Es gibt keine Krokodile in Südamerika

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Schiller war gerade dabei, den nächsten Absatz in seiner Mail an das Theaterensemble zu tippen - Probentermine wurden gerade schwierig - als sein Handy piepste. Mit einer geistesabwesenden Bewegung entsperrte er es und nahm einen Schluck Kaffee. Er war definitiv zu müde, Iphi sei Dank. Die Kleine bekam gerade ihre letzten Zähne. Schiller bekam gerade keinen Schlaf.

Das letzte Quäntchen Müdigkeit verschwand jedoch sofort aus Schillers Kopf, als er die Nachricht eines gewissen "Geheimrats" las. Er verschluckte sich prompt an seinem Kaffee und zuckte so sehr zusammen, dass sein Knie schmerzhaft gegen die Unterseite des Schreibtisches knallte.

Die Nachricht bestand nur aus drei Zeichen - einem Haus-Emoji, einem - Schiller gingen die Augen über - Auberginen-Emoji und einem Fragezeichen.
🏠🍆?

Die Aussage war unmissverständlich.

Blieben nur drei Fragen: Woher wusste Goethe, wie man Emojis benutzte? (Schiller wusste zuverlässigerweise, dass Goethe nicht einmal Sprachnachrichten aufnehmen konnte), woher wusste Goethe, was bestimmte Emojis bedeuteten? (Schiller besaß das Grundlagenwissen nur, weil seine jüngste Schwester ihn da mal eingewiesen hatte), und drittens:
War eine solch offensive Anmache nicht viel zu plump für Goethe?

Normalerweise waren des Geheimrats Avancen so verstockt und ominös, dass Schiller sie nur wegen seiner jahrelangen Erfahrung verstehen konnte, und meistens auch erst dann, wenn sein Mann ihn schon an dere Krawatte gepackt hielt, naja -

Iphi spielte zwei Meter neben ihm auf ihrer Decke, zu beschäftigt mit ihren Bauklötzen, um irgendetwas vom Gespräch ihres Vaters mitzubekommen. Schiller nahm sich sein Handy und rief Goethe an.

Nach dem zweiten Klingeln ging er dran. Goethe klang etwas verschnupft.
"Schiller? Herrje, ich habe noch eine Stunde, gedulden Sie sich!"

"Das sagt ja der Richtige" erwiderte Schiller weich. "Ich kann mich noch gedulden, bis Sie zuhause sind. Bis dahin ist Iphi auch im Bett, wir hätten also Zeit -"

"Wunderbar." Im Hintergrund hörte Schiller das Summen eines Kopierers. "Danke, Schiller. Ich geselle mich dann in der Küche zu Ihnen."

Schiller fiel fast das Handy aus der Hand. "In der Küche?"

Was ein Schnurren hatte werden sollen, wurde zu einem vorpubertären Kieksen. Dass Goethe auf seine alten Tage-

Derselbe Goethe gab nun einen leicht belustigten Ton von sich. "Natürlich die Küche, Schiller, wo denn sonst?"

Aha. So stand die Sache also. Schiller musste zugeben, das hatte er vermisst, seit sie Eltern geworden waren.

"Nun, Herr Geheimrat, ich warte dann auf Sie" raunte er ins Telefon, vorsichtig dass Iphi nichts hörte. "Soll ich schon etwas vorbereiten?"

"Marinade wäre gut" ertönte die blecherne Stimme aus seinem Handy. "Achso, und wenn sie den Grillkäse schonmal einpacken könnte, das wäre famos."

Schillers Hoffnungen starben so schnell, wie sie zum Leben erwacht waren.

"Was?"

"Herr im Himmel, Schiller, später wird es sowieso hektisch. Sagen Sie, haben wir noch Zucchini im Haus?"

"War es das, was Sie mit Ihrer Nachricht meinten?"

Ein lautes Seufzen und das Geräusch der Kopierraumtür, die ins Schloss fiel. "Was auch sonst? Einer meiner Schüler, der Georg, hat mir erklärt dass diese Bildchen so benutzt werden. Schiller? Lachen Sie mich etwa aus?!"

Mit einem nur schlect verhaltenen Lachen wechselte Schiller das Ohr. Haus, Aubergine, Fragezeichen. Na klar.

"Nein, nein, überhaupt nicht. Verzeihung. Verschiedene Interpretationsansätze. Äh-"

Goethe Zeiten, Schiller ZeitenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt