Eine dumme Wette

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Die Sonne stand schon tief am Himmel und ließ die zahlreichen Fenster von Hogwarts leuchten, als ich wieder nach oben zum Abendessen ging. Die vergangenen Stunden hatte ich damit verbracht, die Hippogreifen mit toten Ratten zu füttern und Hagrid zu helfen einem von ihnen ein Bein zu verbinden.
Kurz vor dem Tor hielt ich inne und ließ meinen Blick über die weiten Schlossgründe schweifen. Die Sonne über dem verbotenen Wald blendete mich. So viele warme, sonnige Tage würde es wohl nicht mehr geben, bevor der Winter kam. Und mit dem Winter kam der Frost. Hoffentlich würde die Stute noch vor dem ersten Frost werfen, ansonsten könnte es für ihr Fohlen kritisch werden. Nach einem letzten Blick zum schwarzen See verschwand ich schließlich in die vergleichsweise dunklen Gänge der Schule.

Marlene traf ich beim Abendessen nicht wieder. Wahrscheinlich hatte sie vor mir gegessen und war schon oben im Gemeinschaftsraum.
Also stocherte ich alleine in meinem Abendessen herum. Die Ratten, die die Hippogreifen bekamen, verdarben mir doch immer etwas den Appetit. Ich wusste, dass sie das Fleisch brauchten, wie Katzen zum Beispiel, aber Ratten hatten auch Gefühle. Nachdenklich blätterte ich durch die Seiten meines Buches. Mir fiel die Zeichnung eines Aethons ins Auge, die Marlene einmal in einer langweiligen Stunde von Geschichte der Zauberei gemalt hatte. Damals, in der ersten Klasse.
Seitdem hatte sich viel verändert. Damals war die Welt irgendwie noch ganz gewesen. Jetzt begann sie zu bröckeln. Immer mehr Zauberer wandten sich den dunklen Künsten zu. Auch Hogwartsschüler. Und nicht nur klischeehaft die Slytherins. Anscheinend hatten die dunklen Küste irgendetwas, was die normale Magie nicht bieten konnte. Was auch immer das sein sollte.
Macht? Vielleicht war es Macht. Aber was wollte man denn damit? Viele Tierwesen waren so viel mächtiger als Zauberer und es war ihnen absolut egal. Was war so toll an Macht?

Ein Räuspern riss mich aus meinen Gedanken. Irritiert sah ich auf. Vor mir, die Hände auf den Tisch gestützt, stand niemand anderes als Black mit dem wohl dämlichsten Grinsen im Gesicht, was man sich vorstellen konnte. Ich hob die Augenbrauen.
„Hi.", sagte er nur. Nach wie vor irritiert klappte ich mein Buch zu, antwortete ihm aber nicht. Um ihm nicht in die Augen schauen zu müssen, ließ ich meinen Blick an ihm vorbeiwandern und erkannte den Rest seines Rudels wenige Meter hinter ihm, die jetzt alle so taten, als hätten sie eine äußerst interessante Fliege entdeckt.
Er schien offensichtlich auf eine Antwort zu warten.
„Also, ich hab dich eigentlich schon länger auf dem Schirm und wollte dich fragen, ob du vielleicht mal mit mir ein Butterbier trinken willst."
Mein Gehirn brauchte einen Moment, um das eben gehörte zu verarbeiten. Es hätte mich nicht gewundert, wenn es mit einem pling verkündet hätte, dass es jetzt fertig mit Denken wäre. Mein Blick wanderte wieder zu den drei restlichen Rumtreibern. Wortlos, aber so schnell, wie es mir möglich war, ohne hektisch zu werden, steckte ich mein Buch in meine Tasche, stand auf und ließ ihn stehen.

Ich hätte alles darauf verwettet, dass das einfach nur ein dummer Witz war. Der Typ hatte mich vermutlich nur auf dem Schirm, weil er mir einen Eimer mit Hippogreifenpisse über den Kopf gekippt hatte. Wahrscheinlich hatte er mit seinen Freunden irgendeine Wette abgeschlossen, dass er mich auf ein Date einladen und mir dann Stinksaft ins Butterbier kippen würde. Das konnte er sowas von vergessen. Eher würde ich mit den Kelpies auf den Grund des schwarzen Sees ziehen, als mit Black auf ein Date zu gehen. Wobei das mit den Kelpies vielleicht keine schlechte Idee war. Aber der Typ hatte doch echt nicht mehr alle Latten am Zaun. Dass er mir nicht nachlief oder ähnliches, bestätigte meine Theorie nur.
Ganz sicher würde ich Marlene nichts davon erzählen. Am Ende würde sie noch sonstige Schlüsse daraus ziehen, oder denken, ich würde mich über sie lustig machen. Das würde nur unnötig Stress geben. Aber vermutlich konnte ich mich jetzt auf irgendeine Form von Streich in der nächsten Zeit einstellen. Wenn meine Freundin recht hatte, dann würde es irgendwas tolles neues sein. Schöne Voraussichten.

Zügig kletterte ich durch das Porträtloch. Leises, summendes Stimmengewirr erfüllte den Gemeinschaftsraum. Wenn ich daran dachte, dass im Gryffindorgemeinschaftsraum meistens die Lautstärke eines furzenden Erumpents herrschte, war ich doch sehr dankbar für meine Hauskameraden. Natürlich, am Wochenende war hier auch oft der Bär los und es wurden laute Partien Zaubererschach gespielt, aber im Allgemeinen war es hier doch sehr ruhig.
Zum Glück musste ich nicht lange suchen. Marlene saß an unserem Stammplatz an einem der zahlreichen Fenster. Auf meinem Stammplatz saß allerdings jemand anders. Das ist nicht dein Platz, da darf jeder hin. Ermahnte ich mich selbst, aber ich konnte doch nicht umhin etwas pissig zu sein, als ich mich hinter Marlene an die Steinmauer lehnte und ihr beim Zeichnen zusah.
Seit irgendjemand mal irgendwie mitbekommen hatte, dass sie zeichnete, war sie um die Frage „Kannst du mich malen" nicht herum gekommen. Kurzerhand hatte sie sich dazu entschieden, sich einfach dafür bezahlen zu lassen. So saß auf meinem Stuhl jetzt eine Fünftklässlerin, die ich nur flüchtig kannte und lächelte so, als würde sie schon eine ganze Weile lächeln und ihre Wangenmuskeln würden bald den Geist aufgeben.
Schweigend beobachtete ich meine Freundin dabei, wie sie das Bild auf dem Pergament vor sich bedacht schattierte, als würde sie es schon seit Jahren tun.

Kelpie || HP/Rumtreiber FFWhere stories live. Discover now