Kapitel 20

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»Hold me close tonight until
you start to know the truth.
Shut your lips before
I spill my heart and soul to you.«

- Stay Quiet, Jeremy Zucker

Nova

Heute war der erste Samstag im November und Chloé und ich hatten morgens auf den Terrassenplätzen im Les Deux Margots gefrühstückt. Die kühle Luft hatte uns kein bisschen abgeschreckt, im Gegenteil, wir hatten uns mit heißen Getränken aufgewärmt und zusammen die Atmosphäre mit herrlicher Aussicht auf die Kirche Saint-Germain des-Près genossen.

Jetzt war es schon lange dunkel. Es war kurz nach zehn am Abend, als ich mit Chloé das Phil's erreichte. Phils Nachricht am Donnerstag fiel wie aus dem Himmel, ich war noch nie eine ganze Nacht in einem Café gewesen, und eigentlich war ich ein Mensch, der auf spontane Aktionen überhaupt nicht gut zu sprechen war, weil ich schon immer ein sehr strukturiertes und getaktetes Leben führte, mir das viel Sicherheit gab und mich vor einem schlechten Gewissen bewahrte.

Aber seit ich vor über zwei Monaten nach Paris gezogen war, spürte ich, dass sich etwas verändert hatte. Ich war anders geworden. Ich sah das Leben von einer völlig anderen Perspektive und wollte seitdem meinem Leben nicht mehr Tage, sondern den Tagen mehr Leben schenken.

Dass man etwas zu erzählen hatte und Dinge einfach tat, ohne groß darüber nachzudenken, nicht in unnötige Gedankenspiralen abzurutschen, sich einen Haufen Gedanken über Dinge machen, die in fünf Jahren sowieso keine bedeutende Rolle mehr spielen würden.

Einfach leben.

Ein Schild, auf dem »Fermé« stand, hing von innen an der Tür des Cafés, als meine Mitbewohnerin sich gegen diese lehnte und das helle Klingeln über uns ertönte. Im Café war es wie leergefegt, es brannte gedimmtes Licht und ich erwischte Lou dabei, wie sie mit Streichhölzern in den Händen ein paar Kerzen anzündete.

»Hey ihr«, flüsterte Lou und pustete das Streichholz aus, als sie auf uns zukam und uns in eine Umarmung schloss.

»Ich habe nach der Arbeit Pizza und Pasta für uns mitgebracht, Adrien und Leo kommen noch nach und Phil-« wollte sie sagen, doch dann kam er auch schon mit einem Tablett Cookies aus einem Hinterraum, stellte es auf die Theke ab, band sich die Schürze los, strich sich mit dem Backhandschuh über die Stirn und schaute schließlich zu uns auf.

»Hey Leute, ich habe Cookies gebacken!«, rief er begeistert, als Lou Chloé und mich dazu drängte, uns endlich aus den Mänteln zu schälen und sie kurzerhand in den Raum verschwand, der nur für Mitarbeiter befugt war.

»Phil, du bist echt der König im Cookies backen«, sagte Chloé glücklich, während sie von einem Cookie kostete.

»Sag mir etwas, was ich noch nicht weiß.« Mit einem selbstgefälligen Grinsen probierte er ebenfalls einen.

»Leute, nicht vor dem Essen alle Cookies verputzen!«, beschwerte sich Lou und schaute uns mit gehobenem Zeigefinger gespielt böse an.

»Ist ja gut«, meinte Phil, stibitzte sich gleich noch einen Cookie und hob danach erst ertappt die Hände, worauf ich lachte. »Sag mal, Phil, ist das denn überhaupt in Ordnung, dass wir alle die ganze Nacht im Café sind? Ich meine, haben deine Eltern denn nichts dagegen?«, fragte ich.

Er schüttelte den Kopf. »Ach Quatsch, mach dir keinen Kopf, Nova, meine Eltern wissen Bescheid und das ist ja auch nicht das erste Mal, dass wir hier eine ganze Nacht verbringen. Das Café ist das Wochenende, bevor meine Eltern geschäftlich unterwegs sind, immer geschlossen und dann gehört es mir, sprich, ich darf es dann nutzen, wie ich will.«

The Dark in our StarsWhere stories live. Discover now