Kapitel 3

76 3 0
                                    

Als Anhang von Felix folgte ich ihm ins Speisepavillon. Dort setzte er sich grinsend an den Tisch, auf dem eine Fackel zu sehen war. Weitere Kinder und Jugendliche kamen und setzten sich auch an die verschiedenen Tische, nur ich stand da wie bestellt und nicht abgeholt.
"Komm her Chris, dieses eine Mal kannst du dich auch zu mir setzen. Sollte nicht das Problem sein", rief mich Felix zu sich und die anderen an seinem Tisch rückten näher zusammen.
Nervös setzte ich mich dazu und schaute auf meine Hände runter. Irgendwie hatte ich Angst, etwas falsch zu machen und dann auch hier wieder raus zu fliegen.

"Hey Chris, es ist schon alles okay", lächelte mich Felix an und auch mein Gegenüber, ein schwarzhaariges Mädchen lächelte mich freundlich an.
"Unsere Mutter wird jetzt bestimmt nicht ausrasten, wenn jemand anderes hier sitzt."
"Ihr seid alle Geschwister?", fragte ich überrascht. Ich zählte fünf Kids mit mir am Tisch, drei Mädchen und zwei Jungs.
"Halbgeschwister, wir haben alle die gleiche Mutter, Hecate. Frag mich nicht, wie das alles geht, aber Götter sind nun mal ein Rätsel", schmunzelte ein weiterer Junge am Tisch, "ich bin übrigens Erik."
"Christian", murmelte ich und schaute dann zu der großen Gestalt, die sich dem Speisepavillon näherte.
Ich zuckte leicht zusammen, obenrum sah sie aus wie der Lehrer hier, Chiron. Aber er saß nicht in seinem Rollstuhl, sondern auf einem weißen Pferd. Als ich genauer hin sah, saß er nicht auf dem Pferd, er war zur Hälfte das Pferd.

"Er ist ein Zentaur, halb Mensch, halb Pferd", flüsterte mir Felix zu und ich nickte nur leicht.
"Hallo alle zusammen", lächelte Chiron nun in die Runde, "wie schön, dass ihr alle heil wieder da seid. Ich möchte euch kurz unseren Neuling vorstellen. Christian?"
Nervös stand ich auf: "Hier?"
"Ah, da bist du. Also Leute, dass ist Christian. Er hat es glücklicherweise hierher geschafft. Ich hoffe, ihr seid freundlich zu ihm."
"Ist er auch ein Sohn der Hecate oder warum sitzt er da?", fragte ein etwas stämmigeres Mädchen von einem anderen Tisch. An dem saßen mindestens ein dutzend Mädchen und Jungen, alle stämmig und kriegslustig. Als ich die sah, wusste ich, dass ich mich mit denen niemals anlegen wollte.
"Nein, sondern weil keiner außer mir sich auch nur ansatzweise um ihn gekümmert hat. Ich hab ihn hier herum geführt und ihm alles gezeigt. Dann darf er wohl einmal bei mir am Tisch sitzen", erwiderte Felix neben mir und ich merkte, dass er sauer wurde. Um seine Hände bildete sich bereits ein lila Rauch und die anderen am Tisch zogen scharf die Luft ein.
Unsicher schaute ich zwischen Felix und Chiron hin und her: "Ich kann mich aber auch gerne umsetzen. Ich will schließlich keinen Streit anfangen. Also, wo soll ich denn hin?"
"Bleib ruhig sitzen, Junge", sagte Chiron, "Felix, setz dich wieder. Du kennst die Regel, keine dunkle Magie beim Essen."

Junge Damen - sie sahen aus wie Geister - brachten uns jeweils einen vollen Teller mit Essen und mir lief das Wasser im Mund zusammen. Bis zu diesem Moment war mir gar nicht bewusst gewesen, wie hungrig ich eigentlich war. Ich wollte schon zu meiner Gabel greifen und loslegen, als Felix neben mir, meine Hand festhielt.
"Noch nicht. Es ist Sitte und Brauch, dass wir ein Teil des Abendessen den Göttern opfern. Als Dank, dass sie uns beschützen und uns das Leben geschenkt haben."
Auch wenn ich wieder mal verwirrt war, folgte Felix und seinen Geschwistern zur Opferstelle und ließ einen Teil meines Essens in Feuer fallen. In Gedanken, dankte ich Felix' Mutter, dass ich an ihrem Tisch sitzen durfte und hoffte, dass mein Vater mir vielleicht irgendwie ein Zeichen geben könnte.

Während des Essens versuchte ich den fragenden Blicken der anderen zu entgehen. Dabei war ich gleichzeitig neugierig. Warum hatte sich Felix so aufgeregt? Und warum hatten die andern solche eine Angst, als sich um seinen Händen lila Nebel gebildet hatte?

Dann sah ich den blonde Junge, dem wir heute über den Weg gelaufen sind. Erstaunlicherweise saß er nicht alleine an dem Tisch seines Vaters, obwohl es den gab. Nein, er saß an dem Apollo Tisch. Der hatte nämlich eine große Sonne auf dem Brett.
"Was ist eigentlich mit Dzenis?", fragte ich Felix leise und hoffte, dass ich mir den Namen richtig merken konnte.
"Wie meinst du das?"
"Warum er nicht an seinem Tisch sitzt. Ich dachte, dass wäre Pflicht hier."
"Ach so", schmunzelte Felix, "wenn er alleine sitzt, dann passieren voll die komischen Dinge hier. Deswegen sitzt er bei Sergio am Tisch des Apollo. Irgendwas wegen ärztliches Attest oder so. Aber ich glaube, die haben sich einfach nur gern. Sie halten nämlich auch unter dem Tisch immer Händchen."
Ich nickte leicht: "Hab ich schon gesehen. Sie machen das viel zu auffällig, wenn es eigentlich keiner sehen sollte. Aber du sagtest doch vorher Sergio sei der beste Schütze hier im Camp. Jetzt ist der auch noch Arzt?"
"Naja, Apollo ist halt ein Gott, der viele Eigenschaften besitzt, wie du ja weißt. Manche Kinder bekommen dann mehr ab, manche weniger. Aber so ein guter Arzt ist Sergio nicht, er tut immer nur so. Dich zum Beispiel hat Lucille geheilt. Die rotblonde am Tisch", erklärte mir Felix.
Ich nickte nur und schaute rüber. Das Mädchen von dem Felix gerade geredet hatte, grinste mich breit an und hob den Daumen. Vielleicht wollte sie damit sagen, dass ich wieder gut aussah. Oder sie wollte wissen, ob es mir gut ging. Auf jeden Fall hob auch ich den Daumen und sie lachte nur.

Der Sommer im Camp Where stories live. Discover now