Unüberlegt

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Ich trat aus Levis Büro und verstand immer noch nicht, was gerade Vorgefallen war. Er hatte offensichtlich herausgefunden, dass ich alle hier im Punkt meiner Herkunft belogen hatte und trotzdem ließ er mich laufen.

Ich blieb kurz stehen, als vor mir Schwungvoll eine Tür geöffnet wurde und Erwin aus seinem Büro trat.
Er sah nur kurz zu mir und ich salutierte, ehe er sich kommentarlos umdrehte und den Flur entlangschritt.

Ich sah zu Tür, die sich quälend langsam schloss und ehe sie komplett zufallen konnte, machte ich einen Satz nach vorne und war in Erwins Büro, ehe die Tür zuknallte.
Wenn ich die Unterlagen, die ich brauchte, irgendwo finden konnte, dann hier, in Erwins Büro. Er war Kommandant des Aufklärungstrupps.

So leise wie möglich ging ich zu seinem Schreibtisch und öffnete jede Schublade.
Ich versuchte so wenig unordnung wie möglich zu machen, als ich mir die Papiere durchsah.

Ich ging zu dem Regal, an dem viele Ordner standen. Ich nahm mir die raus, in der ich vermutete, dass da auch das Dokument war, welches ich suchte.

Die Dokumentation über sie.
Dass sie dieses Wissen bereits erlangt hatten, grenzte an eine Katastrophe. Der Aufklärungstrupp hätte niemals etwas von ihr wissen dürfen und ich würde dafür sorgen, dass diese Informationen verschwanden, ehe sie weiter getragen wurden.
Danach würde ich von hier verschwinden können und endlich wieder in Freiheit leben können, so wie ich es vorher getan hatte.

Ich legte den letzten Ordner zurück und stöhnte genervt auf. Es war nicht hier.

Da ich nicht wusste, wann Erwin zurück kehren würde, ging ich wieder zur Tür, hielt einen Moment mein Ohr dran und lauschte. Doch es war nichts zu hören.
Ich öffnete ein Stück die Tür und schlich wieder nach draußen.

Ich lief ganz normal den Flur entlang und ärgerte mich darüber, dass ich nichts gefunden hatte. Doch wenn Erwin es nicht im Büro hatte, wo konnte es sonst sein?

Während ich weiter darüber nachdachte, hörte ich weitere Schritte hinter mir. Sie waren ruhig und nicht hektisch, trotzdem schoss mein Puls in die Höhe und mich überkam wieder eine leichte Panik.
Ohne mich umzudrehen, wusste ich, dass sie ein kalter, grauer Blick in meinen Rücken bohrte.

Wie lange war Levi hinter mir gewesen? Wieso hatte ich ihn nicht gesehen? Hatte er beobachtet, wie ich aus Erwins Büro geschlichen war? Oder war er erst eben gerade dazu gestoßen?
Ich wusste es nicht und ich versuchte mich so unauffällig wie möglich zum Speisesaal zu bewegen.
Es war Zeit für das Abendessen und ich betrat den Essensaal, stellte mich zur Essensausgabe und starrte zur Tür.

Tatsächlich. Als sie ein weiteres Mal geöffnet wurde, betrat Levi den Raum und sofort glitt sein Blick zu mir.
Ich sah noch eine Weile zu ihm, als ich mich auf mein Essen konzentrierte.

Er stellte sich hinter mich an und ich sah im Augenwinkel, wie er sich eine Tasse nahm.
"Mein Team trifft sich am Tisch der Kommandanten. Wir haben noch etwas zu Besprechen."

Seine Stimme war kalt, wie immer, doch er wirkte nicht, als hätte er mich gerade dabei gesehen, wie ich etwas verbotenes getan hatte. So hoffte ich zumindest.

"Jawohl.", sagte ich noch, ehe ich mein Tablett nahm und zum Tisch der Kommandanten trat. Das Team war größer geworden, da nun auch Soldaten der 104. Trainingseinheit dazu gekommen sind.
[Anmerkung: Wir mischen die neue und die alte Eliteeinheit. Also Petra x Baum gibt es in dieser FF nicht.]
Ich nahm gegenüber von Petra Platz und starrte auf mein Essen. Ich hatte keinen Hunger, doch ich musste den Schein waren, also steckte ich mir etwas in den Mund und ich spürte, wie er mich wieder beobachtete. Er ignorierte seinen Gesprächspartner und ein dreckiges Grinsen umspielte seine Lippen.

Sofort wurde mir übel und ich dachte nur daran, dass ich dieses Dokument finden musste, damit ich so schnell wie möglich von hier verschwinden konnte.
Ich wusste nicht, wie lange ich das noch durchstehen konnte, ohne meinen Verstand zu verlieren.

 Levi kam mit einer Tasse Tee zu uns und wählte den freien Platz neben mir. Ich spürte seinen Blick auf mir ruhen und ich bemerkte erst jetzt, dass ich meine Hand zu einer Faust zusammen geballt hatte. Sofort ließ ich sie locker und erst jetzt ließ er sein Blick von mir ab.

