2. Kapitel

117 5 2
                                    

Am nächsten Morgen erreichten Graupfote, Feuerpfote und Rabenpfote frühzeitig die Sandkuhle. Sie waren aus dem Bau gekrochen, während Sandpfote und Borkenpfote noch schliefen. Es sah nach einem weiteren warmen Tag aus. Graupfote spielte herum, warf Blätter in die Luft und sprang ihnen nach. Feuerpfote sah ihm zu, sein Schwanz zuckte amüsiert. Rabenpfote dagegen saß etwas abseits und wirkte angespannt. Er freute sich auf das gemeinsame Training mit seinen Freunden... und mit Tigerkralle. Auch wenn er immer etwas grob und unfreundlich war, gab es etwas, dass Rabenpfote an ihm mochte. Er wusste selbst nicht genau, was es war. Aber er wusste, dass es ihn allmählich verrückt machte. Es fiel ihm von Tag zu Tag schwerer, seine Gefühle für sich zu behalten und er hatte die letzte Nacht nur schwer einschlafen können. Es war, als müsste er ganz allein eine schwere Last mit sich herumschleppen, die er einfach nicht loswurde.

"Hey, was ist denn auf einmal los mit dir?" rief Graupfote ihm zu. "Ich dachte, dass du das Training magst, so angespannt bist du deswegen doch sonst nicht." Rabenpfote hob den Kopf. "Es ist nichts, ich..." hob er an, doch brach ab. Er fand nicht die Worte, um seinen Freunden zu erklären, was mit ihm nicht stimmte, ohne den wahren Grund erzählen zu müssen. "Alles okay?" erkundigte sich nun auch Feuerpfote, dem sein nervöser Blick ebenfalls aufgefallen sein musste. "Ja" antwortete Rabenpfote knapp. "So siehst du aber nicht aus" bemerkte Graupfote. Der Geruch von Löwenherz und Tigerkralle verriet den Schülern, dass die beiden sich näherten und Rabenpfote maunzte noch schnell: "Es ist alles in Ordnung. Wirklich." Im gleichen Augenblick tauchte Tigerkralle aus dem Gebüsch auf, gefolgt von Löwenherz. "Dann können wir ja sofort anfangen" begann der große Tigerkater und Rabenpfote trat bei seinem Anblick einen kleinen Schritt zurück. "Heute werden wir euer Kampftraining nochmal üben" verkündete Löwenherz und die drei Schüler spitzten erwartungsvoll die Ohren. "Da Blaustern heute leider keine Zeit hat, mit uns zu trainieren, werden Tigerkralle und ich uns deine Ausbildung für diesen Tag teilen" fuhr er an Feuerpfote gewandt fort. Feuerpfote schien kein Problem damit zu haben und nickte trotzdem begeistert. Rabenpfote hingegen fühlte sich bei dem Gedanken gegen Tigerkralle zu kämpfen etwas unwohl. Auch wenn es nur eine Übung war, hatte er Respekt vor ihm. "Gut. Jetzt, da das geklärt ist, lasst uns nicht noch mehr Zeit verschwenden und anfangen" schnaubte Tigerkralle gereizt und Rabenpfote nahm an, dass er wohl einen schlechten Tag hatte. Löwenherz nickte Tigerkralle zu und wandte sich dann an Graupfote und Feuerpfote. "Ihr beiden kommt mit mir. Wir können uns da drüben aufstellen." Er deutete mit der Schwanzspitze auf eine Stelle weiter abseits in der Sandkuhle und die beiden Schüler folgten ihm. "Viel Glück" wünschte ihm Graupfote mit einem letzten Blick über die Schulter. Sie waren nun weit genug entfernt, damit er und Tigerkralle ausreichend Platz hatten.

