#5 alleine [Angst]

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TW: Depressionen, Suizid

„Ich brauche dich so sehr, wo bist du...?"
„Bitte komm zurück"
„Es tut mir so leid"
„Ich wollte das nicht"
„Ich liebe dich.."

Clay zitterte. Tränen strömten seine Wangen hinunter und seine Atmung war am Ende. Sein Herz raste und er hatte Bauchschmerzen, sein Kopf brummte und er war allein. Komplett allein. Niemand war da um ihm zu helfen. Um ihm die Schmerzen zu nehmen. Die Schmerzen die er hatte, seitdem die Liebe seines Lebens versucht hat sich umzubringen.

Alles geschah nach einem dummen Streit.. Er war schon länger psychisch instabil und Clay wusste das. Aber er hätte ja nicht ahnen können, dass sein Freund versuchen würde sich umzubringen..

„Ich vermisse dich.." Schluchzte Clay und fuhr behutsam mit dem Daumen über ein Bild der beiden. Es zeigte sie, glücklich zusammen bei ihrer Bank im Park. Bei der Bank, an der Clay geplant hatte, ihm einen Antrag zu machen..

Clay versuchte aufzustehen. Er saß seit bestimmt zwei Stunden auf dem kalten Boden. Seine Knie schlotterten, als er sich an der Türklinke hochzog und beinahe wieder hinfiel. „Hilfe.."
Er ging in den Flur. Er wusste nicht wo er hinwollte. Als er dann die offene Badezimmertür erblickte, musste sich am Türrahmen festhalten. „Nein" Hauchte er und ging langsam auf das Badezimmer zu. Er zögerte und kämpfte mit sich selbst, ob er den Raum sehen wollte. Schließlich riskierte er dann doch einen Blick, nur um erneut fast das sechste mal heute zusammen zu brechen. Getrocknetes Blut klebte am Boden und am Waschbecken und rote Streifen verzierten die Duschwand. Auf dem Waschbecken lag ein kleiner Zettel.
‚Ich liebe dich, aber ich kann nicht mehr. Es tut mir so leid Clay.'

Clay nahm den Zettel und las die beiden Sätze mehrmals durch. „Ich liebe dich auch und ich werde es immer tun." Sein Blick wanderte durch den Raum. Er betrachtete die Blutspuren eine Weile und fühlte sich mit jedem Blick schlechter. Schwächer. Einsamer.
Er erinnerte sich noch, wie er ihn hier gefunden hatte. Es war ungefähr eine Stunde nachdem sie sich wegen einem absolut dämlichen Thema gestritten hatten. Er hatte, nachdem sein Freund den Raum verlassen und die Tür hinter sich zu geschlagen hatte, nichts mehr von ihm gehört. Als er dann ins Badezimmer gehen wollte, sah er ihn. Er lag auf dem Fliesenboden, nicht bei Bewusstsein und kurz vorm verbluten. Er hatte sich die Pulsschlagadern an den Handgelenken auf- und die am Hals angeschnitten.
Clay hatte einen Schock. Erst nach einigen Minuten war er dazu in er Lage einen Krankenwagen zu rufen. Während die Sanitäter sich um seinen Freund kümmerten, erlitt er selbst eine Panikattacke. Die zweite in seinem Leben und die erste diese Woche. Und leider nicht die letzte diese Woche. Es folgten mehr als zehn..

Als sein Freund dann im Krankenhaus war, sagte man ihm es stände schlecht um ihn. Es gäbe nicht wirklich Chancen dass er es schaffte. Er müsste ins Koma versetzt werden.

Und jetzt war er im Koma. Seit einer Woche. Und es hatte sich nichts gebessert. Eher im Gegenteil, sein Zustand hatte sich verschlechtert. Jeden Tag hatte Clay Angst, dass er einen Anruf bekam. Einen Anruf, in dem gesagt wurde dass sein Freund es nicht geschafft hat.

Er wusste nicht wie es weitergehen sollte. Er wollte nicht mehr. Er konnte nicht mehr. Aber er musste da sein, wenn sein Freund aufwachte. Falls sein Freund aufwachte.

„Ich hasse mich.." Flüsterte er und ließ sich an der Tür runterfahren. Er saß in einer getrockneten Pfütze Blut. Er hatte keine Motivation zum sauber machen gefunden.

