Sieben goldene Regeln des Lebens | Shortstory

Regel Nummer 3

Überall waren Uhren. Große und kleine, manche aufwendig verziert, andere sehr schlicht. Ihre Zeiger drehten sich unaufhörlich um ihren Mittelpunkt, immer und immer wieder. Manche langsam, andere schneller.

Keine von ihnen sah aus wie eine andere. Keine von ihnen zeigte die selbe Uhrzeit an wie eine andere. Hätte sie es nicht so wunderschön gefunden, hätte sie den Besitzer wohl für verrückt erklärt.

Was brachten ihm Uhren, die nicht die richtige Zeit anzeigen konnten?

Doch was war überhaupt die richtige Zeit? Umgeben von all diesen unterschiedlichen, tickenden Uhren war ihr Sinn auf einmal ein ganz anderer. 

Was würde passieren, wenn eine dieser Uhren aufhören würde, ihre Zeiger immerfort zu drehen? Blieb dann die Zeit stehen?

Doch welche Zeit war es überhaupt?

All diese Uhren erinnerten sie an die vielen Menschen, die auf der Erde lebten. Jeder von ihnen hatte  seine eigene Zeit. Vielleicht hatte jeder von ihnen hier seine eigene Uhr.

Dann müsste auch ihre eigene hier zu finden sein. Suchend sah sie sich in den Räumen und Fluren um. Von überall erklang Klicken und Ticken. Doch musste ihre Uhr nicht still sein? Ihr Leben stand doch still. Dann mussten auch die Zeiger ihrer Uhr ruhen.

Ihre Blicke wanderten weiter hastig über das reflektierende Glas und das glänzende Gold. Sanfte Vorhänge wehten im Lufthauch der offenen Fenster. So weit sie auch lief, sie konnte ihre Uhr nicht finden. Alle Zeiger bewegten sich. Fortwährend. In ihrem eigenen Rhythmus.

Sie drehte sich verzweifelt um sich selbst, als ihr Blick an ihm hängen blieb. Er stand mit dem Rücken zu ihr und betrachtete ruhig eine unscheinbare Taschenuhr, die auf einer Anrichte gegen ein Seidenkissen lehnte.

Still ging sie auf ihn zu und stellte sich neben ihn. Auch diese Uhr tickte leise vor sich hin. Kaum war der Klang ihrer Zahnräder zu hören. Es schien, als würde es ihr schwer fallen, sich weiterzudrehen. Als gäbe es eine enorme Last, die nicht von ihr weichen wollte. Doch sie blieb nicht stehen.

"Regel Nummer drei", unterbrach er das Ticken. Sie wandte sich ihm zu, behielt die zierliche Uhr aber im Auge.

"Die Zeit läuft weiter."

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-Joiy