54. Kapitel

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Im Bunker war es dunkel, modrig. Die ganze Atmosphäre jagte mir einen Schauer über den Rücken. Ich lief zwischen Buck und Steve. Normalerweise hätte ich mich beschwert, aber nachdem ich mich mit den Avengers geprügelt hatte, war ich noch immer nicht voll da. Ich nahm den Extraschutz also billigend hin und ich hatte das Gefühl, die beiden Männer dankten mir das. Wir gingen gerade eine kleine Treppe nach oben, als ein Geräusch ertönte. Sofort fuhr Strom durch meinen Körper, den ich aus den alten Leitungen des Bunkers mit meinen eigenen mischte, und ich war bereit zu grillen, wer auch immer...Moment.
"Stark", murmelte ich leise, was dafür sorgte, dass Bucky und Steve zu mir aufsahen. "Das ist eine von Tonys Rüstungen. Ich erkenne sie und den Elektromagneten in seiner Brust."
"Dann sollten wir extra vorsichtig sein", meinte Steve und in dem Moment wurde die schwere Eisentür auseinander gedrückt. Kaum war er im Raum, streckte ich meine Fähigkeiten auf seine Rüstung aus, was die Lichter der Rüstung kurz zum Flackern brachte. Den Magneten in seiner Brust griff ich nicht an.
"Ich weiß, dass du in meinem System bist, Lyla", erklärte er laut.
"Gut und wenn du nur daran denkst, eine Waffe auf uns zu richten, dann grille ich den kompletten Stromkreislauf", antwortete ich.
"Ich bin als Freund hier, okay? Also lass mich los Funkemariechen", er wirkte ernst und ich merkte, dass er den Befehl gab, den Helm hochzuklappen. "Sekretary Ross weiß nicht, dass ich hier bin. Wüsste er es, dann müsste ich mich selbst verhaften."
"Warum bist du dann hier?", fragte Steve.
"Weil du vielleicht Recht hast", antwortete er. "In Berlin haben sie die Leiche des toten Psychologen gefunden, des echten Psychologen. Der Typ, mit dem Barnes gesprochen hat ist ein Soldat mit dem Namen Helmut Zemo." Langsam senkte ich die Hände und entließ die Rüstung aus meinem Griff. Tony nickte mir zu.
"Sagt dir der Name etwas?", ich blickte zu dem Dunkelhaarigen, der neben mir stand. Stumm schüttelte er den Kopf, dann sah er sich in dem Gang um.
"Wir sollten weiter", meinte er und nickte in eine Richtung. Zusammen liefen wir die düsteren Gänge entlang und je länger wir gingen umso mehr spürte ich die Anspannung, die sich in mir aufbaute. Es war ruhig, von Tonys metallischen Schritten abgesehen, und der pulsierende, unregelmäßige Strom in den alten Leitungen trug nicht zu meiner Beruhigung bei. Letztlich kamen wir in einen größeren, zylinderförmigen Raum. In einem Halbkreis standen darin sechs runde Zellen, welche in einem unangenehmen gelben Licht erleuchtet wurden, als wir eintraten. Eine der Kammern war geöffnet und sofort wanderte mein Blick zu Bucky, der jetzt noch viel angespannter wirkte als zuvor. In der Mitte des Raumes stand eine Apparatur, die entfernt einem Stuhl glich. Der ganze Raum jagte mir einen Schauer über den Rücken.
"Hier ist nur eine einzige Wärmesignatur", merkte Stark an. Ich öffnete und schloss meine Hände nervös, wobei kleine Funken aus meinen Fingerspitzen fielen. Das war nicht der Ort, an dem Buckys Erinnerung mit meiner Mutter gespielt hatte, aber es fiel mir nicht schwer, mir vorzustellen, wie sie ihn hier gefoltert und immer wieder gebrochen hatten. Am liebsten hätte ich den Raum so schnell wie möglich wieder verlassen, denn es war mir beinah, als würde ich weit entfernte Schreie hören, Befehle, die gebrüllt wurden, Wörter, die gesprochen wurden, um ihn zu einer Killermaschine ohne Angst und Reue zu machen. Plötzlich spürte ich die sibirische Kälte überdeutlich, selbst durch die Rüstung, die diese mit ihren Materialien abfangen sollte.
"Wenn es sie tröstet, sie sind im Schlaf gestorben", ertönte eine Stimme mit einem Akzent, der mich an den von Wanda erinnerte. "Sie dachten sich nicht wirklich, ich würde mehr, wie Sie wollen."
