Kapitel 40

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Es ist seltsam im Frühstücksraum zu stehen und die anderen Auserwählten um mich herum zu beobachten. Vor mehreren Wochen war er noch gut gefüllt, die Hälfte aller Mädchen kannte ich nicht mal mit Namen. Jetzt sind wir deutlich weniger und man merkt, wie ernst es wird. Die meisten waren bereits auf einem Date mit Gideon, nur ein oder zwei haben ihn noch nie persönlich getroffen. Auch Theresa scheint es langsam ernster zu nehmen. Sie drillt uns so gut wie es geht , in Etikette, Auftreten und Tanzen. Die Geschichte und Politik Illéas scheint nun nebensächlich zu sein.

"Es gab wieder einen Angriff", flüstert Samantha mir beim Frühstück zu. "In Paloma. Es sind mehrere Politiker angegriffen worden."

"Woher weißt du das ?", wende ich mich geschockt an sie. Samantha stockt und sieht sich für einen Moment um. Theresa ist damit beschäftigt einem anderen Mädchen einen Vortrag über die verschiedenen Arten von Besteck zu halten.

"Meine Cousine lebt dort mit ihrer Familie. Ihr Haus liegt nur wenige Meter von der Anschlagstelle entfernt."

"Waren es die Rebellen ?"

"Ich weiß es nicht. Aber man hat auf jeden Fall versucht die Öffentlichkeit dort herauszuhalten. Es ist in keinen Nachrichten erschienen."

Ich will ihr eine weitere Frage stellen, aber wir werden unterbrochen. Wir alle zucken zusammen, als die Türen zum Speisesaal mit einem Mal aufgedrückt werden und mit einem lauten Knall an die Wände daneben stoßen. Eine Wache stürmt herein, der Mann ist außer sich, seinen Gesichtsausdruck kann ich nicht deuten, aber er ist definitiv außer Atem.

"Befehl des Kanzlers, alle haben sich auf der Stelle im Thronsaal zu versammeln."

Ein Rascheln ist zu hören, während wir alle aufspringen und Theresa in einer Reihe folgen. Niemand stellt eine Frage. Das Klacken der Absätze ist das einzige Geräusch bis zum Thronsaal.

"Stellen Sie sich hier auf", mehrere Palastangestellten weisen uns Plätze zu, sobald wir den Raum betreten. Der Kanzler und Gideon stehen bereits auf dem Podest auf welches vielleicht 30 Kameras gerichtet sind. Aber auch keiner der Reporter scheint eine Ahnung zu haben worum es geht, denn ihre Fragen prasseln nur so auf den Kanzler ein. Es ist eine angespannte Stimmung, während wir schweigen, sind die Journalisten um so lauter. Theresa bemüht sich einigermaßen für Ordnung zu sorgen, aber auch ihr gelingt das nicht sonderlich gut.

"Sehr geehrte Damen und Herren, wir haben Nachrichten, die wir Ihnen keine Minute länger vorenthalten können." Kaum beginnt der Kanzler zu reden, leuchten die Lichter an den Kameras rot auf. Stille breitet sich sofort aus.

"Illéa ist schon zu lange gebeutelt worden. Erst durch den Tod des Königspaares und dann auch noch des Thronfolgers. Cide ist eine ernstzunehmende Bedrohung. Unsere Wissenschaftler haben seit Jahren Tag und Nacht daran gearbeitet herauszufinden, wodurch Cide ausgelöst wird und jetzt ist es uns gelungen."

Ein Raunen geht durch den Saal. Wir Auserwählten drehen uns geschockt um, beginnen zu flüstern, während die Reporter auf heißen Kohlen zu sitzen scheinen. Es ist die Nachricht, auf welche wir seit Jahren warten.

"Cide war nie ansteckend, wie wir es angenommen haben. Es handelt sich dabei um eine allergische Reaktion auf bestimmte Chemikalien. Wie es aussieht, wurde es hauptsächlich durch unsere Wasserversorgung verbreitet. Manche Menschen sind immun dagegen, wie die Tests uns das schon angezeigt haben. In diesem Moment beginnen wir damit sämtliche Kläranlagen und Wasserleitungen in ganz Illéa zu filtern."

Ein Jubel bricht aus, jeder im Raum beginnt zu klatschen und ich kann mir vorstellen, dass es so auch vielen anderen Menschen in Illéa geht.

"Kannst du das glauben ?", Samantha strahlt mich an, während wir uns alle im Damensalon versammeln. Der Unterricht ist abgesagt. Stattdessen befinden wir uns alle in Feierlaune. "Die Lösung war so einfach."

"Aber ich verstehe einfach nicht, wie man es nicht früher herausfinden konnte." Jane, ein groß gewachsenes Mädchen aus Dakota schüttelt ihren Kopf. "Eine allergische Reaktion muss man doch erkennen können ?"

"Was auch immer das für Chemikalien sind, vielleicht sind sie dazu noch ätzend und zerstören so deinen Körper von innen", meldet sich Kathy. "Außerdem sind wir immer davon ausgegangen, dass es ansteckend ist. Aber das war es nie. Es war das Grundwasser."

"Es sind jedenfalls wunderbare Nachrichten", antworte ich schließlich. "Ich meine darauf haben wir schon seit Ewigkeiten gewartet."

Samantha wartet, bis sich die anderen entfernt haben, ehe sie mich zur Seite nimmt.
"Aber das alles klingt seltsam. Oder nicht ? Auf einmal finden sie eine Lösung, die so einfach ist, dass es schon absurd klingt. Eine Chemikalie im Wasser", sie schnaubt.

"Was meinst du damit ?", wende ich mich an sie.

"Was ist das für eine Chemikalie? Wie ist sie überhaupt in das Wasser gekommen und warum hat es niemand in den letzten Jahren bemerkt ?" Sam sieht mich vielsagend an. "Meiner Meinung nach haben sie die wichtigsten Fragen nicht beantwortet."

"Vielleicht tun sie das noch", gebe ich zurück, aber ich merke, wie sich Zweifel in mir ausbreitet. Samantha hat recht.

"Damit würde ich nicht rechnen. Irgendetwas verschweigen sie uns."

~A Light In The Dark~Where stories live. Discover now