"Nächste Woche startet die nächste Expedition.", ließ Levi verkünden und nippte sachte an seinem Tee. Der Geruch stieg mir in die Nase und ich war verwundert, wie gut er mir gefiel.

"Wir werden mit Hanjis Einheit zusammen los ziehen. Es wird eine größere Truppe werden und Erwin hat einen Plan ausgearbeitet, wie wir uns trotzdem möglichst unauffällig durch das Titanengebiet bewegen können."

Levi begann damit Erwins neue Strategie zu erklären, doch ich dachte nur daran, dass ich diese Mauern verlassen würde. Ich würde sie wiedersehen können und nach dem Rechten schauen. Allerdings war die Grupper größer als damals und es würde schwerer für mich werden mich unbemerkt aus dem Stützpunkt zu schleichen.
Seit damals hatte ich sie nicht mehr gesehen. Meiner ersten Expedition. Da wo er mir gefolgt war und mein Geheimnis aufgedeckt hatte.

Mein Blick wanderte nach oben und ich sah in seine Augen. Auch er starrte mich an und als schien er zu wissen, was in meinem Kopf vorging, schlich sich wieder ein Grinsen auf seine Lippen.

"Gunther, Auruo und Petra. Ihr werdet während der gesamten Expedition auf Eren acht geben. Wir wissen immer noch nicht, wozu er mit seinen Titanenkräften im Stande ist. Wenn er sie nicht kontrollieren kann, tötet ihn.", Levi wurde aus seiner Erzählung gerissen, als Mikasa aufgesprungen ist und von Armin zurück gehalten wurde, sich nicht auf Levi zu stürzen. Sein Blick blieb einen Moment an Mikasa hängen, doch erzählte dann in aller Ruhe weiter.

"Wenn möglich werden wir wieder einen Titanen lebend fangen und Hanjis Einheit überlassen, aber ich will nicht, dass ihr ein unnötiges Risiko dafür eingeht, verstanden?"

"Jawohl.", antworteten alle synchron.

"Da gibt es noch etwas. Es gibt Berichte über ein Wesen, worüber wir keinerlei weiteren Informationen haben. Es wurde nur ein einziges Mal gesehen und es ist fraglich, ob es überhaupt wirklich existiert. Doch auch danach werden wir ausschau halten."

"Was soll das für ein Wesen sein?", fragte Petra und mein Herz donnerte viel zu schnell gegen meine Brust. Ich spürte meine Hände zittern und wie sich Schweiß in ihnen bildete.

"Laut der Angaben der Mauergarnison, soll es ein weiterer Tiertitan sein. Im Form eines Wolfes und es hat einen Soldaten der Mauergarnison getötet. Also ist Vorsicht geboten."

Blass hob ich meinen Kopf und direkt starrten mich seine Augen wieder an und ich sah etwas spöttisches in seinem Gesicht.
Wieder ballte ich meine Hände zu Fäusten und versteckte sie unter dem Tisch. Als Levi verkündete, dass die Sitzung beendet sei, stand ich viel zu schnell von meinem Platz auf, nahm mein Tablett und verließ den Tisch.

Wieder spürte ich, wie mich Levi beobachtete, doch ich ignorierte ihn und verließ fluchtartig den Saal.
Ich rannte beinah, als ich am Trainingsplatz ankam und gegen den Boxsack schlug. Ich verzichtete auf die Handschuhe und nach wenigen weiteren Schlägen, sah ich wie sich der Sack mit meinem Blut rot färbte, doch es war mir egal und ich schlug immer und immer wieder gegen ihn.

"Du steckst ganz schön in der Patsche.", hörte ich seine widerliche Stimme direkt hinter mir und ohne, dass ich einen Moment darüber nachdachte, drehte ich mich zu ihm und mein nächster Schlag traf ihn ins Gesicht.
Sein Gesicht flog zur Seite und er taumelte ein paar Schritte zurück. Er fasste sich an seine Lippe und sah sich das Blut an seinen Händen an.
Für einen kleinen Moment fühlte ich mich gut, ihn endlich auch mal leiden gesehen zu haben, doch dann sah er auf und ich erkannte die Wut in seinen Augen.

"Das wirst du noch bereuen.", knurrte er, drehte sich um und ging davon.
Erst jetzt realisierte ich, was ich da getan hatte. Die Person, die für mich und mein Vorhaben die größte Bedrohung darstellte, hatte ich gegen mich gestellt.

Was würde er jetzt tun? Mich verpfeifen? Dann könnte ich hier nie wieder weg und müsste sie alleine lassen.

Ich sackte zu Boden und biss meine Zähne zusammen. Der Aufklärungstrupp wusste über sie Bescheid. Ich hatte ihn gegen mich.
Alles, was ich die letzten Jahre bewahrt hatte, war innerhalb eines Tages ruiniert und ich wusste nicht, welche Konsequenzen es mit sich ziehen würde....


Levi X Reader ~ Little Secret~ // BEENDET//Where stories live. Discover now