Seine Finger strichen über den Boden, direkt durch die roten Flecken. „Ich hab dich umgebracht."
Seine Hand verkrampfte sich und er zog sie zurück. Kälte umhüllte ihn, als die Erkenntnis ihn wie ein Schlag traf. „Hätten wir uns nicht gestritten.. Hätte ich dich nicht angeschrien.. Hätte ich nach dir geschaut als du weg gerannt bist.. Wäre ich einfach ein besserer Freund gewesen..." Er brach ab. Seine Stimme versagte allmählich und die Tränen kamen zurück. „Ich wusste dass du psychische Probleme hast. Und ich habe es einfach ignoriert, mich nicht darum gekümmert.. Und jetzt bist du wahrscheinlich- ..." Er traute sich nicht das Wort zu sagen.
Er schluchzte  und hielt sich die Hand vor den Mund. „Warum. Warum warum warum." Wimmerte er verzweifelt.

Zitternd stand er auf und sah in den Spiegel. Er erschrak. War das wirklich er? Was war mit ihm passiert? Tiefe, dunkle Augenringe lagen auf seinem Gesicht, seine Augen waren matt und traurig. Seine Haare waren fettig und verfilzt, und als er seine Hand hob um sie etwas zu richten, sah er seine langen verdreckten Fingernägel. Seine spröden Lippen machten das Bild komplett.

Er taumelte einige Schritte zurück und starrte sein Spiegelbild an. Was war aus ihm geworden? Das war erbärmlich. Er war erbärmlich.
Die Tränen flossen ihm immernoch wie in Sturzbächen die Wangen hinunter. Er fühlte nichts. Einfach nur pure Leere. Wie als hätte jemand seine Gefühle ausgeschaltet. Kälte. Vielleicht war das das Wort, welcher er suchte. Er war komplett kalt. Hin und wieder hatte er Panikattacken oder Nervenzusammenbrüche, aber ansonsten fühlte er nichts als Kälte oder Einsamkeit. Oder Selbsthass. Der war auch dabei. Vielleicht war Selbsthass auch der Grund, warum er seine Arme massakriert hatte. Vielleicht. Vielleicht auch nicht.

Aber eins war sicher. Wenn er jetzt einen Anruf bekam, dass sein Freund es nicht geschafft hatte, dann wäre das das Ende für Clay. Er wollte nicht ohne ihn Leben. Was sollte er denn ohne ihn tun? Man sah ja, wohin ihn eine Woche ohne ihn gebracht hatte. Wie sollte dann sein ganzes Leben aussehen?

Langsam öffnete er eine Schublade des kleinen Schranks. Er nahm eine Rasierklinge hinaus und spielte mit ihr in seinen Fingern rum. Er schob seinen grauen Hoodie ein Stücken hoch und starrte seine bläuliche Pulsschlagader an. Sollte er? Oder lieber nicht? Was wenn sein Freund aufwachte und er nicht da war?

Andererseits, was konnte das Leben ihm sonst noch bieten? Er war komplett alleine. Sein Freund war sein ein und alles. Klar, er hatte noch ein paar Freunde, aber die würden sehr schnell über seinen Tod hinweg kommen.

Also warum nicht?

Clay wusste nicht was er tun sollte. Er starrte die glänzende Klinge in seiner Hand an, er konnte seinen Blick nicht von ihr abwenden.
Er wollte die Schmerzen loswerden. Er wollte nicht mehr, er konnte nicht mehr.

Der Klingelton seines Handys riss ihn aus seinen Gedanken.
Der Satz den er hörte als er den Anruf annahm, hallte ihm im Kopf nach und versetzte ihn in einen Schock.

„Ich bin vom Krankenhaus, ich muss ihnen leider mitteilen dass ihr Freund George Davidson es nicht geschafft hat und vor zwanzig Minuten verstorben ist."

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1106 Wörter

06.01.2021
A/N: Jemand hat sich sad-dré gewünscht, hier ist sad-dré. Ich hoffe es ist okay zum lesen, ich habe nicht nochmal drüber geguckt. Falls jemand einen Fehler findet kann er/sie/they gerne darauf hinweisen :)

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