"Sie sind aus Sokovia", entglitt es mir, bevor ich darüber nachdenken konnte.
"Das ist richtig, Miss McLean", antwortete der Mann, der hinter einer dicken Panzerwand mit einem kleinen Fenster saß.
"Deswegen all das? Wegen Sokovia?", fragte Steve.
"Sokovia war eine Ruine, lange bevor Sie es zerstört haben", antwortete er. "Nein, ich habe alles verloren." Ein Bildschirm, nicht unweit von der Scheibe leuchtete auf. Der Mann dahinter, Zemo, ließ Steve nicht aus den Augen. "Ein Reich, dass von seinen Feinden zerstört wurde, kann wieder aufgebaut werden aber eines, dass von innen heraus zerstört wurde bleibt zerstört. Für immer." Das Bild auf dem Bildschirm begann zu flackern und es wurde eine Aufzeichnung einer Videokamera gezeigt. Das Datum war alt, der 16. Dezember 1991. Ein Auto fuhr gegen einen Baum.
"Ich kenne diese Straße", murmelte Tony, der zwischen Steve und mir stand. Hinter dem Auto hielt ein Motorrad, der Fahrer ging auf das Auto zu und zerrte einen Mann heraus. Er schlug ihn und setzte ihn wieder hinter das Lenkrad, dann ging er zu der anderen Seite des Autos und griff mit einem Arm hinein. Als er vollbracht hatte, was er tun sollte, ging er zur Kamera und richtete eine Pistole darauf. Buckys Gesicht, seine Augen, sahen uns entgegen, kalt, emotionslos, nicht er selbst. Das war der Winter Soldier, wenn HYDRA ihn steuerte. Einer Vorahnung folgend, entfernte ich mir ein paar Schritte von Steve und Tony. "Meine Eltern..." Meine Augen wurden groß, als ich verstand, was ich gerade gesehen hatte. "Hast du es gewusst?" Diese Frage war an Steve gewandt.
"Nicht das er es war", antwortete dieser ruhig. Steve war ein schlechter Lügner.
"Lüg mich nicht an, Rogers!", Tony war aufgebracht.
"Ja, ich habe es gewusst. Aber das war nicht er, es war HYDRA", versuchte Steve die Situation zu deeskalieren, doch es war zu spät. Er konnte gerade noch das Schild hochreisen, als Tony auf ihn feuerte und ihn damit ein paar Meter durch die Luft beförderte. Sofort hatte ich auf seine Rüstung zugegriffen und versuchte die Waffensysteme und den Antrieb des Flugsystems auszuschalten.
"Raus aus meinem Anzug", sein Visier war nun nach unten geklappt.
"Du bist nicht klar, Tony", antwortete ich ruhig. "Du bist wütend und das verstehe ich, aber..." Schmerz jagte durch meine Rippen, als er mich mit einem Schlag zur Seite beförderte. Ich verlor den Boden unter den Füßen und als ich ihn das nächste Mal berührte, schlug zuerst mein Kopf hart auf den Beton. Sofort begann sich die Welt um mich zu drehen und schwarze Punkte tanzten vor meinen Augen, während meine Rippen dumpf pochten.
"Lyla!", ich suchte nach Bucky und sah, wie Tony ihn in die Luft hob, am Hals gepackt.
"Lyla", mein Kopf fuhr wieder herum, was eine weitere Welle Schmerz dadurch jagte. Mit schmerzverzehrtem Gesicht tastete ich nach der Stelle am Hinterkopf, da drängte sich Steve in mein Blickfeld. "Du musst hier raus, okay? Verschwinde." Er sah mich ernst an und ich nickte benommen. Als er wieder verschwunden war, irgendwo hörte ich Kampfgeräusche, blickte ich auf meine Hand und entdeckte Blut.
"Mist", fluchte ich, dann zog ich mich an einer Wand nach oben. In diesem Moment ließ eine Explosion den Raum erzittern und ich vernahm das Knirschen von Metall. Als ich aufblickte, sah ich unzählige Rohre und Splitter, die in meine Richtung rasten. Mit welcher Kraft auch immer rannte ich los, doch mein Blick wurde immer verschwommener und meine Beine zitterten, dann, ganz plötzlich gaben sie nach. Ich schlitterte noch einen Moment über den Beton, eh ich zum Liegen kam. Panik flutete meinen Körper und ich warf mich mit letzter Kraft auf den Rücken, was die schwarzen Flecken noch größer werden ließ, dann spürte ich einen höllischen Schmerz in meiner Bauchregion, eh um mich herum alles schwarz wurde.

