goodbye London?

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Als ich am Morgen aufwachte, packte ich meine restlichen Sachen zusammen. Ehe ich mich versah, saß ich auch schon im Auto was mich zum Flughafen bringen sollte. Ich schaute aus dem Fenster. Ich wusste, dass es feige von mir war, einfach so zu gehen. Innerlich versuchte ich mich dahinter zu verstecken, dass meine Eltern mich dazu gezwungen hatten, aber das war natürlich nur eine billige Ausrede. Ich konnte ja nicht immer weggrennen. Ich wusste, dass ich bleiben musste. Denn in Schottland würde es mir im Endeffekt genauso schlecht gehen wie hier. Meine Gefühle konnte ich nicht einfach hier lassen. 
Am Flughafen angekommen packte ich meine Koffer aus, gab dem Fahrer ein entsprechendes Trinkgeld und wollte mich dann auf den Weg zum Eingang machen. Als ich davor stand, schaffte ich es nicht die Hallen den FLughafens zu betreten. Jede Faser in meinem Körper hinderte mich daran. Ich brauchte mich nicht 3 Monate zu quälen, um dann wiederzukommen und den gleichen Trümmerhaufen zu finden wie zuvor. Ohne lange zu überlegen drehte ich mich und ließ ein Taxi zu mir kommen. Mit jedem Meter, der auf dem Taxameter angezeigt wurde, wurde mir mehr und mehr bewusst, dass die Entscheidung, die ich gerade getroffen hatte, genau die richtige war. Natürlich würde das jetzt eine Menge Ärger bedeuten, aber einmal in meinem Leben musste ich jetzt an mich denken, etwas wirklich nur für mich tun. Ich hatte das Beste aus der Situation gemacht. Zu Hause angekommen, packte ich meinen Koffer aus. Ich wollte mich gleich wieder heimisch fühlen. Aviory würde ich morgen einfach in der Schule überraschen. Auf seinen Gesichtsausdruck war ich mehr als gespannt. 
Ich schmiss mich auf mein Bett. Mit dem Fuß fegte ich ausversehen ein Bilderrahmen mit einem Bild von Rose auf den Boden. Ich hob es auf und drückte es an mich. Ich schloss die Augen. Sie hatte noch so viel vor in ihrem Leben. Sie hatte eine To-Do-Liste. 
Rose und ich hatten immer zusammen überlegt was der Sinn des Lebens ist. Ist er Erwachsen werden und auf dem Weg dahin so viel Unfug wie möglich zu machen? Dann die Redcups gegen die Bierflaschen auf dem College austauschen und die Abschlussrede deines Jahrgangs zu halten? Denn Mann des Lebens finden und dann mit ihm Kinder zu bekommen? Ein Haus, einen gut bezahlten Job. Die Bierflaschen gegen ein Gläschen Wein eintauschen, das bei dem Grillabend mit den Nachbarn genossen wird. Ausgefallene Reisen zu machen, nur um dann festzustellen, dass es zu Hause am Pool vielleicht doch am schönsten ist. Sich vom ganz normalen Angestellten bis zum Chef hochzuarbeiten und dann in Rente gehen. Der Wein wird gegen Gin mit viel Eis ausgetauscht. Aber was ist der Sinn dahinter? Wir hatten unsere Überlegungen damals damit beendet, dass der Sinn des Lebens das Atmen, das Leben selber der Sinn ist. Aber so richtig war ich damit nicht zufrieden, das war mir einfach zu wenig Erklärung. In diesem Moment wurde mir bewusst, dass so viele Menschen ihr Leben vergeuden und nach dem Sinn suchen, um ihn dann nie zu finden. Aber in Rose hatte ich ihn gefunden. 
Den ganzen Tag verbrachte ich eigentlich damit, im Bett zu liegen und zu überlegen, wie ich meinen Eltern schonend beibringen sollte, dass ich jetzt gerade nicht in Schottland war, sondern zu Hause im Bett. Ich konnte mir es bildlich vorstellen. Meine Mutter würde einfach nur da sitzten und ihre Finger an den Schläfen haben. Sie würde versuchen, ruhig zu bleiben, es würde ihr nicht lange gelingen. Denn mein Vater würde an die Decke gehen, er würde rumschreien, rumlaufen, Sachen von den Regalen hauen. Meinen Vater wollte man nicht wütend sehen. Er schlug dann keine Leute oder so, aber er wurde einfach sehr sehr ungemütlich. Vielleicht sollte ich ihnen einfach eine Sms schreiben. Ich würde es so wie sie machen. Ich nahm mein Handy und tippte eine Nachicht an meine Mutter ein: "Auch wenn ihr jetzt enttäuscht und sauer seid, ich werde nicht nach Schottland gehen, ich bleibe hier, Schottland würde meine Situatiuon auch nicht verändern, ich kriege das alleine hin. Wie immer." Ich kontrollierte noch einmal alles, auch Rechtschreibung. Meine Mutter war so eine Person, sie durchsuchte selbst Einkaufszettel nach Fehlen. Als ich klein war, musste ich dann meistens den ganzen Zettel noch einmal neu schreiben. Ich schickte die Nachicht ab. Sie würden mich innerlich umbringen, das wusste ich. Aber ich brachte sie jeden Tag aufs neue innerlich um, ich würde damit umzugehen wissen.
Ich stand auf und zog mir meine Sportkleidung an, ich ging in unseren eigenen Fitnessraum. Ich trainierte und trainierte und ich konnte jetzt schon den Muskelkater spüren. Aber manchmal brauchte ich das einfach. Ich schwitzte wahrscheinlich so doll, wie lange schon nicht mehr. Danach ging ich duschen und zog mir meinen Schlafanzug an. Ich machte mir etwas großes zu Essen, Hühnchen mit Kartoffeln und Erbsen. Das war so etwas wie ein Festessen für mich. So etwas gab es sonst hier nicht. Ich ließ es mir bei einem Film und einem Wein schmecken. Ich kannte keinen Menschen in meinem Alter der Wein trank, aber ich fand das irgendwie passend zu meinem Essen. Ich fühlte mich wie eine Witwe, irgendwie. Alleine, auf der Couch, mit Alkohol und Essen. 
ALs ich fertig war, wusch ich noch ab. Danach legte ich mich in mein Bett. Ich beschloss Robin zu schreiben. Aber sie war schon mir zuvor gekommen:" Freitag? Party? Mit mir?". Ich antwortete:" Freitag! Party! Mit mir!". Ich konnte mir vorstellen wie Robin lächeln würde, wenn sie das liest. Sie fand echt alles lustig. 
Meine Augen fiehlen mir nach einer Zeit zu und ich flüchtete mich in Träume, wo Rose da war. 

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