Kapitel 6

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»A sky full of stars
and he was staring at her.«

-Atticus

Leo

Als ich kurz davor war das Unigebäude heute ein für alle Mal zu verlassen, verweilte mein Blick auf den Milliarden Sternen, die heute über den Pariser Sternenhimmel zierten. In meinen Augen funkelten sie heller als all die unzähligen und grellen Reklametafeln in Frankreichs Hauptstadt zusammen. Auch das warme Licht, in das die verschiedenen Plätze, Gebäude und Brücken getränkt waren, kam nicht dagegen an. Letztere verstärkten den Effekt allerhöchstens nur.

Und als ich dann meinen Blick wieder nach vorn richtete, machte ich unerwarteter Weise eine zierliche Gestalt in dem Lichtkegel einer Gaslaterne aus, die unter dem rundgebogenen Eingang der Universität stehengeblieben war, mit dem Rücken allerdings zu mir gedreht, und nervös von dem einen Fuß auf den anderen tippte.

Etwas ungewöhnlich um diese Uhrzeit, wenn ihr mich fragt.

Ich näherte mich der Gestalt - aufgrund ihres Körperbaus musste sie definitiv eine junge Frau sein. Sie trug eine dunkelblaue Jacke und ihre mittelbraunen, schulterlangen Haare glänzten in dem Licht. Sie drehte sich sofort um, als sie Schritte auf sich zukommen hörte. Und erst dann stachen mir ihre goldenen Strähnen in die Augen.

»Leo?«, fragte mich Nova und ließ ihr Handy in ihrer Jackentasche verschwinden, während ihre großen Augen überrascht ausschauten und sich zusätzlich Erleichterung in ihrem Blick vermischte.

Ihre Honigaugen glichen flüssigem Karamell, als das Licht der Laterne ihre Augen wie kleine Sterne erhellte. Sie leuchteten so viel heller und intensiver als all die Sterne über mir. Ich schluckte schwer und konnte mich nur schwer von ihrem Blick losreißen.

»Nova?« Ich hob eine Augenbraue.
»Was machst du denn um diese Uhrzeit hier?«, fragte sie und legte ihren Kopf schief, als ich vor ihr zum Stehen kam und sie meine Augen wie am Tag unserer ersten Begegnung in der Boulangerie »Le pain retrouvé« fixierte.

»Dasselbe könnte auch ich dich fragen.«

»Ich hab aber zuerst gefragt.«

Sie verschränkte die Arme vor der Brust, während sie selbstbewusst auf eine Antwort von mir wartete. So selbstsicher hatte ich sie gar nicht in Erinnerung.
»Na gut. Ich saß bis gerade noch in einer Vorlesung«, antwortete ich kurz angebunden.

»Ich auch.«

Okay, hier stimmte etwas nicht.

»Das kann nicht sein, um diese Uhrzeit enden keine Vorlesungen mehr.« Ich presste die Lippen aufeinander.

»Ja, das habe ich auch gedacht. Und dann hast du dich plötzlich an mich herangeschlichen.«

»Was, ich-ich hab doch gar-«, sagte ich, doch keine Sekunde später erkannte ich, wie sich Lachfalten unter ihren Augen bildeten und ein verschmitztes Grinsen ihr Gesicht hochgekrochen war.

Ich starrte sie perplex an. Dabei musste ich verdammt bescheuert ausgesehen haben, da sie kurz danach anfing zu lachen und auch ich überraschender Weise schmunzelnd zu Boden blickte.
Mit dieser Aussage hatte ich absolut nicht gerechnet.

»Wir sollten gehen, sonst erfrieren wir gleich«, setzte ich schließlich an, während ich meine Hände in die Taschen meines dunklen Hoodies vergrub und meine Kapuze richtete. Ich hatte nie Probleme mit Kälte, aber ich brauchte eine Ausrede, um so schnell wie nur möglich aus dieser unangenehmen Situation flüchten zu können.

»Ach, ich ... ich muss nur zur Metro, die ist doch gar nicht weit weg«, erklärte sie und winkte ab. Ich schüttelte meinen Kopf.

»Das habe ich mir schon gedacht. Ich lass dich in dieser Stadt spätabends um halb elf sicher nicht allein mit der Metro fahren.«

The Dark in our StarsWhere stories live. Discover now