Kapitel 44.

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Ich pfefferte meine Schultasche in eine Ecke und latschte ins Wohnzimmer. Schon von weiten hörte man die Stimme meiner Oma Sissi. Ach ja, die ist ja heute zu Besuch!

Den heutigen Schultag hatte ich eigentlich recht gut überstanden. Emely und ich hatten uns einfach ignoriert, ohne uns böse Blicke zuzuwerfen.

"Hey Schätzchen! Na? Wie geht's dir?", begrüßte mich Mum übertriebend freundlich, als ich im Wohnzimmer erschien.
Ich nickte meiner 'Trauer Oma' mit einem gefakten Lächeln zu und ließ mich dann neben Dad in die beqeueme Coch fallen.

"Eh okay", murmelte ich gelangweilt. Oha, gerade mal eine Sekunde da und ich langweilte mich schon zu tote! Ich wette, das liegt alles nur an Sissi. Ihr wisst ja, meiner Oma. Wie sie mich so eindringlich mustert, mit einem falschen Lächeln auf den Lippen und sicher denkt "Das Arme Kind wird nie etwas aus sich machen können. Wer will denn schließlich schon einen solchen Trauerfall?!". Ach Oma. Früher hatte ich wirklich immer gedacht, dass du damit einen Scherz meinst! Jetzt weiß ich: wohl kaum!

Meine Mama nickt nur geistesabwesend. Fällt es mir nur auf oder ist immer, wirklich immer, wenn Sissi da ist die Stimung betrübt? Na ja, vielleicht ist das auch nur eine Einblidung von mir.

"Ach, Tessi Mäuschen, willst du deiner lieben, alten Oma nicht eine Tasse Tee kochen?"
Wenn man lieben weglässt, passt es eigentlich ganz gut. Sie ist alt, 70 oder so, und meine Oma. Zwar nicht ganz freiwillig, aber, ist das Leben jemals fair?
Mit einem Zuckersüßen Lächeln stand ich auf.
"Ja klar."
"Was würde ich lieber tun?", murmelte ich vor mich hin, während ich Wasser in einen Metalltopf goss und den Herd auf's volle aufdrehte. Ich möchte meine beste Oma doch nicht warten lassen, ne. Wo sie mir doch so auf dem Herzen liegt. Ich glaube kaum, dass ein Leben ohne sie sinnvoll wäre! Ich mein, hallo?! Das würde nicht gehen! Mein ganzes Leben würde nichts mehr beteuten! Am liebsten würde ich mich dann gleich neben sie in den Sarg fallen lassen.
Das Wasser köchelte und ich goss das dampfende Etwas in drei Tassen. Schließlich war sie nicht die einzige, die Tee liebte! Mum und ich machten uns fast täglich einen. Bei Papa wusste ich, dass er so gut wie nie einen Trank und ich jetzt einfach Mal davon ausgehe, dass er nun auch keinen will.

~~~

Der Nachmittag mit Sissi ging einigermaßen reibungslos vorbei. Na ja, außer das am Ende alle stritten und Oma dann aus dem Haus stürmte. Aber sonst....
Außerdem habe ich meine Eltern informiert, dass am Donnertag nach der Schule Marc zu uns kommen wird. Juhuu, wie ich mich darüber freue! *Sarkasmus angemerkt*
Jetzt sitze ich hier, auf meiner Couch, höre lautstark Musik und brülle mit, was das Zeug hält. Meine Erzeuger haben dagegen eigentlich nichts. Solange es nicht jeden Tag ist. Sie sind der gleichen Meinung wie ich:
Manchmal muss man aufdrehen, sonst macht das Leben keinen Spaß!
Oder in meinen Fall: damit man auf andere Gedanken kommt, um alles zu vergessen!

~~~

"Was möchtest du essen?" Fragend stand ich vor dem Kühlschrank und sah ihn an.
"Was könnt's denn so geben?"
"Hmm, Spagetti, Lasagne, Schnitzel.... Und? Was willst?"
"Schnitzel wär nicht schlecht", meinte er und machte uns beide ein Trinken.
Mittlerweile war es Donnerstag und Marc war bei uns, um den Plan zu schmieden. Natürlich nach dem Mittagessen.
Emely und ich hatten uns so gut es geht ignoriert.

