25. Zwischen Liebe und Wahnsinn

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Entsetzt schnappte ich nach Luft, aber Newts Hände an meiner Kehle waren einfach zu stark. Ich konnte nur röcheln und versuchen, nicht auf der Stelle ohnmächtig zu werden.
Würde Shepherd zulassen, dass er mich umbrachte, jetzt wo sie doch Thomas hatte? War Averys Entscheidung, ihn doch gefangen zu nehmen, mein Todesurteil gewesen?
Nein. Das hier war nicht irgendein Crank, der sinnlos tötete, das hier war mein Freund, meine große Liebe. Und ich würde heute nicht sterben. Nicht hier. Nicht so.
Da kamen mir Worte in den Sinn, Worte, die Newt einmal zu mir gesagt hatte, damals auf dem Dach des Parkhauses, vor den Mauern der letzten Stadt.
„Ich möchte dir auch etwas versprechen. Ich verspreche dir, dass ich dir niemals etwas tun werde, hörst du? Ganz egal, was mit mir passiert, ich werde dir nie wehtun. Vertraust du mir?"
"Newt!", stieß ich krächzend und röchelnd hervor.
Er hielt kurz inne und lockerte seinen Griff. Zwar nur für einen Augenblick, aber lange genug, dass ich mich aus seiner Umklammerung befreien konnte. Blitzschnell war ich auf den Beinen und auf der anderen Seite der Zelle, sodass ich ein wenig Abstand zwischen ihn und mich bringen konnte. Dann hob ich beschwichtigend die Hände.
"Newt?", fragte ich jetzt.
Er gab ein merkwürdiges Gurgeln von sich und mein Herz schien zu zerspringen, als ich seine glasigen, blutunterlaufenen Augen und die dunklen Adern auf seinem Hals und seinen Armen genauer betrachtete. Aber er lebte. Er stand wirklich und wahrhaftig vor mir, er atmete. Er war in dieser schrecklichen Nacht nicht gestorben. Und diese Tatsache gab mir das Gefühl, dass die Welt doch nicht völlig sinnlos war.
"Newt, ich bin's...", versuchte ich es ein weiteres Mal.
Wieder gab er animalische Geräusche von sich, bevor er ein weiteres Mal auf mich zusprang. Nur war ich jetzt vorbereitet. Anstatt mich wieder von ihm gegen die Wand oder auf den Boden drücken zu lassen, nutzte ich seinen Schwung aus, um mich einmal mit ihn zusammen zu überschlagen und oben zu landen. Ich verlagerte mein gesamtes Gewicht auf seinen Oberkörper, stemmte die Knie und Füße auf den Boden, griff seine Unterarme und drückte sie ebenfalls herunter.
"Hey, beruhig dich jetzt, ja?"
Meine Stimme war ruhig, aber bestimmend. Und dieses Mal schien er mich zu erkennen.
"Sieh mich an, Newt. Ich bin es. Ich bin hier."
Er atmete rasselnd und starrte mich an. Zuerst noch mit diesem wilden Blick, dann immer weicher. Dabei gab er einen Laut von sich, der beinahe wie ein "Anna" klang.
"Ja. Ja, ich bin es. Anna. Deine Anna."
Seine Augen wurden immer größer und sein Widerstand gegen meine Hände und meinen Körper immer geringer. Es war, als verstände er langsam, wen er da vor sich hatte, als kämen die Erinnerungen zurück. Und desto länger wir uns so anstarrten, desto klarer wurde auch sein Blick.
"Anna!", keuchte er und ich konnte seine Stimme unter dem Gurgeln des Virus' erkennen.
"Ja, Newt. Ja. Ich bin es."
Vorsichtig lockerte ich meinen Griff um seine Handgelenke und wartete ab, was er tun würde, bereit, sofort wieder die Kontrolle zu übernehmen.
Aber es passierte nichts. Noch immer starrte er mich mit großen Augen an, die zwar noch immer nicht gänzlich ihre alte Farbe angenommen hatten, aber immer mehr von dem Braun, das ich so liebte, zeigten.
