Poésie engagée

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Max legte sich in den Kamin und schlief ein. Er war Pragamatiker. Und Pianist. Im kältesten Winter machte er es sich dort gemütlich, wo es am wärmsten war. Denn die Nächte waren lang und düster. Und Max war ein Kind des Lichts. Ein alter Mann, der gerne Kirschkuchen am Mittag aß. Und am Kaminglas liegend wachte er auf. Er liebte den Geschmack von Ruß, von destruktiver Metamorphose. Jeden Morgen aß er also die restlichen Kohlen, die in der Nacht nicht vollkommen verbrannt wurden, leckte das rußbedeckte Kaminglas rein und trat aus dem Kamin. Er hatte Kinder und Frau, doch diese verstanden ihn meist nicht. Mit rußbedecktem Gesicht öffnete Max die Türen einen Spalt breit und sah seine Liebsten in den Federbetten ruhen. Wecken wollte er sie nicht, verstehen, weshalb sie zu diesen Urzeiten noch tief und fest schliefen, wollte und konnte er jedoch auch nicht. Max war ein Routinier. Ein Frommer und ein Gewissenhafter. Weder Faulheit noch Exzess konnte er jemals wirklich verstehen. Seine Frau reichte die Scheidung ein, als sie aufwachte und die Kinder weinten nicht darum. Und wie Max dazu aufgefordert wurde, den teuren Ring mit den Diamanten abzulegen, bemerkte dieser, dass er diesen nicht mehr vom Finger lösen konnte. Er hatte zu viel vom Kirschkuchen gegessen. Also schnitt seine Frau den ganzen Finger mit einem Mal ab und unterschrieb die Scheidungsunterlagen damit in formvollendeter Reinschrift. Max war nun kein Pianist mehr. Nur noch Pragmatiker. Und er bereitete einen letzten Kirschkuchenteig zu, der im Kamin mit ihm brutzeln sollte. Er öffnete die Kamintür mit dem sauberen Glas einen Spalt breit und legte sich und den Kirschkuchenteig in der Form hinein. Frau und Kinder schlossen die Türe am Morgen und sahen ihrem Mann und Vater dabei zu, wie er verbrannte. Im absoluten, formvollendeten Feuer. Um den Kirschkuchen war es jedoch sehr schade. Er war sehr verkohlt.

Kurze ProsawerkeWhere stories live. Discover now