias. Descúbrelo ahora