x. durch die linse

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am donnerstag zwei tage später ging ich einkaufen.

eigentlich war es eine ziemlich spontane entscheidung gewesen — wie eigentlich alles in meinem leben, wenn ich ehrlich war. nach der arbeit bin ich nachhause gekommen und vor dem leeren kühlschrank gestanden, vor dem limettengelben kühlschrank, bis ich begonnen hatte, nachdzudenken.

und wenn ich nachdachte, nahm das meistens kein gutes ende.

einmal hatte ich sogar meine ganze kleine wohnung in london dunkelgrün angestrichen, weil ich darüber nachgedacht hatte, dass die weiße farbe zu hell und steril gewesen ist. krankenhauswände. irrenanstaltswände. nach der dritten wand hatte ich dann gottseidank noch rechtzeitig aufgegeben.

das gleiche war bei mir auch mit... beziehungen. zumindest ein bisschen. zumindest seit meine letzte freundin sich so plötzlich von mir getrennt hatte. samba hatte mich die wochen danach immer in seine bars mitgeschleppt und ich hatte... ich hatte halt spontan mädchen mit nachhause genommen. es war nicht unbedingt meine beste zeit gewesen, wenn ich ehrlich war.

seufzend starrte ich den kleinen buchladen vor mir an.

und wie ich hierher gekommen bin, wusste ich auch nicht. okay, vielleicht habe ich ja in google maps bücherläden eingegeben, in der kälte vor dem kleinen supermarkt, um mir den weg zu erleichtern. aber ganz vielleicht nur, natürlich.

ich zog die nase hoch und beugte mich ein stück vor.

durch die staubigen schaufenster konnte man ins innere schauen. das geschäft war klein und verwinkelt, die bücherwände meterhoch und vollgestopft mit dicken bänden in allen sprachen. ein bisschen hilfslos umklammerte ich meinen stoffsack, als ich die abgegriffene ausgabe von »sense and sensibility« im fenster sah, auf dem groß antiquariaten und bücher geschrieben stand. puh.

»scheiß drauf«, murmelte ich und öffnete ergeben die glastüre. es klingelte leise über mir. vorsichtig schloss ich sie wieder und schaute mich im leeren raum um. hier drinnen wirkte es, als wäre es schon abend, mit den hohen regalen und den gedimmten, orangen lichtern. es roch ein bisschen nach fenchel und staubigen seiten.

und ich verliebte mich irgendwie in das dunkle, verwinkelte geschäft.

»suchen sie etwas?»

erschrocken schaute ich zu dem alten herren, der im türrahmen stand. aus dem raum hinter ihm kam musik, ganz leise klaviertöne nur, die fast nicht hörbar waren. ich fühlte mich in einen kiminalfilm aus den achtzigern zurückversetzt. halt ohne dem morden. hoffentlich.

»nicht wirklich, ich will nur einmal... schauen«, sagte ich und er nickte. die riesige, runde brille ließ ihn ein wenig wie einen kauz ausschauen.

»okay, falls sie mich brauchen, ich bin im nebenzimmer«, brummte er und verschwand in seinem raum. ich beobachtete mit zusammengepressten lippen, wie er sich langsam umdrehte und dann einen schritt nach den anderen machte. ob der mann es mit seinem buckel überhaupt noch die klippen hier hochschaffen würde, das war mir ein mysterium. sollte ich... fragen?

aber dann schüttelte ich mich und fuhr mit meinen fingern die ganzen buchrücken im regal nach. bisschen netter sein, bia, komm schon. manche von den wälzern waren so alt, dass man die buchstaben auf dem leder gar nicht mehr entziffern konnte. innerlich ein bisschen zerrissen, schaute ich zurück zu der ausgabe im schaufenster. nein. nein, ich würde mir jetzt kein weiteres jane austen buch kaufen.

aber du hast doch nur eine version von dem und die ist ziemlich hässlich, flüsterte mir mein kleines buchteufelchen auf der schulter zu.

»scheiße, man«, flüsterte ich und ging dann mit großen schritten zur auslage. meine docmartens knarzten laut auf dem alten parkettboden.

BAUCHPINSELNWhere stories live. Discover now