Das ist ein Kreis

12 2 0
                                    

Kreise kann ich gut malen. Schnell und flott, und meistens ohne allzu viele Ecken einzubauen. Vom Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang kann ich dort am Boden Sitzen, und Kreise zeichnen, mit dem einen Stift, den ich besitze. Stunden lang sitze ich dort, doch schein mich nicht wirklich zu verbessern. Ärgerlich. Der erste Kreis war ganz in Ordnung, aus einer Linie wurde er zumindest gebildet, ohne viel darüber nachdenken zu müssen. Der zweite war noch besser, der dritte wieder schlechter und der vierte noch schlechter, ehe der fünfte ein weiteres Mal besser wurde und der sechste leider wieder schlechter.
Nun hatte ich schon so viele Kreise gemalt, dass ich weder den ersten, den zweiten, den dritten, den vierten, den fünften oder gar den sechsten sehen kann. Konturen und Figuren kann ich nicht mehr sehen, keinen Kreis und keine Ecke. Eine einzige, gräuliche Tönung von oben bis unten, das Blatt ganz eingenommen.
Ich halte das Blatt hoch, behutsam an den kleinen Ecken, begutachte es, mal von der einen Seite, mal von der anderen. Zufrieden bin ich nicht, nein, doch auf keinem Fall unzufrieden, nein, das auch nicht, eher neutral eingestellt, wie ich dieses Blatt so ansehe.
Du kommst herein und fragst mich, was ich denn da mache. "Kreise malen", sag ich dir und du fängst an zu lachen. Du nimmst einen Zirkel aus deiner Hosentasche, ein neues Blatt vom Stapel:
"Siehst du, guter? Das ist ein wahrer Kreis."

Kurze ProsawerkeWhere stories live. Discover now