Kapitel 13.2

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Die urbane Landschaft verlor sich schon nach wenigen Minuten Fahrt zu einer hügeligen Weite, die einem Bilderbuch hätte entspringen können. Saftige Palmen anstatt von Kiefern, kleine, wollige Schafe, die wie Wattewölkchen das Grasmeer besprenkelten, anstelle von Maisfeldern und das glitzernde Meer am Horizont verdeutlichten mir aufs Neue, wofür ich Neuseeland liebte. Mit jedem Tag, den ich hier verbrachte, war ich sicherer, dass dieses Fleckchen Erde dem Garten Eden gar nicht so unähnlich sein musste.

Ich spürte Blakes Blick auf meiner Haut prickeln und wandte mich ihm fragend zu. Er fixierte im gleichen Moment wieder mit einem leicht belustigten, zufriedenen Lächeln auf den Lippen die Fahrbahn. Eine wohlige Hitze stieg in mir auf und jetzt war ich es, die sein Gesicht, die klare Kontur seines Kiefers und den sanften Schwung seiner Lippen, nicht mehr aus den Augen lassen konnte. In dem Licht der tiefstehenden Sonne wirkten seine Augen noch heller als sonst, sein dunkles Haar, auch an Wimpern und Brauen, bildete einen scharfen Kontrast zu dem grünen Funkeln, das von ihnen ausging.

„Ich finde es faszinierend, wie du die Natur in dich aufzusaugen scheinst", richtete Blake das Wort an mich, baute erneut einen kurzen Kontakt zu meinen Augen auf und enttarnte dabei meinen Blick, der auf allem Möglichem, ganz sicher aber nicht auf dem von ihm Beschriebenen haftete.

Einen Moment stockte ich ertappt, fing mich aber relativ schnell wieder und hoffte, überzeugend genug improvisieren zu können, um mir nicht anmerken zu lassen, dass ich die Landschaft zwar spektakulär fand, von meinem hübschen Beifahrer allerdings um einiges faszinierter war.

„Ich kann nicht anders", gestand ich, nicht sicher, ob ich tatsächlich die Landschaft, oder eher ihn selbst meinte.

„Aber wenn es das Paradies tatsächlich gibt, stelle ich es mir genauso vor", ergänzte ich und schaute erst auf unsere noch immer miteinander verschränkten Finger, ehe ich meinen Blick erneut aus dem Fenster über die leuchtenden Täler schweifen ließ.

Blake drückte meine Hand ein wenig fester, fuhr in einem steten, unbestimmten Rhythmus kleine Kreise auf meinem Handrücken nach. Seine Fingerspitzen waren beinahe ein wenig kühl, während der Rest seiner Hand sich warm und ein etwas rau anfühlte. Ich spürte seine Wärme durch den Stoff meines Kleides bis auf meinen Oberschenkel, auf dem unsere Hände gemeinsam ruhten. Die Haut darunter schien heiß und empfindlich und ich hätte gerne gewusst, wie es sich angefühlt hätte, würde er jetzt behutsam darüberstreichen und sie mit leichtem Druck massieren, so wie er es jetzt gerade mit meiner Hand tat. Ich atmete langsam aus, musste meine Gedanken wieder etwas zu Ruhe bringen. Nicht, dass...

Ich wollte gar nicht darüber nachdenken, wie das hier ansonsten enden mochte.

„Wir haben wohl eine ziemlich ähnliche Vorstellung von unserem Utopia", mutmaßte Blake lächelnd und mit verheißungsvoll durchdringendem Blick, ehe er sich wieder auf die Straße konzentrieren musste.

Wir fuhren noch etwa zehn Minuten über das kurvige Auf und Ab des Highways, ehe wir in eine kleinere Straße zu unserer Rechten abbogen. Die Sonne hatte inzwischen einen tieferen Stand erreicht. Sie funkelte groß und golden über den Weiden und tauchte die Landschaft in ein warmes Licht, als würde sie den Tag mit einer letzten, liebevollen Umarmung verabschieden wollen. In etwa einer Stunde würde sie wahrscheinlich ganz hinter den Hügeln versunken sein.

Der Wagen rumpelte über eine Schotterpiste, die mitten durch einen verwunschenen Märchenwald zu führen schien und wenig später wieder hinaus, über einen sandigen Weg, zwischen Palmen und Schilf hindurch, bis wir schließlich um eine Kurve bogen und mir der Atem stockte.

„Da wären wir", verkündete Blake stolz, als wir auf einer freien Fläche, die beinahe wie ein Parkplatz angelegt zu sein schien, hielten. Durch die Frontscheibe erblickte ich einen gewaltigen Felsen, der etwa zwanzig Meter vom Boden in den Himmel ragte. Zu seinen Füßen ergoss sich ein breiter Küstenstreifen. Bis ans Wasser waren es mit Sicherheit über dreißig Meter und wie weit man an diesem Strand wohl laufen konnte... Es war unmöglich zu sagen. Der feine Sand erstreckte sich soweit das Auge reichte. Völlig gebannt von dem Naturschauspiel, das sich direkt vor mir auftat, öffnete ich die Autotür und setzte ehrfürchtig, beinahe in einer Art Trance gefangen, die Füße auf dem weichen, von der Abendsonne gewärmten Untergrund auf.

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