Wenn ich Tod war, dann war der Tod sehr viel schmerzhafter und kälter als ich gedacht hatte. Aus der Ferne hörte ich, wie Metall auf Metall schlug und eine Stimme. Meine Augen waren schwer, viel zu schwer, um sie zu öffnen und Wellen des Schmerzes jagten durch meinen Körper. Ich wollte Schreien aber mein Mund reagierte nicht auf meinen Befehl.
Entweder war ich in der Hölle, es war nun nicht das erste Mal, dass ich das vermutete und meine katholische Großmutter würde mir jetzt sagen: „Ich habe es dir gesagt" auch wenn sie im ganzen Leben noch nie mit mir gesprochen hatte und vermutlich schon einige Jahrzehnte unter der Erde war, oder ich wünschte mir ernsthaft endlich zu sterben.
"Lyla", endlich verstand ich die Stimme, ich konnte sie sogar zuordnen aber genau in diesem Moment setzten die Kopfschmerzen ein. Für einen Moment verzog ich das Gesicht. "Bleib wach, bitte, bleib wach. Du musst bei mir bleiben, okay? Du hast gesagt, du bleibst bei mir." Ich spürte wie mein Verstand langsam wieder abdriftete und es füllte mich mit einem klein wenig Erleichterung. "Du darfst nicht sterben. Ich weiß du hörst mich und ich weiß, du leidest, aber du darfst nicht sterben. Es ist noch nicht deine Zeit. Komm zu mir zurück." Seine Stimme wurde leiser und erschien immer weiter entfernt. Für einen Moment schwebte ich in der Dunkelheit, dann sah ich plötzlich einen weißen Punkt. Neugierig steuerte ich darauf zu. Der Punkt wurde immer größer und bald erkannte ich eine Gestalt. Eine junge Frau mit schwarzem Haar.
"Evelina?", meine Augen weiteten sich. Sie hatte sich nicht verändert, trug noch immer die Uniform von Ricky's.
"Hallo Lyla", sie lächelte mich warm an.
"Hey, was machst du hier? Ich dachte, ich sehe dich nicht wieder, nachdem ich...", es traf mich wie ein Schlag. "Nein! Nein, ich kann noch nicht sterben! Ich muss zurück!"
"Lyla, ganz ruhig", lachte die junge Frau. "Ich wollte dich nur sehen. Ich war so besorgt, nachdem du verschwunden warst. Aber jetzt weiß ich, dass es dir gut ging, von diesem kleinen Vorfall mal abgesehen." Sie schob die Hände locker in die kleinen Taschen, die auf das Kleid genäht waren. "Bist du glücklich?"
"Ja", meinte ich und blickte über meine Schulter, in die Dunkelheit. Plötzlich bekam ich Angst davor, zurückzugehen. Was passiert dort gerade?
"Ist er bei dir?", ich blickte zu ihr zurück und spürte, wie mir ein wenig wärmer wurde.
"Ja", ich musterte sie. "Ich würde gerne mit dir gehen." Ich erschrak ein wenig über die Erkenntnis.
"Ich weiß, Lyla und du hättest dir deinen Frieden verdient aber wir wissen beide, dass du noch nicht fertig bist", lächelte sie. "Das hier wäre der einfache Weg und den bist du noch nie gegangen." Ich nickte langsam. "Na los, eine Umarmung ist erlaubt." Keine Sekunde später lag ich in ihren Armen.
"Weißt du, was noch passieren wird?", sie schwieg und ich nahm das als meine Antwort. "Danke." Vorsichtig löste ich mich. "Ich muss zurück."
"Natürlich", nickte sie. "Wir sehen uns, Lyla auch wenn ich hoffe, nicht allzu bald." Sie wank mir zu und wandte sich um.
"Warte! Was ist mit dir? Wie war dein Leben?", rief ich ihr nach und hörte ihre helle, warme Lache.
"Ich war ein Star, Darling. Ich habe gelebt und jetzt bist du an der Reihe, also zögere es nicht hinaus", sie warf die Arme in die Luft und drehte sich um die eigene Achse. Ich lächelte und sah ihr noch einen Moment nach, dann wandte ich mich um und ging zurück in die Dunkelheit.

»The vanished girl« // Bucky BarnesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt