Kapitel 8

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Kaitos POV:

Wie lange hatten wir so beieinander verweilt? Waren es Stunden gewesen? Minuten? Jegliches Zeitgefühl war verschwunden.

Wir hatten uns so fest aneinander gekuschelt, dass nicht einmal ein Stück Papier zwischen uns gepasst hätte. Und dieses Mal war nicht allein die Kälte der Grund für diese Nähe. 

Die ganze Zeit über musste ich an unseren Kuss denken. War es wirklich das Richtige gewesen? Nun, die Art und Weise, wie wir uns von nun an gegenübertreten würden, wäre ohnehin nicht die Gleiche. Immerhin wusste Shinichi nun nicht nur, in wessen Armen er lag, nein, er kannte auch meinen wahren Namen und auch mein Gesicht.

Doch nach eben diesem Kuss war ich mir nun noch sicherer als zuvor, dass er diese Erkenntnisse nicht gegen mich verwenden würde. Vielleicht, aber auch nur vielleicht, würde er mir ja sogar erlauben, noch einen größeren Platz in seinem Herzen einzunehmen, und zwar nicht nur als Kaito KID.

Und obwohl ich wusste, dass er momentan nicht im Besitz seiner vollen geistigen Kräfte war, ließen mich seine Worte nicht mehr los. Dieses Gefühl, über das er gesprochen hatte... Was meinte er damit? War es vielleicht ein Gefühl, dass er selbst noch nie genau erforscht hatte? Nicht definieren konnte?

Ich würde ihn darauf ansprechen, wenn wir diese Situation hinter uns gebracht hätten. Ich wollte ihm nicht noch mehr zumuten. Deswegen galt es nun, endlich zurück zur Herberge zu kommen und sein Bein richtig verarzten zu lassen. Erst dann würde ich wohl erfahren, was es mit seinen Worten auf sich hatte.

Shinichi POV:

Kaito hatte die ganze Zeit meinen Rücken gestreichelt. Ich wusste nicht, ob er er es tat, um selbst wach zu bleiben, oder ob er aus Instinkt her handelte. Aber egal, was von beidem es war; es gefiel mir mehr, als ich gerne zugeben würde.

Und doch lösten wir uns irgendwann voneinander, denn Kaito stand auf und wagte einen weiteren Blick nach draußen, wenngleich sich die Tür schwer hatte öffnen lassen schien. Als er sich von mir entfernte, wurde mir mit einem Mal wieder bewusst, wie furchtbar kalt es hier drinnen eigentlich war.

„Der Schneesturm hat aufgehört", stellte Kaito fest, bevor er mit einem leichten Lächeln auf den Lippen wieder zu mir trat. Allein dieser Anblick vermochte es, mein Herz zu erwärmen. Er bückte sich zu mir herunter. „Wollen wir, Herr Detektiv?", fragte er und gab mir einen sanften Kuss auf meinen Handrücken.

Ich versuchte, die Röte, die mir ins Gesicht stieg, zu unterdrücken und nickte vorsichtig. Merkwürdig. Sonst schaffte ich es doch immer, solcherlei Reaktionen zu unterdrücken, damit er bei seinen Diebstählen nichts gegen mich in der Hand hatte. Aber nun... Lag es etwa an unserem Beisammensein? An dem Kuss? Ich wusste es nicht.

Als mein Versuch, selbst aufzustehen, kläglich gescheitert war, nahm mich der Dieb schließlich huckepack und wir begaben uns nach draußen.

Ein eiskalter Wind empfing uns, doch im Vergleich zu dem, was ich in der gestrigen Nacht zu spüren bekommen hatte, war dies nur ein laues Lüftchen. Und als ich die Hütte nun von außen sah, wurde mir auch klar, weshalb es drinnen derart still gewesen war; sie war fast vollkommen im Schnee verschwunden.

Wir schienen unglaubliches Glück gehabt zu haben, denn der schneebringende Wind war von der Hinterseite der Hütte gekommen, sodass die Tür gerade so geschützt war, dass Kaito sie noch hatte öffnen können. Ich wollte mir gar nicht vorstellen, was wäre, wenn wir gar nicht aus dieser Hütte wieder hinausgekommen wären. Hätte überhaupt jemand hier nach uns gesucht?

Auch Kaito hatte das bemerkt. „Da hatten wir wohl Glück im Unglück", meinte er, bevor er sich langsam in Bewegung setzte. „Dann mal los."

Der Schnee reichte ihm bis zu den Knien. Ich war mir sicher, dass in der Nacht noch viel mehr heruntergekommen, doch dann verweht worden war. Sonst hätten wir nun wohl keine Chance gehabt, uns unseren Weg hindurch zu bahnen.

Still blickte ich in den Himmel. Es war zwar noch immer nicht sonderlich hell, doch dämmerte es bereits. Eisnebel war über den Baumwipfeln zu erkennen und das leuchtende Rot der Morgendämmerung ließ die Landschaft zusammen mit dem bläulichen Nebel wie ein unwirkliches Kunstwerk wirken. Es war atemberaubend schön.

Wir beide schwiegen. Kaito schien sich konzentrieren zu müssen, wo er hintrat, und während er weiter durch den Schnee stapfte, lauschte ich dem Knirschen des Schnees unter seinen Füßen. Es war ähnlich wie in der Hütte; obwohl die Umstände alles andere als beruhigend sein sollten, kam mir dieser Moment so unglaublich entspannt vor.

„Weißt du überhaupt, wo du lang gehst?", fragte ich jedoch nach einigen stillen Momenten und blickte mich genauer um. Um uns herum befanden sich nur Bäume, die so eingeschneit waren, dass alles weiß war. Woran sollte Kaito sich hier orientieren können?

„Unterschätze niemals den Orientierungssinn des großartigen Phantomdiebes", erwiderte er aber nur stolz und stapfte unbeirrt weiter. Es musste unheimlich anstrengend sein, in diesen Schneemassen voranzukommen, vor allem mit mir auf dem Rücken. Doch er ließ sich rein gar nichts anmerken, und das, obwohl ich gerade dachte, hinter sein Pokerface gekommen zu sein.

Kaitos Schritte waren wie ein Rhythmus, mir war schon gar nicht mehr kalt. Und nach einigen weiteren Momenten spürte ich, wie mich eine schwere Müdigkeit überkam. Langsam, ganz langsam spürte ich, wie mich der Schlaf ein weiteres Mal in seinen Besitz nahm und sich wie ein dichter Mantel um mich legte.

Die ganze Zeit hatte ich Kaito im Kopf. Seinen Atem, seinen Geruch, seine Wärme... All dies begleitete mich auf den Weg in einen langen, wohligen Schlaf.

Skifahrt ins (Un)Glück - KaiShinWhere stories live. Discover now