Eine gewagte Nummer

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Perplex sehe ich auf und erkenne den jungen Mann, der mir die ganze Zeit nicht aus dem Kopf gehen will. Elijah lächelt mich schief an. Beim näheren Betrachten fällt mir auf, dass er wunderschöne dunkelbraune Augen mit den beeindruckendsten Wimpern hat, die ich je gesehen habe. Als ich merke, dass ich ihn auschecke, blinzle ich meine Überraschung hinfort und erwidere sein Lächeln.

"Na klar," meine ich und werfe mein Vorhaben, zu gehen, sofort über den Haufen. Entspannt deute ich auf den einzigen freien Stuhl an unserem Tisch. "Setz dich. Ich bin Connor."

"Elijah. Schön, euch kennen zu lernen." Er reicht mir die Hand während er sich setzt. Sie fühlt sich warm und weich in meiner an und ich wünsche mir sofort, sie nie wieder loslassen zu müssen.

"Ich bin Matthew. Hi. Und das ist mein Verlobter, James," stellt sich der junge Mann mir gegenüber vor und sie schütteln sich ebenfalls die Hände. Ich bemerke, dass Elijah jedem in die Augen sieht und ihn anlächelt; sein Auftreten ist sehr selbstbewusst, aber nicht aufdringlich. Das war mir auch in der Gruppe schon aufgefallen und ich finde es umso beeindruckender, dass er auch bei Fremden so ist.

Ich wende mich Railey zu um ihr zu sagen, dass ich die Rechnung doch noch etwas warten lassen würde, bevor ich mich wieder Elijah zuwende. Ich kann nicht glauben, dass er wirklich hier sitzt - ich bin auf ein mal nervös und weiß gar nicht, was ich sagen soll.

"Du hast wunderschön gesungen," beginnt James und nickt zur Bühne. "Du hast den Titel, der Soul in Person zu sein, echt verdient."

Elijah neigt den Kopf und lächelt. "Vielen Dank. Toby T hat da aber auch seine Hände mit im Spiel. Er ist wie mein Onkel und hat mich mit Soul-Liedern in den Schlaf gesungen. So lernt man dann gezwungener Maßen den Text. Die Melodien... eher weniger."

Ich grinse. Der Besitzer der Bar ist zwar einer der freundlichsten und angenehmsten Menschen, die ich in meinen vier Jahren in New Orleans kennengelernt habe, aber Singen ist nicht unbedingt seine Stärke.

"Das glaube ich gerne," meine ich und schüttle den Kopf, "Toby T hat für den achtzigsten Geburtstag seiner Oma eine private Feier im Heart n' Soul organisiert, an der die Band und ich spielen durften. Als er Happy Birthday angestimmt hat, da wussten wir erst mal gar nicht, was das denn für ein Lied sein sollte, so schief war das."

Matt stupst seinen Verlobten schelmisch grinsend an. "Das könntest fast du sein. Du hast vorhin auch keinen Ton getroffen."

Dieser schnappt empört nach Luft. "Ich bitte dich, das war ein musikalisches Erlebnis! Solche vokale Schönheit wirst du nie wieder zu hören bekommen."

"Gott sei Dank," murmelt Matt amüsiert und leert sein Glas.

Elijah grinst und zuckt mit den Schultern. "Ich fand es nicht so schlimm," meint er und lugt kurz zu mir herüber. Ich versinke für einen Augenblick in seinen wunderschönen Augen, dann spricht James wieder.

"Wenigstens hält einer zu mir," sagt er mit einem gespielt schnippischen Unterton und formt mit seinen Lippen ein stummes 'Danke, Elijah'.

Dieser tippt sich galant an den Kopf, als würde er einen Hut heben.

Matt zieht ihn zu sich hin und küsst ihn auf die Schläfe. Dann flüstert er ihm etwas ins Ohr, was ganz verdächtig nach 'Ich entschuldige mich später bei dir' klingt.

Schnell wende ich meinen Blick ab und fokussiere wieder auf Elijah. Er hat einen entspannten, amüsierten Gesichtsausdruck, als er die liebevollen Neckereien betrachtet. Um seine Augen liegen kleine Fältchen, die eine glückliche Kindheit suggerieren. Dass er so tolerant auf die Darstellung gleichgeschlechtlicher Liebe reagiert, gibt mir ein wenig Hoffnung. Vielleicht hatten die beiden doch recht und dieser exotische Gott hat tatsächlich Interesse an mir.

Soul SongWhere stories live. Discover now