Langsam stand ich auf und verzog mich in eine Ecke neben der Tür, hinter der ich noch immer Shepherd vermutete. Newt richtete sich zitternd auf und kam auf die Füße, blieb allerdings einen Moment in der Hocke sitzen, bevor er gänzlich aufstand. Ich konnte sehen, wie er ständig gegen den Virus ankämpfte, der ihn immer wieder zu übermannen drohte. Aber er blieb stark, als gäbe meine Anwesenheit ihm diese Stärke.
"Es tut mir leid...", röchelte er, wobei beinahe schwarzes Blut aus seinem linken Mundwinkel lief und sein Kinn herunterrann.
"Es gibt nichts, was dir leidtun müsste. Ich habe dich alleine gelassen. Aber jetzt wird alles gut, hörst du? Ich kann dich retten."
"Nein, du verstehst nicht..." Der Rest des Satzes war ein unverständliches Gluckern.
"Was?", fragte ich.
"Ich... ich kann nicht."
"Was meinst du, Newt? Alles wird gut. Wir werden dir helfen."
Er schüttelte sich und sein Kopf zuckte ein paar Mal unkontrolliert. "Ich kann es nicht länger aufhalten." Wieder gurgelte er und nun zuckten auch seine Arme, wie ich es schon so oft bei Cranks gesehen hatte.
"Geh jetzt. Bitte..."
Ich machte einen Schritt auf ihn zu, ohne darüber nachzudenken, was ich da tat.
"Geh!", brüllte er mich jetzt an.
Im nächsten Moment hechtete er auf mich zu, wild um sich schlagend. Mir blieb nichts anderes übrig, als zurückzuweichen. Dieses Mal war ich nicht vorbereitet gewesen und würde nicht in der Lage sein, ihn zu überlisten.
Als ich gerade die kalte Scheibe hinter mir mit meinen Händen berührte und schon die Augen schließen und auf die Hände an meiner Kehle warten wollte, glitt diese plötzlich weg und ich fiel rückwärts aus der Zelle heraus in das Labor. Ziemlich unsanft landete ich nun ein zweites Mal in dieser Nacht auf dem Hintern und gab ein überraschtes Glucksen von mir.
Shepherd schloss die Tür sofort wieder, sodass Newt gegen die Scheibe sprang und nun begann, wild daran zu kratzen, wie die anderen Infizierten es bereits seit meiner Ankunft in diesem Raum taten.
"Faszinierend", stellte die Ärztin fest, als sie mit in die Hüften gestemmten Händen von ihm zu mir herunter sah. "Er hat dich tatsächlich erkannt."
"Es geht ihm schlecht", entgegnete ich und erhob mich, wobei ich mir das Steißbein rieb, das mir ziemlich schmerzte, nachdem ich zweimal darauf gefallen war.
"Und du wirst dafür sorgen, dass es ihm wieder gut geht. Wir sollten sofort beginnen. Keine Simulation für's Erste. Ich will sehen, was passiert, wenn ich ein Serum aus deinem ganz normalen und unveränderten Blut herstelle. Mal schauen, ob du genauso eine heilende Wirkung auf Newt hast, wie dein Bruder auf eure kleine Freundin."
Bereitwillig folgte ich ihr zu einer Liege, auf der sie mich Platz nehmen ließ. Während sie mir Blut abnahm und es mit anderen Substanzen vermischte, sodass das blaue Serum entstand, das ich zuletzt bei Thomas gesehen hatte und das mir damals kurz vor meinem Ziel auf dem Boden zersprungen war, fragte ich mich, warum keine Wachen bei uns waren. Dachte Shepherd, dass ich keine Gefahr für sie darstellte oder war sie einfach nur unvorsichtig?
Doch da wurde mir bewusst, dass ich tatsächlich nicht gefährlich war. Nicht, solange Newt nur wenige Meter von mir entfernt in einer Zelle saß und jetzt wieder die Beine angezogen hatte und sich vor und zurück wiegte. Solange sie ihn hatten und solange sie Thomas hatten, würde ich tun, was immer sie auch von mir verlangte.

Till The WICKED End | A Maze Runner StoryWhere stories live. Discover now