34. Abschied

71 4 0
                                    

Elyna lag auf Rabastans Bett und sah ihrem Verlobten dabei zu, wie er seinen Koffer packte. Er kroch gerade halb unter den Schrank, um noch ein altes Paar Socken hervorzuholen, das so aussah als würde es schon seit ihrem dritten Schuljahr dort liegen. Dann räumte er seinen Nachttisch leer und sprach einen Ausdehnungszauber auf seinen Koffer, bevor er seine restlichen Klamotten und den übrig gebliebenen Krimskrams, der unter seinem Bett gelegen hatte, hineinschmiss und den Deckel schloss.
"Endlich fertig!", stieß er erleichtert hervor und ließ sich neben Elyna auf sein Bett fallen.
Elyna seufzte tief und eine unbekannte Melancholie ergriff von ihr Besitz. "Kaum zu glauben, dass wir Hogwarts jetzt wirklich verlassen müssen", sagte sie leise.
Rabastan ergriff ihre Hand und lächelte sie aufmunternd an, um ihr etwas Trost zu spenden, doch sie wusste, dass er nicht allzu betrübt darüber war, die Schule nun endgültig hinter sich zu lassen. Im Gegenteil, er freute sich darauf, dass er bald in den Krieg eintreten würde, um für das zu kämpfen, woran er glaubte. Er würde endlich für seine Überzeugungen einstehen und niemand konnte ihm mehr sagen, dass er stattdessen lieber seine Hausaufgaben machen sollte. Rabastan hatte die Schnauze voll von der Schule und den Lehrern, von seinen Mitschülern und dem ewigen Streit mit den Gryffindors, den er letztendlich nie gewinnen konnte, weil kaum ein Lehrer jemals den Schlangen recht gab. Er hatte es satt, ständig wie ein Kind behandelt und nicht für voll genommen zu werden. Sobald er die Schule endgültig verlassen hatte, würde er sein eigenes Leben führen und er schwor sich, dass niemand ihm da hineinreden würde.
Elyna setzte sich langsam auf und löste sich von Rabastan. "Ich gehe noch ein bisschen spazieren", sagte sie leise und erhob sich von dem Himmelbett, in dem sie die letzten sieben Jahre geschlafen hatte.
Rabastan nickte lediglich und ließ sie gehen. Er wusste, dass sie eine andere Beziehung zu dem alten Schloss hatte als er. Wenn sie bereit war, Hogwarts zu verlassen, würde sie wieder zu ihm kommen.
Elyna strich durch die Gänge der Schule, blieb vor dem ein oder anderen Fenster stehen, um die Aussicht zu genießen, und schwelgte in Erinnerungen.
In dem Korridor im sechsten Stock hatte sie sich in ihrem dritten Jahr gemeinsam mit Narzissa vor Severus versteckt, weil der Schwarzhaarige sie mit seiner Zaubertranknachhilfe genervt hatte. Er hatte sie gefunden und an den Ohren zurück ins Klassenzimmer geschleift.
In dem Mädchenklo im siebten Stock hatte Elyna vor zwei Jahren mal eine Magen-Darm-Grippe ausgesessen. Josec hatte sie nach stundenlangem Suchen gefunden und ihren Freunden gesagt, dass sie in der Bibliothek lernen würde, weil es ihr doch ziemlich peinlich gewesen war.
Und dann gab es noch den Korridor, in dem Elyna und Josec sich einst duelliert hatten. Noch immer spürte die Schwarzhaarige die starke Magie, die hier gewirkt worden war.
Als Elyna vor einem der Fenster stehen blieb und nach draußen guckte, musste sie unwillkürlich lächeln. Wie oft hatten sie schon am Schwarzen See gesessen und gefaulenzt? Wie oft hatten sie ihre Hausaufgaben auf den letzten Drücker erledigt, weil sie den Tag unter ihrem Lieblingsbaum verbracht hatten? Wie oft hatten Rabastan und Josec sie angefleht, ihre Aufsätze von ihr abschreiben zu dürfen?
"Elyna?", riss sie plötzlich eine Stimme aus ihren nostalgischen Gedankengängen. Sie wirbelte herum und sah sich Remus Lupin gegenüber. Sofort bekamen ihre Wangen einen leichten Rotstich.
"Hallo, Remus", begrüßte sie den Gryffindor.
Er stellte sich neben sie und warf ebenfalls einen kurzen Blick nach draußen, bevor er ihr seine ganze Aufmerksamkeit zuwandte. "Was machst du hier? Schon fertig mit packen?"
Elyna nickte. "Ja, aber irgendwie... bin ich noch nicht so richtig bereit zu gehen. Hogwarts ist mein Zuhause seit sieben Jahren und jetzt soll das von heute auf morgen vorbei sein. Ich würde einfach gerne noch etwas länger hierbleiben." Sie seufzte und lächelte dann verlegen.
Remus sah sie aus seinen moosgrünen Augen verständnisvoll an. "Geht mir genauso. Ich meine, ich habe zwar ein Zuhause mit liebevollen Eltern, aber hier in Hogwarts wurde ich immer von allen so angenommen wie ich bin, mit all meinen Macken und Fehlern und seltsamen Angewohnheiten. Selbst der Umstand, dass ich ein Werwolf bin, hat euch nicht von mir abgeschreckt, auch wenn ich das nicht ganz nachvollziehen kann. Hier in Hogwarts habe ich Freunde gefunden, die immer hinter mir stehen. Und... und hier habe ich mich auch verliebt."
Er war zum Ende hin immer leiser geworden, aber Elyna hatte ihn trotzdem verstanden. Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus und schließlich strahlte sie ihn an, bevor sie ihm um den Hals fiel und sich eng an ihn presste. Sie hatte ihm zwar bereits gestanden, dass sie in ihn verliebt war und seit dem Abschlussball trafen sie sich regelmäßig und küssten sich auch des öfteren, doch bisher hatte Remus nie gesagt, dass er wie sie empfand.
Elyna löste sich nur langsam von Remus, fuhr mit ihren Fingern sanft die vielen Narben in seinem Gesicht nach und küsste ihn dann ausgiebig. "Wir werden eine Lösung finden", versprach sie ihm. "Irgendwie werden wir es schaffen, in dieser verrückten Welt zu überleben."

Nicht der Tod wird uns trennenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt