Das Geheimnis von 'The World'

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Dios Stand war unglaublich stark. Ich wusste nicht, welche Kraft sich dahinter verbarg, doch ich mir war klar, dass sie außerhalb unseres Verständnisses lag. Mein Blick fiel nach unten auf meine blutigen Hände und ich spürte, wie weiteres Blut meine Wange hinunter lief.

"Kakyoin, geht es dir gut? Hast du The World gesehen?"

"Ja... Ich habe aus zehn Metern Entfernung angegriffen. Wäre ich näher dran gewesen, wäre ich jetzt nicht mehr. Dieser Stand hat ein Geheimnis, jenseits all unserer Vorstellung. Aber ich konnte zwei Dinge herausfinden. Zum Einen hat er weniger Reichweite als Hierophant Green und Hermit Purple. Wie Star Platinum ist er im Nahkampf gefährlich. Seine Reichweite beträgt etwa zehn Meter. Zum Anderen hat er mit seiner Faust angegriffen. Er benutzt also keine Angriffe aus Distanz. Wenn wir auf zehn Meter an Dio herankommen, ohne dass er es merkt, haben wir eine Chance, ihn zu besiegen."

"Wir müssen noch mehr herausfinden. Man kann bei ihm nicht vorsichtig genug sein.
...Das ist seltsam. Er hat angehalten."

Angehalten? Er musste etwas vor haben... Misstrauisch drehte ich mich um und schaute durch die Heckscheibe.

"Achtung! Da kommt etwas auf uns zu!"

Plötzlich knallte es und Glassplitter flogen durch die Gegend. Dio hatte etwas, oder besser gesagt jemanden, durch die Scheibe in unser Auto geworfen. Joseph verlor die Kontrolle über das Auto, alles drehte sich und zum Schluss prallten wir gegen eine Hauswand. Glücklicherweise überstanden wir dies einigermaßen gut und befreiten uns so schnell es ging aus dem Wagen und zogen uns mithilfe unserer Stands auf das nächste Hausdach.

"Was tust du da, Kakyoin?"

"Ich weiß es jetzt. Ich weiß, wie wir die Wahrheit über seinen Stand herausfinden."

Wir schwangen uns von Hausdach zu Hausdach um ein wenig Abstand zu Dio zu gewinnen und ihn gleichzeitig hinter uns her zu locken. Joseph mit seinem Hermit Purple und ich mit den Tentakeln von Hierophant Green. Nachdenklich schaute ich hinunter zu meinem grün leuchtenden Stand und dachte zurück an meine Kindheit. Schon immer war ich einsam. Nicht wegen den anderen Kindern, sondern wegen mir. Weil ich anders war... Weil mich niemand so sehen konnte, wie ich war. Weil niemand Hierophant Green sehen konnte. Wie könnte ich mich mit jemandem anfreunden, der ihn nicht sehen konnte, wenn er doch ein Teil von mir war? Dann traf ich meine jetzigen Gefährten, nein, Freunde. Sie alle konnten meinen Stand sehen und hatten selbst einen. Sie verstanden mich. Sie waren richtige Freunde für mich geworden, allesamt. Und Jotaro war sogar etwas ganz besonderes. Dio drohte, das was ich gefunden hatte wieder zu zerstören. Er hatte sogar bereits damit begonnen, indem er uns Avdol und Iggy genommen hatte. Ich konnte nicht zulassen, dass er noch mehr von uns verletzte oder sogar tötete! Ich musste Jotaro beschützen...

Als Dio einen von Hierophants Tentakeln, die bereits ein großes Netz auf dem Hausdach gesponnen hatten, berührte, beschoss ich ihn von allen Seiten nacheinander mit meinem Emerald Splash, doch wie erwartet wehrte er sie alle ab. Das Netz umgab ihn allerdings nun 20 Meter in jede Richtung. Keine Bewegung von ihm würde vor mir verborgen bleiben. Joseph hatte sich in der Zwischenzeit versteckt und schaute von sicherer Entfernung aus zu. Ich hatte ihn darum gebeten, mir das Schlachtfeld nun zu überlassen.
So standen wir uns also gegenüber. Der Mann, der für eine Zeit lang die Kontrolle über mich übernommen hatte. Der Mann, der der Grund dafür war, dass Jotaros Mutter Holly im Sterben lag. Der Mann, der ohne zu zögern Jotaro töten würde. Meinen geliebten Jotaro... Das konnte ich nicht zulassen!

Dio sah sich um und betrachtete gelassen das grüne Netz. Wut kochte in mir hoch und erneut ließ ich Hierophant den Emerald Splash schießen, diesmal allerdings von allen Seiten gleichzeitig. Es gab kein Entkommen für ihn. Doch wieso änderte sich noch immer nichts an seinem Gesichtsausdruck? Er sah mich an, mit einem Blick als hätte er längst gewonnen. Es bereitete mir Sorgen, doch die Smaragde waren kurz davor, bei ihm einzutreffen. Wie sollte er da noch entkommen, ohne seinen Stand zu zeigen?

"Du Narr. Bald wirst du erfahren, dass The Worlds wahre Kraft in der Tat die Kraft ist, die Welt zu beherrschen!"

Zeig deinen Stand, Dio!

"ZA WARUDOOO!"

Da! Sein Stand tauchte auf! Die Smaragde prasselten alle auf ihr Ziel ein und bildeten eine dichte Rauchwolke und...
Schmerz. Wind. Ich flog. Auf einmal ging alles so schnell. Was war passiert? Wo flog ich hin? Und warum?
Noch mehr Schmerz. Ein harter Aufprall. Ich schnappte nach Luft. Es fühlte sich an, als würde ich zerbrechen, überall.
W-Was... Was ist gerade passiert?
Ich schaute an mir herab. Unmengen von Blut liefen aus meinem Bauch hinaus.
Hat er mich geschlagen? Ich kann mich nicht bewegen... Nicht einmal sprechen.

Mein Blick war verschwommen, doch ich erblickte die Turmuhr.
Es ist 17:15 Uhr in Kairo... Also ist es in Japan kurz nach Mitternacht. Ich frage mich, was meine Eltern gerade machen. Wahrscheinlich schlafen sie. Sie wissen nicht einmal wo ich bin und warum. Ob sie denken, ich sei abgehauen? Vor meinem Aufbruch habe ich gar nicht mehr mit ihnen gesprochen. Und nun liege ich hier und sie werden nie wissen, was überhaupt geschehen ist... Es tut mir leid...

Ich ließ meinen Blick schweifen und sah dabei zu, wie Hierophants Netz zerfiel. Wie konnte das alles passieren? Ich spürte jede Bewegung, die jemand in Hierophant Greens Netz machte. Aber Dio hatte es mit einem Streich zerstört. Alle zerrissen gleichzeitig. Nicht einmal ein Bruchteil einer Sekunde dazwischen. Wie...? Alles auf einmal..? Die Zeit vergeht... Zeit... Ein Augenblick! Nun verstand ich es! Es gab keine andere Erklärung. Ich musste diese schreckliche Wahrheit Joseph mitteilen... Irgendwie...
Noch einmal sammelte ich alle meine letzten verbliebenen Kräfte zusammen. Hierophant bildete sich nur ganz schwach und blass vor mir. Gemeinsam mit meinem scheinbar allerletzten Emerald Splash, den Hierophant auf die Turmuhr abfeuerte, schoss mir auch ein weiterer Schwall Blut aus dem Mund. Die Schmerzen waren so unerträglich. Es sollte endlich aufhören...
Die Uhrzeiger explodierten, dunkler Rauch stieg auf. Es war eine Nachricht. Es war alles, was ich noch tun konnte... Joestar-san. Bitte verstehe es. Es ist die Zeit, die stehen bleibt. Dio...stoppt sie...

Jotaro... Was ist mit Jotaro? Er wird sich Vorwürfe machen. Ich werde ihn nie wieder sehen können. Ich konnte mich nicht richtig von ihm verabschieden. Könnte man sich überhaupt richtig von jemandem verabschieden den man liebte, wenn man wüsste, es wäre für immer? Das letzte Mal, als ich ihn gesehen hab... Es war als er mit Polnareff los ging. Als er mir noch ein letztes Mal zunickte und sagte "pass auf dich auf".

Pass auf dich auf. Es tut mir leid, Jotaro. Ich konnte nicht auf mich aufpassen.

In Your Arms - Last Train Home [Jotakak] Where stories live. Discover now