"Soll ich schon mal den Tisch decken?", fragte er und nahm Servietten und Besteck aus einer Lade heraus.
"Wenn du nichts dagegen hast, möchte ich gern nach oben in mein Zimmer. Meine Eltern müssten leider jeden Moment kommen."
"Ja klar, kein Problem. Hast du'n Fenseher?"
"Klar! Was denkst du denn?! Wieso?", fragte ich entgeistert und neugierig, während ich Öl in die heiße Pfanne goss und das Fleisch bannierte.

"Na ja, in 'ner halben Stunde fängt da so ein cooles Fußball spiel an und ich-"
"Du wolltest das gerne schaun", unterbrach ich ihn. Er nickte heftig. Na super! Jetzt musste ich auch noch Fußball gaffen! Mit Marc! Wie viel schlimmer konnte ein Donnerstag Nachmittag eigentlich noch werden?

"Ja gut. Dann trag alles schon mal hoch in mein Zimmer, ich komm dann nach", sagte ich. Marc nahm alles in seine Hände und brachte es, wie befohlen, hoch in mein Zimmer. Ich hoffte zumindest dass er das richtige erwischt hatte! Und das er nicht rumschnüffelten! Nicht, dass ich irgendetwas geheimes, lustvolles versteckt hätte, doch ein paar spitzen Unterwäschen, kindische Kuscheltiere, peinliche Kinderfotos..... Manches, was er eben nicht sehen sollte, weil es privat ist und nur mich was angeht!

Seit zehn Minuten sitzen wir jetzt schon in meinem Bett, stochern in dem Essen rum und schauen gepannt auf den Flachbildfernseher. Männer -na ja, bei manchen kann man es nicht ganz so entziffern, ob sie nun männlich oder weiblich sind - rennen durch die Gegend mit so 'nem runden Ding das sich Ball nennt, lassen sich von ihren Gegnern den Ball wegnehmen, versuchen ein Tor zu schießen. Wow, spannend! Früher liebte ich Fußball. Konnte ich gar nicht genug davon bekommen. Da war ich so 13, 14.

"Hey hast du Lust, am Samstag, ähm, da mitzukommen, äh, also ich mein, mir zuzuschauen?", fing Marc plötzlich an. Bis jetzt hatten wir noch nichts, nullomatig, aufgeschrieben, was tauglich wäre für unseren Plan, wie Emely mir verzieh. Ob das überhaupt noch mal was wird? Mit Em und mir? Und Ryan und mir? Irgendwann vielleicht? In ein paar Jahren? Wenn alles vergessen ist?

Ich schaute Marc mistraurisch an. Ihm beim herum turnen zuzuschauen? Ich weiß nicht....

"Ich weiß nicht....", sagte ich.
"Oh bitte!", bettelte er weiter.
"Ähm..." Soll ich? Ich mein, ich kenn mich da ja nun wirklich nicht so gut aus. Klar weiß ich, was eine rote Karte und 'ne gelbe Karte beteuted oder was Abseits ist, die einfacheren Sachen eben, doch, mehr auch wieder nicht! Mit 13, 14 da kannte ich mich gut aus. Fast jedes Wochenende am Sportplatz, da mein Papa damals Fußballtrainer war. Ja, man konnte es sich kaum vorstellen, weil er eben so viel zu tun hatte, keine Ahnung wie er das damals schaffte! Und ja, ich fühlte mich gut, weil ich so mega viel darüber wusste. Doch, wie schon gesagt, dass war vor drei, vier Jahren. Nun mit 17, ist mein Hirn in dieser Hinsicht leider gottes geschrumpft.

"Biiitte. Nur ein einziges Spiel", meldete sich Marc wieder zu Wort.
Ich zögerte immer noch.
"Ich nehm dich mit, ich muss natürlich etwas früher da sein, zum Tranieren. Aber das Spiel wird sich sicher lohnen!"

Ich biss mir auf die Unterlippe. Sollte ich oder sollte ich nicht?

"Na gut, aber nur das eine Mal!"
Juhuu! Wie ich mich darauf freue!
Das war ironisch gemeint. Oder?

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