Alkohol zum Neuanfang

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„Mädchen für Alles?", frage ich verwirrt. „Wir nennen diese Personen intern so, weil sie einfach von allem ein bisschen können und die perfekte Unterstützung für Social Media Anfänger sind. Zum Beispiel hat Rezo seit einiger Zeit TJ. Dieser schneidet einen Großteil der Videos, ist aber auch bei der Planung und beim Dreh dabei und manchmal auch Teil eines Videos. Meistens sind es Personen, die auch etwas in diese Richtung studiert haben oder einfach gerne Fuss fassen würden in der Social Media Welt." „Mhm", nehmen ich diese Information zur Kenntnis. „Ich weiß es ist gerade viel Information auf einmal, also lasse dir das doch einfach mal durch den Kopf gehen und melde dich dann nochmal", fordert sie mich auf. „Ähm, ja klar", antworte ich überrumpelt und wir verabschieden uns.

Die nächsten Tage geht mir das Angebot nicht mehr aus dem Kopf und trotzdem komme ich zu keinem Entschluss. Eine Woche später erhalte ich dann jedoch eine E-Mail von der Stelle aus Hamburg. Wieder eine Absage. Wütend schmeiße ich mein Handy in die hintere Ecke meines Sofas. Warum kann diese scheiß Jobsuche nicht einfach mal erfolgreich sein?

Ja, meistens bin ich ruhig, habe mich mit meiner Krankheit angefunden, kann damit leben, dass andere mich nicht einfach behandeln können wie sie andere Menschen behandeln. Aber in solchen Moment, wenn etwas einfach nicht funktionieren will, wenn ich kontinuierlich nur Ablehnung erfahre, werde ich wütend. Wütend auf diese Gesellschaft, die so viel Wert auf Normalität legt und auf mich, weil sich dieses Gefühl in mir breit macht, es wirklich nicht wert zu sein. Dass ich einfach mehr Behinderung als Mensch bin, dass ich es nie zu irgendwas schaffen werde. Eigentlich weiß ich, dass all das nur irgendwelche dummen Gedanken sind und trotzdem reißen sie mich manchmal mit in den Abgrund und das macht mich wütend.

Ich versuche mich zusammen zu reißen, tief durchzuatmen, mir einzureden, dass es jetzt auch nichts bringt wütend zu sein. Wie automatisch gehe ich in die Küche und nehme mir ein Glas aus dem Schrank über der Spüle. Danach greife ich zu der halb leeren Weinflasche und schenke mir ein. Alkohol ist vielleicht keine Lösung, aber es beruhigt mich ungemein.

Ich will nicht sagen, dass ich nicht betrunken gewesen wäre, als ich ein paar Stunden später dem Angebot von AME in einer WhatsApp-Nachricht zusage. Man könnte es auch eine Snapsidee nennen, fällt mir auf während ich das leere Snapsglas auf den Couchtisch stelle.

Wann ich genau eingeschlafen bin, kann ich am nächsten morgen nicht mehr so genau sagen. Mein Kopf dröhnt. Die Sirenen der Krankenwagen aus dem nahegelegenen Krankenhaus sind ohrenbetäubend laut. Gequält drehe ich mich auf die andere Seite und öffne meine Augen. Viel zu hell scheint die Sonne in mein Schlafzimmer. Schnell kneife ich meine Augen wieder zu, in der Hoffnung, dass der stechende Schmerz nachlässt. Blind ertaste ich den Wecker auf meinem Nachttisch und schaue kurz auf die Uhr. 10 Uhr. Naja, das geht ja sogar noch.

Einige Zeit bleibe ich noch liegen bevor ich mich aufraffe und in der Küche eine Flasche Sprudel leere. Anschließend zwinge ich mir noch ein kleines Frühstück runter, bevor ich mich auf die Suche nach meinem Handy begebe. In einer Rille zwischen den Sitzteilen meines Sofas finde ich es schlussendlich. Überrascht stelle ich fest, dass ich einige verpasste Anrufe und ungelesene Nachrichten habe.

Die anfängliche Verwirrung verflüchtigt sich aber wieder als mir einfällt, dass ich heute Nacht dem Job von AME zugesagt hatte. Sie hatten mich versucht zu erreichen. Wahrscheinlich um mich zur Vertragsunterzeichnung einzuladen. Ich hinterlasse Xenia eine kurze Nachricht, dass ich gerne um 14 Uhr im Hauptsitz des Managements vorbei kommen würde und die Zusammenarbeit offiziell machen würde. Vielleicht muss man sich manchmal einfach zu seinem Glück zwingen, die Chancen die einem geboten werden nutzen und es einfach auf sich zu kommen lassen, was daraus wird. Aufhören kann man dann immer noch.

Mit der neu gewonnen Lebensenergie krame ich aus den tiefen meines Kleiderschranks meine alten Sportklamotten und Laufschuhe. Wenn eine Lebensveränderung, dann richtig!

Schon nach den ersten Metern ist mir klar, dass ich ein unsportliches Wrack bin, aber ich zwinge mich weiterzulaufen. Nach einer Viertelstunde bin ich zwar schon ziemlich kaputt, aber es fühlt sich schön an sich ausgepowert zu haben. Der Herbst neigt sich zu Ende, aber dafür ist der Wind noch viel zu warm. Mir soll es recht sein, dann schaffe ich es vielleicht nochmal laufen zu gehen, bevor die Straßen glatt werden. Eine Verletzung kann ich echt nicht gebrauchen. 


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Ich versuche echt wieder häufiger zu schreiben, aber immer kommt irgendwas dazwischen. Drama, die mir gerne erspart hätten bleiben können. Und zurzeit lese ich auch einfach viel zu gerne und dann ist plötzlich der Tag rum und wieder nichts geschrieben. 

Eigentlich will ich diese Geschichte einfach weiter voran treiben, weil in meinem Kopf klingt sie mega spannend, aber soweit bin ich im schreiben einfach noch lange nicht 😂 Ich bin quasi schon beim Happy End gedanklich, aber ihr seht ja wie weit ich mit schreiben bin, das Drama ist noch nicht mal am Horizont zu erkennen oder hat schon irgendjemand eine Vermutung, was passieren könnte? 

Schönen Samstag wünsche ich euch noch!

Erfundene WahrheitenWhere stories live. Discover now