Kapitel 9

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"Was ist hier los? Warum halten sie meine Mutter hier fest?", fragte ich mit fester Stimme, als Tyler und ich in den Drachensaal hineinkamen. Falk und Tylers Vater sahen uns mit strengen Mienen an, dann ergriff Falk das Wort: "Wir haben Grund zur Annahme, dass deine Mutter mit dem kürzlich wiedergekehrten Grafen von Saint Germain zusammenarbeitet, also haben wir sie vorerst aus dem Verkehr genommen!" "Was?! Das ist doch kompletter Schwachsinn! Meine Mum hat den Kerl zusammen mit meinem Dad aufgehalten, bevor er unsterblich werden konnte, also warum sollte sie plötzlich mit ihm zusammenarbeiten?", erwiderte ich empört. "Das fragen wir uns auch, Sky. Deshalb sind sie hier. Können sie sich irgendeinen Grund vorstellen, warum ihre Mutter so etwas tut?", Mr. MacMillan blieb ebenso sachlich wie Falk, als er nun auch das Wort an mich richtete. Ungläubig schüttelte ich den Kopf: "Nein! Meine Mum arbeitet nicht mit ihm zusammen! Lassen sie sie jetzt bitte gehen!" "Da bist du dir ganz sicher? Sie hat gestern zwei unautorisierte Zeitreisen durchgeführt und dann haben wir sie beim Spionieren erwischt. Außerdem befand sich in ihrer Tasche ein Brief vom Grafen höchstpersönlich. Reicht dir das als Beweis? Sie ist schuldig und wir können sie nicht gehen lassen, weil ein kleines Mädchen seine Mutter braucht!", Mr. MacMillan wurde mit jedem Wort lauter und ich starrte ihn nach seiner Ansprache fassungslos an. Ich glaubte fest daran, dass meine Mum alles versuchte, damit der Graf wieder in sein Loch zurückkroch, wo er hergekommen war, und hatte augenblicklich das Gefühl, dass hier etwas nicht stimmte. Was hatte Tyler kurz vorher auf dem Schulhof gesagt? Er hatte genauso ein Gefühl hierbei. Irgendetwas lief hier gewaltig falsch!
Ich sah zu Falk, der mich genauso wie Mr. MacMillan mit eisernem Blick anstarrte, dann zu Mr. Marley, der unruhig in einer Ecke stand und den Boden für besonders interessant hielt. Tyler stand immer noch zerknirscht und stumm neben mir seit unserer Ankunft hier. Ich konnte ihm allerdings ansehen, dass er solche Ausbrüche seines Vaters nicht unbedingt gewöhnt war. Ich seufzte und versuchte es auf die versöhnliche Art und Weise, weil ich begriff, dass Mr. MacMillan den längeren Atem hatte, wenn es ums Anschreien ging: "Mr. MacMillan, ich versichere ihnen, ich werde helfen herauszufinden, was meine Mutter gemacht oder nicht gemacht hat. Mit mir wird sie schließlich reden und dann wird sich bestimmt alles als ein großes Missverständnis herausstellen. Es wäre nicht besonders klug, wenn wir alle hier gegeneinander arbeiten würden, wenn da draußen doch unser Feind frei herumläuft und mit jeder Sekunde, die wir hier diskutieren, gewinnt er mehr Macht und führt seinen Plan weiter fort. Also schlage ich vor, sie lassen mich jetzt zuerst mit meiner Mum reden, dass wir dieses Missverständnis aus der Welt schaffen, damit wir uns endlich den wichtigen Dingen widmen können, in Ordnung?"
Falk und Mr. MacMillan musterten mich zuerst noch stumm, schienen über das, was ich gesagt hatte nachzudenken, doch dann brachen sie beide in schallendes Gelächter aus. Verstört wagte ich einen Blick zu Tyler, der mich ebenso verwirrt ansah. "Das ist nicht mein Vater!", flüsterte er mir zu, "So ist er nicht!"
Als die beiden sich wieder beruhigt hatten, trat Mr. MacMillan vor und kam mir bedrohlich nah. Erschrocken wich ich einen Schritt zurück. "Du kleines Mädchen willst uns vorschreiben, was wir zu tun haben? Lächerlich! Aber so sind Frauen nun mal, sie denken immer, sie wären schlauer als wir, doch wir haben ihre Dummheit und Schwäche schon längst durchschaut!", meinte er und kam noch einen Schritt näher. Ich sog scharf die Luft ein. Endlich riss Tyler sich aus seiner Starre und griff ein. "Dad!", er trat zwischen ihn und mich und hielt ihn zurück, "Was soll das?!" Ungläubig sah sein Vater ihn an:"Du beschützt sie? Sie könnte genauso gut mit dem Grafen zusammenarbeiten! Sie ist schließlich die Teufelsbrut, in der sich das Blut von 4 Zeitreisenden vereint, die gegen die Loge gearbeitet haben! Wir werden sie einsperren wie ihre Mutter. Dann sind wir auf der sicheren Seite!" Mr. MacMillan versuchte an seinem Sohn vorbei zu mir zu gelangen, um mich zu ergreifen, doch erneut stellte Tyler sich ihm in den Weg und bemühte sich seinen Vater festuhalten. "Nein! Dad, was ist nur in dich gefahren? Sie arbeitet nicht mit dem Grafen zusammen, sie steht auf unserer Seite! Wir brauchen alle Hilfe, die wir kriegen können, um mit dem Grafen fertigzuwerden, weil keiner weiß, wie stark er wirklich ist, also hör auf unsere Leute alle einzusperren!", auch Tylers Stimme war laut geworden, klang aber fest und entschlossen. Mit klopfendem Herzen sah ich zwischen den beiden hin und her und hoffte inständig, dass Mr. MacMillan sich wieder beruhigte, doch das Gegenteil war der Fall.
Mit kaltem Blick sah er seinen Sohn an und verzog das Gesicht, als würde er etwas ekliges sehen: "Du beschützt sie und stellst dich auch noch gegen mich? Deinen Vater?! Du solltest dich schämen! Wahrscheinlich steckst du genauso mit dem Grafen unter einer Decke bei deiner ganzen Fragerei nach den Prophezeiungen in letzter Zeit. Nehmt sie fest und sperrt sie unten in den Kerker!" Zwei Wachen liefen auf mich zu und packten mich ohne auf meine Proteste zu achten. Tyler versuchte mir zu helfen und mich zu befreien, doch einer der Wachen schlug ihm mit der Faust ins Gesicht und er taumelte zurück. Ich schrie auf und wehrte mich gegen sie, doch konnte mich nicht aus ihrem festen Griff befreien. Hilflos musste ich mich von ihnen mitzerren lassen und blickte noch nach hinten zu Tyler, dem Blut aus der Nase tropfte, bis wir um die Ecke waren und ich ihn nicht mehr sehen konnte. Ich hörte ihn noch aufgebracht schreien und eine Art Rangelei brach aus -wahrscheinlich zwischen ihm und seinem Vater, der ebenfalls herumschrie-.

