S01 E05: Von Hass und Leid

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Lyn hatte nicht einmal richtig realisiert, was geschah, ehe sie bereits hinter Cyris her stürmte. Sie hatte nicht lange gebraucht, um zu erkennen, dass die Mirialanerin nichts geringeres im Sinn hatte, als den Piratenkapitän dort unten umzubringen.

"Verlogener, dreckiger Sohn eines Bantha, ich schwöre, ich bringe dich um!", fluchte Cyris. Sie hatte sie noch nie so aus der Fassung gesehen, genau genommen hatte sie gedacht, sie hätte noch nie gesehen, dass Cyris wirklich wütend war. Doch jetzt wurde ihr klar: Cyris war immer voll Zorn und Hass. Jetzt war nur der Moment, in dem alles überquoll.

Es dauerte nur Sekunden, bis die Söldnerin vor dem Pirat stand, mit einer kaum sichtbaren Bewegung hatte sie das Lichtschwert an ihrem Gürtel nicht nur aktiviert, sondern den Kapitän auch gegen eine Wand gedrängt, den Laserstrahl an seiner Kehle.

"Nenn mir einen - einen einzigen! - Grund, dich nicht auf der Stelle um deinen Kopf zu erleichtern, du verfluchter Piratenbastard", zischte Cyris, die sonst dunklen Augen blitzten im Sonnenlicht gelblich.

"Cyris, hör auf!", rief Lyn, immer noch nicht ganz bei ihrer Partnerin angekommen. Cyris drehte nicht einmal den Kopf in ihre Richtung, Lyn sah bloß das schemenhafte Aufblitzen von leuchtendem Gelb, ehe Cyris zwei Finger von ihrem Lichtschwertgriff löste, woraufhin Lyn von einer unsichtbaren Druckwelle auf den Rücken geworfen wurde. Den Aufprall noch in den Knochen wiederhallend rappelte sie sich wieder auf, nicht wirklich fähig zu realisieren, dass es die Macht war, die ihre Knochen zum Schmerzen brachte - oder besser, der instinktive Versuch, sich gegen die feindliche Kraft zu wehren.

Der Pirat derweil lachte bloß.
"Kenne ich dich irgendwo her, Mädchen?", fragte er, immer noch die Flasche mit Corellianischem Cognac locker in der rechten Hand und ein gleichgültiges Grinsen im Gesicht.

"Du bist wirklich einfach nur schleimiger Abschaum, wenn du nicht einmal mehr weißt, was du damals getan hast. Vielleicht helfe ich dir etwas auf die Sprünge?", drohte nun Cyris und mit einem Surren bewegte sich die Klinge des Lichtschwerts weiter an seine Kehle heran.

"Der Planet Widow. Nichts weiter als gelber Staub, trockene Einöden und Gestein", erzählte Cyris durch zusammengepresste Zähne, "bloß ein kleiner, unbedeutender Fleck in der Nähe von Naboo."

Lyn horchte auf und beschleunigte ihre Schritte erneut. Als sie kurz hinter den Beiden war, blieb sie stehen.
Kam Cyris von diesem Planeten, Widow? Das Naboo-System erschien Lyn eigentlich zu friedlich für jemanden wie diese Söldnerin.

"Naboo?", Hondo erbleichte, soweit das einem Weequay möglich war. Mit einem Klirren zerschellte die Flasche am Boden.

Dann hatte der Pirat sich wieder gefasst, um zu erwidern: "Schade um den Alkohol, den hätte ich jetzt gebraucht. Kann ich mich wenigstens setzen?"

Cyris Lächeln hatte etwas Boshaftes, Grausames.
"Du erinnerst dich. Wie schön. Immerhin hast du nicht vergessen, was damals passiert ist. Was du mir angetan hast. Hast du überhaupt je wieder an diesen Vorfall gedacht, Piratenbastard?"

Eine kurze, betretene Stille folgte.

"Natürlich hast du nicht. War ja auch das exakte Gegenteil von einer lukrativen Anlage - du musst Millionen an Verlusten gemacht haben, nicht wahr, Hondo? Weißt du, im Gegensatz zu dir, habe ich viele Jahre damit verschwendet, darüber nachzudenken. Was gewesen wäre, hättest du mich damals nicht an den Höchstbietenden verschachern wollen. Aber vielleicht sollte ich dir dankbar sein, ohne dich wäre ich schließlich nie die geworden, die ich nun bin", Cyris Lächeln wurde immer diabolischer.

Hondo dagegen brach langsam in Hektik aus, während er mit Augenkontakt versuchte, seine Männer um ihn herum dazu zu bewegen, Cyris anzugreifen. Aber nichts passierte - zu feige waren jene, deren Treue nun offenbar nichts wert war.

"Hätte ich einen guten Tag, hätte ich dich vielleicht schnell getötet", meinte Cyris, das Lächeln auf ihrem Gesicht nun beinahe psychotisch, "nur leider hat mir deine hässliche Visage echt die Laune vermiest."

Dann holte sie mit dem Lichtschwert aus.

Lyn hatte nicht einmal realisiert, was sie gerade tat, als sie dazwischen ging.
"Hör zu, Cyris, bitte. Egal, was er dir angetan hat, er ist es nicht wert, so zu sterben. Nicht heute, und auch nicht durch deine Hand."

"Du weißt gar nichts, Fenrys. Du hast nicht erlebt, was ich erlebt habe. Und jetzt geh aus dem Weg, oder ich sorge dafür, dass du nie wieder irgendwo hin gehst", knurrte die Söldnerin.

Lyn hob beschwichtigend die Hände. "Du brauchst mich lebend und auf deiner Seite, um deine Jagd so umzusetzen, wie du das gern hättest. Also wirst du mir jetzt zuhören, und dann", Lyns Hand begann zu zittern, wodurch sie nicht gerade bedrohlich aussah, "dann können wir uns überlegen, wie wir weitermachen."

Cyris seufzte leise, was sich jedoch dank der Stimmverzerrung eher wie ein Knurren anhörte.

Lyn sah nur noch ein blutrotes Flimmern auf sie zuzischen wie ein Blitz. Reflexartig riss sie die Hände hoch und zog mit geschlossenen Augen den Kopf ein.

Als sie die Augen wieder öffnete, wurde sie durch ein gleißendes, rotes Glühen geblendet. Verwirrt blinzelte sie. Etwa einen halben Meter vor ihr schwebte die rote Laserklinge, die Cyris geworfen hatte, während sie mit der anderen Klinge Hondo fixierte - Lyn war sich zuvor nicht einmal im Klaren darüber, dass die Söldnerin zwei Lichtschwerter hatte.

Hatte sie Lyn nur einschüchtern wollen? Das erschien ihr eigenartig - für gewöhnlich machten Söldner wie sie keine halben Sachen.

Ein prickelndes Kribbeln machte sich in ihren Fingerspitzen breit - und Lyns Herzschlag holperte für einen Moment. Sie kannte dieses Gefühl, sie erinnerte sich. An alles, was vor sechs Jahren geschehen war, an die Explosion und die Schreie. Und sie erinnerte sich auch an das Gefühl in ihren Fingerspitzen dabei, das Kribbeln, das ihr Abenteuer und Wissen versprach, wenn sie sich darauf einließ.

Zitternd ließ sie die Hände sinken, das deaktivierte Schwert fiel mit einem Klackern zu Boden. Lyn hob den Kopf und wagte den Blick zu Cyris, deren gelbliche Augen nun Lyn beobachteten.

"Also, ich finde, das Mädchen da hat Recht! Wir können doch alle Freunde sein", warf Hondo, ohne zu merken, was gerade geschehen war, in die Stille ein, doch als Lyn und Cyris ihm unisono zuriefen: "Klappe halten!", beschloss er, sich lieber einen anderen Weg aus diesem Debakel zu suchen.

Stattdessen wandte Lyn sich nun ihrer Partnerin zu. "Denkst du wirklich, sein Tod würde etwas ändern? Er lebt ein schäbiges Leben, gesteuert von Alkohol und Profit. Wenn du ihn tötest, hier und jetzt, was würde das ausmachen?", versuchte sie, auf Cyris einzureden, "Ist es wirklich Rache, wenn du ihn einfach ins Vergessen schickst?"

Dann herrschte Totenstille, diese Art von Schweigen, in der man nichts weiter tun konnte als dem eigenen Herzschlag zu lauschen und abzuwarten. Das leise Surren des Lichtschwerts und das harsche Rauschen des Windes über den kargen Stein verschmolzen miteinander, betonten die angespannte Ruhe, die zwischen Cyris und Lyn entstanden war - wegen dem, was letztere soeben gesagt und getan hatte.

Schließlich ertönte ein erneutes Seufzen, und schließlich bewegte sich der rote Laser etwas weg von Hondos Hals.

"Du hast Glück, Piratenabschaum. Ich hätte dich liebend gern in die Kosmische Macht zurück befördert, aber dummerweise hat meine Partnerin recht. Dein Leben ist wesentlich mickriger und unbedeutender, als dein Tod es gewesen wäre."
Cyris tat einen Schritt zurück, dann noch einen.

Der Pirat rieb sich den Hals, während er versuchte, sich möglichst locker zu geben.

"Wenn ich dich irgendwann allein erwische, sorge ich dafür, dass du es bereuen wirst, ist das klar?", fragte die Söldnerin. Ihr Ton hatte etwas an sich, ein Zischen, das klar machte, dass sie es ernst meinte.

Als sie das Piratencamp verließen, trugen sie die Daten bei sich. Nach dieser Showeinlage hatte sich kein einziger Pirat in ihren Weg stellen wollen, während Hondo sich betrank und wahrscheinlich nicht einmal etwas mitbekommen hatte. Lyn meinte, so etwas wie tiefes Bedauern in seinen Augen gesehen zu haben - aber ob das bloß Wunschdenken war, konnte sie nicht sagen.

In dieser Nacht konnte sie nicht schlafen. Sie hatten Florrum nicht verlassen, sie hätte sich bei ihrem Zustand nicht zugetraut, zu fliegen. Doch am nächsten Morgen sollte ihr klar werden, dass es besser gewesen wäre, diese Einöde so schnell wie möglich zu verlassen.

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