"Wiederholen wir zuerst die Grundtechniken. Die solltest du inzwischen können" sagte Tigerkralle und begab sich in Angriffsstellung. "O-Okay..." Zögerlich tat Rabenpfote es ihm gleich und versuchte dabei möglichst selbstsicher zu wirken. Obwohl er diese Techniken bereits kannte, spürte er die Unsicherheit, die in ihm aufstieg. Er durfte sich jetzt keinen Fehler erlauben, da er vor den anderen schließlich nicht unerfahren aussehen wollte. "Na los! Greif mich an!" befahl Tigerkralle streng und Rabenpfote spannte seine Muskeln an. Mit eingezogenen Krallen sprang er vor und versuchte Tigerkralle an der Nase zu treffen. Dieser wich geschickt mit einem Sprung zur Seite aus und verpasste ihm mit der Pfote einen Schlag auf den Kopf, wodurch Rabenpfote ein Stück nach hinten taumelte. "Gleich nochmal" fauchte er, als Rabenpfote wieder einen festen Stand hatte und Rabenpfote preschte erneut nach vorne, bäumte sich aber diesmal vor Tigerkralle auf, indem er sich auf die Hinterbeine stellte. Sichtlich unbeeindruckt schnellte Tigerkralle zu ihm vor und schleuderte ihn mit einem Tritt in den Bauch auf den Rücken. Noch bevor sich Rabenpfote wieder aufrichten konnte, war er bereits über ihm und drückte ihn mit seinen kräftigen Vorderbeinen zu Boden. Rabenpfotes Herz machte einen Sprung. Wie gelähmt lag er dort und rührte sich nicht. Tigerkralle sah ihm fest in die Augen und Rabenpfote musste sich anstrengen, nicht rot zu werden. "Wenn dich jemand so zu Boden drückt, versuch ihn, mit deinen Hinterbeinen zu verletzten. Das hatten wir doch schonmal" knurrte Tigerkralle. Rabenpfote war immernoch nicht fähig, sich zu rühren. Er mochte diese Seite an dem großen Kater. Dieses gefährliche, unberechenbare Knurren und wie er ihn anfunkelte, als wäre es ein echter Kampf. "Hörst du mir überhaupt zu?!" fauchte Tigerkralle ihn an und Rabenpfote erschrak. Er hatte völlig vergessen, sich zu wehren. "Oh... tut mir leid. I-Ich war in Gedanken" murmelte er und sah beschämt zur Seite. Seufzend ließ Tigerkralle von ihm ab und fügte streng hinzu: "Ein wahrer Krieger darf sich unter keinen Umständen ablenken lassen. Ich erwarte von dir, dass du in Zukunft bei der Sache bist!" "Tut mir leid, das wird nicht wieder vorkommen" versprach Rabenpfote enttäuscht und richtete sich schnell auf. "Das will ich hoffen." Tigerkralle hatte Recht. Und es ärgerte ihn. Doch es war schwierig, sich aufs Kämpfen zu konzentrieren, wenn man in sein Gegenüber verliebt war... "Also nochmal" drängte er. Rabenpfote machte sich bereit und sprang erneut auf die Hinterbeine. Tigerkralle schnellte wie zuvor nach vorne und trat ihm in den Bauch. Rabenpfote fiel auf den Rücken, doch diesmal würde er sich nicht überlisten lassen. Bevor Tigerkralle sich auf ihn werfen konnte, rollte er zur Seite weg und trat ihm mit den Hinterbeinen gegen die Schulter. Tigerkralle schien überrascht und taumelte leicht. Rabenpfote nutzte seine Chance, warf sich nun auf ihn und drückte ihn mit der Schulter auf den Boden. Mit einem kräftigen Ruck wandte sich Tigerkralle aus seinem Griff und richtete sich auf. "Garnicht mal schlecht" gestand er, während er anfing, seine Pfote zu lecken. Schnell fügte er hinzu: "Aber wenn du damit einen Krieger überwältigen willst, brauchst du mehr Kraft. Ich konnte mich leichter herauswinden, als aus einem Dornengestrüpp." "Ja, Tigerkralle." Rabenpfote ignorierte den bissigen Unterton seines Mentors und hob stolz den Kopf. Tigerkralle hatte ihn gelobt! Vor Freude begann sein Herz wieder schneller zu schlagen und er nahm sich vor, es beim nächsten Mal noch besser zu machen. "Wow, das war richtig gut Rabenpfote!" Graupfote kam vom anderen Ende der Sandkuhle zu ihm hinübergesprungen, gefolgt von Feuerpfote und Löwenherz. "Da muss ich Graupfote Recht geben" stimmte ihm Löwenherz zu. "Wenn du dich anstrengst, wirst du diese Technik bald problemlos beherrschen." Rabenpfote nickte. "Das werde ich" versprach er. Tigerkralle wandte bei diesen Worten nur seinen Blick ab und sagte nichts.

Tigerkralle x RabenpfoteWhere stories live. Discover now