Die Wachen schleppten mich einige Treppen nach unten in den Keller und schubsten mich mit aller Kraft in eine Zelle, sodass ich stolperte und auf den harten Steinboden fiel. Schmerz durchzuckte meinen rechten Unterarm und meine Hüfte und ich biss die Zähne aufeinander. Quietschend schlossen die Männer die Gittertür und der Schlüsselbund klimperte, als sie diese dann absperrten. "Sky!", hörte ich auf einmal meine Mum und sofort rappelte ich mich hoch. Sie war in der Zelle mir gegenüber. Ihr Gesicht war tränenüberstörmt und Blut klebte an ihrer Stirn. "Mum!", auch mir traten nun Tränen in die Augen gleichzeitig aus Erleichterung, dass ich meine Mum endlich gefunden hatte, aber auch aus Verzweiflung, da ich keine Ahnung, wie wir hier wieder rauskommen sollten. "Wir müssen dich hier rauskrigen, Sky! Du bist in Gefahr!", Angst stand ihr ins Gesicht geschrieben. "Weil der Graf mich will, meinst du? Aber so lange ich hier drin bin, kommt er doch nicht an mich ran oder?", fragte ich hoffnungsvoll. Sie schüttelte den Kopf:"Irgendetwas stimmt hier nicht, Sky. Ich glaube die Loge hat eine Art Deal mit dem Grafen, dass sie dich ihm übergeben, aber ich habe keine Ahnung, was sie im Gegenzug bekommen!"

Tiger's eye- Die 13. ZeitreisendeWhere stories live. Discover now